Corona bei hart aber fair die gefühlt eintausendunderste Talkshow. Montag darf wieder Frank Plasberg. Noch ist keiner der Moderatoren der vier großen öffentlich-rechtlichen Talkshows ernsthaft erkrankt. Irgendwann in den letzten Wochen war Johannes B. Kerner bei Maischberger mit Corona zugeschaltet aber ohne nennenswerte Symptome.
Tatsächlich gibt es in der ganzen Republik kaum jemanden, der jemanden kennt, der ernsthaft an der weltbewegenden Krankheit leidet oder gar ins Krankenhaus gekommen ist. Und Angela Merkel erzählt in düsterem Märchentantendeutsch, dass die große Gefahr noch lange nicht angekommen sei im Land und bei den Menschen. Irgendwann, ja, aber noch nicht heute. Solange aber bitte keine „Öffnungsdiskussionsorgien“ – ja, solange ist eben Notstand. Bis er zum normalen Stand wird? Möglicherweise bis 2022, wie Karl Lauterbach später erklären wird.
Bei hart aber fair versammeln sich besagter Gesundheitsexperte der kränkelnden Sozialdemokratie und Urich Schneider (Paritätischer Wohlfahrtsverband) zwei der üblichen Verdächtigen zum Thema also. Neben dem Moderator ebenfalls an den neuen abstandeinhaltenden Einzelpulten als Ersatz für den Gemeinschaftstresen gestellt: Tobias Hans (CDU-Ministerpräsident des Saarlandes), Clemens Fuest (Präsident des ifo-Institutes) und die unvermeidliche Begleitung der öffentlich-rechtlichen Druck- und Onlinemedien in spe ist dieses Mal mit Barbara Vorsamer eine Digitalredakteurin der Süddeutschen Zeitung (zur Zeit im Home-Office an ihren beiden Grundschulkindern leidend).
Irgendwann in naher Zukunft wird das chinesische Zeitfenster der angeblichen Bewältigung der Krise erreicht sein – zieht Merkel-Deutschland ganz strebsam noch länger durch als der große Bruder?
Die deutsche Telekom soll sich in Taiwan schon erkundigt haben, wie diese Rundumüberwachung per Handyortung funktioniert und wie schnell dort die Polizei an Ort und Stelle sein kann, wenn der Bürger rebellisch ist gegen Sondermaßnahmen. Am Berliner Volkstheater wurde schon die erste Links-rechts-Querfront-Demonstration gegen eine drohende Diktatur aufgelöst, berichtete der Tagesspiegel.
Aber jetzt schnell ins Studio – auch dieses Mal durften Zuschauer Fragen einreichen, von denen Plasberg ein paar zum Thema „minimale Lockerungen“ abarbeiten will – die Studiozuschauersitzplätze bleiben weiter leer, also auch kein Gefälligkeitsklatschen, so lange es noch nicht eingespielt werden würde.
Wer es einmal lernen will, der kann beim Ministerpräsidenten aus dem Saarland in die Schule gehen: Der Christdemokrat beherrscht die Technik des Ablesens von Texten ohne abzulesen. Jedenfalls klingt es so, wenn er seine wie auswendig gelernte Begeisterung über die merkelsche Corona-Krisenregierung zum Auftakt herunterbetet. Er war dabei beim digitalen Morgenbriefing mit Kanzlerin und ist davon offensichtlich immer noch ganz berauscht.
Ulrich Schneider, der sich sonst zum Anwalt der einfachen Leute macht und das eins ums andere Mal auch vehement getan hat in solchen Sendungen, sagt einen aus seinem Munde denkwürdigen ersten Satz: Es liefe ja „bisher ganz gut, was die Disziplin in der Bevölkerung anbelangt.“
Nein, Disziplin ist hier und in dem Zusammenhang sicher das falsche Wort. Der gehört an die Heimatfront und nicht ins 21. Jahrhundert. Und schon gar nicht in den Mund eines Vorsitzenden des Paritätischen. „Wenn wir eine Ausnahme machen, kommen zwanzig Forderungen nach neuen Ausnahmen.“, sagt Schneider zum Thema Bundesliga-Geisterspiele, es wäre doch nicht vermittelbar, dass kleine Kinder nicht auf ihren Spielplatz dürften, aber kickende Millionäre schon.
Lauterbach zieht mal den Fußballzahn und berichtet über die Übertragungswege beim schnellen Atmen. Kommt demnächst eine App gegen schnelles Atmen? Und dann eine lauterbachsche Gesundheitspolizei vorbei, die einem den Hals zuschnürt mit einer hässlichen Zwangsfliege? Man müsste also jeden einzelnen negativ testen, bevor die Kicker aufs Feld dürften. Sowas gab es früher nur via RTL oder VOX aus den deutschen Schmuddelecken bei Gangbang-Treffen, wenn es mal ohne Kondom und ohne Aids in Gesellschaft passieren sollte, was zwischenzeitlich aber hochoffiziell verboten wurde. Ergo wird die nächste Ausnahmeforderung dann vielleicht die der Prostitution sein, was ja wiederum Ulrich Schneiders These stützen würde.
Übrigens wäre es hier einmal ein Vorführeffekt gewesen, die gesamte Sendung mit Mundschutz zu absolvieren. Oder wurden alle Teilnehmer zuvor negativ getestet? Soviel zu Ausnahmen.
Schon gibt es analog zur Klimalüge erste Stimmen, die eine Verharmlosung als eine Art Corona-Lüge outen. Erstaunlicherweise gibt es auch schon erwachsene Klimawandelkritiker, die hier zu Corona debattenbeschneidende Glaubenssätze aufstellen, solche, die sie zum Thema Klimawandel angewandt zuvor noch vehement und scharf kritisiert haben.
Klar. Der Deutsche Fußballbund irritiert natürlich, davon zu reden, die Tests an den Spielern für Phantomspiele würden zu keiner Verknappung an Tests führen: Es gelingt ja zurzeit nicht einmal, aussagekräftige Testreihen in der Gesamtbevölkerung durchzuführen. Oder liegt es daran, dass die zu erwartenden Ergebnisse hier eine zu beruhigende bzw. eine auf fatale Weise beruhigende Wirkung auf die Bevölkerung hätten?
Mann-o-mann, der Saarländer ist wahrscheinlich der Traum vieler Werbefilmagenturen. Schöner warmer Bariton, nettes Sprachbild, flüssiges Deutsch. Barbara Vorsamer von der Süddeutschen ist in grauer Lederjacke gekommen und regt sich aus dieser heraus über die an den Familien vorbeigehende Debatte um Kitas in Zeiten von Corona auf. Clemens Fuest vom ifo-Institut erzählt dazu, er hätte selber drei Kinder und wüsste „genau“, was eine Kita ist.
Merksatz: Hausfrauenarbeit ist die Keimzelle des Home-Office und nicht Vater und Mutter die unbekannten Wesen, die jetzt wichtige Sachen ganztags am Computer zu Hause machen, anstatt nach Feierabend stundenlang bei Ebay oder Facebook zu verweilen.
Der jedenfalls vom Vortrag her von Minute zu Minute unerträglicher werdende Werbeonkelstimmen-Ministerpräsident Tobias Hans wirft ein, er hätte auch zwei Kinder zu Hause „und alle Schwierigkeiten, das unter einen Hut zu bekommen“.
Nein, „alle Schwierigkeiten“ hat er ganz sicher nicht. Ihm wird trotz Corona geholfen, da darf man ganz sicher sein, sonst hätte auch er auf diese Sendung und die Anreise ins Studio verzichtet und den Zuhause-Kleinen stattdessen mal ganz basisch etwas vorgelesen, anstatt sie in den Laufstall zu setzen oder sonst wohin, wo sie quengelig werden können.
Seine Zwillinge sind allerdings erst ein Jahr alt, wird Plasberg später einwerfen – die können demnach kaum schon in der Kita sein. Oder schickt der MP seinen ganzen Stolz etwa schon in die Krippe? Fakencheck auch hier bitte. Plasberg erinnert den Politiker sicherheitshalber noch an die Lebenssituation der anderen da draußen: „Zwanzig Prozent der Deutschen haben weder einen Balkon noch eine Garten.“
Aber auch auf der reinen Tonspur sind die Stimmen von Lauterbach und Hans herausstechend und wohl auch für Erwachsene nicht besonders empfehlenswert in die schöne Traumzeit mit hinüber genommen zu werden. Hilfe, der Saarländer ist eine – pardon – Labertasche, das einem schwindelig wird, wenn man doch schaut und hört.
„Einer von uns beiden ist Vollzeit arbeitend und einer ist Care-arbeitend“, erklärt die SZ-Journalistin und Mutter von zwei Kindern ihre Familiensituation. „Care-arbeitend“ ist so ein Wort, wo man früher Hausfrau sagen durfte, ohne die Frau des Hauses zu diskreditieren. Verdrehte Welt. Verdrehte Worte. Keimzelle der Klima- wie der Corona-Hysterie?
Karl Lauterbach glänzt für den Moment mit einer vermeintlichen Regierungskritik, wenn er es bedauert, dass Deutschland „zu früh von der Bremse“ gegangen ist. Denn nur Deutschland hätte in Europa noch die Chance gehabt, zu einem früheren Zeitpunkt jeden einzelnen Fall einer Neuinfektion nachzuverfolgen und entsprechend zu isolieren.
Wenn Lauterbach in Bedrängnis gerät, erwähnt er wiederholt, was er sage, sei ja „nicht alleine seine Position.“ Auch dass ein interessanter Debattenstil, der für sich spricht, wenn der Sozialdemokrat hier für sich auf eine Herdenschlauheit abheben will, die man ihm oft so gar nicht anmerkt.
Der sich ganz gut als bodenständiger Praktiker verkaufende Schneider klopft auf den Tisch und möchte den Lauterbachschen Konjunktiv endlich mal verlassen. Klar, das ist seine Rolle. Entsprechend nah ist er am Volk, wenn er z.B. daran erinnert, dass viele Migranteneltern mit Sprachbarriere alles andere als in der Lage wären, zu Hause für die Kleinen auch noch Schule zu spielen.
Tatsächlich sollte der Deutsche sich dann adäquat an die staatlichen Kontrollen, an Parkbankpolizei und Handyspitzeleien gewöhnt haben. Was für ein Wahnsinn. Und sicher ein guter Moment, diese Sendung mit dieser scharfen Warnung an dieser Stelle in der Nacherzählung abzubrechen. Lauterbach spielt ein gefährliches Spiel. Trotz eines massiven Mangels an Informationen spielt er für Angela Merkels Zukunftspläne den vorauseilenden Apokalyptiker.
Wenn man das noch sagen darf: Sein zerknitterter misantropher Eindruck vor Kamera spiegelt fast perfekt wieder, was man von diesem Vertreter der Großen Koalition halten darf: wenig. Damit wollen wir vorzeitig enden um die Aufmerksamkeit auf dieser beunruhigenden Aussage stehen zu lassen.