In Deutschland sind nun laut Länderinformationen 128.480 Personen als Corona-infiziert gemeldet (Stand 14. April, 20:00). Die Johns Hopkins Universität meldet 131.359 Fälle. Sie schätzt außerdem, dass davon 68.200 geheilt sind. Diese Zahl ist eine Schätzung, denn die Bundesländer melden nicht, wie viele Corona-Infizierte mittlerweile wieder genesen sind.
Laut Bundesländer-Informationen sind 3.218 Corona-positiv Getestete verstorben. Allerdings scheint die Zahl der Personen, die auf der Intensivstation behandelt werden müssen, seit einigen Tagen abzuflachen.
Die obige Graphik beschreibt die Zahl der Corona-positiven Patienten die auf der Intensivstation behandelt werden müssen in neun Bundesländern. Diese Bundesländer sind: Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen. Die übrigen Bundesländer (Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz) veröffentlichen keine Zahlen zur Intensivbettenbelegung.
Die rote Linie ist eine Trendlinie, die das Wachstum der Intensivbettenbelegung vom 22. März zum 3. April darstellt. Die gestrichelte rote Linie ist die theoretische Weiterführung derselben. Die grauen Balken beschreiben die tatsächlich belegten Intensivbetten in den neun Bundesländern. Seit dem 4. April ist deutlich zu sehen, dass weniger Intensivbetten belegt werden, als der Trend der vorhergehenden Tage vorausgesagt hat. Diese Abweichung vom Trend lässt sich mit den stark zurückgegangenen Neuinfektionsraten der letzten Tage erklären.
Der Anstieg an Neuinfektionen fällt schon seit Ende März. Das führt folglich auch dazu, das weniger Menschen in die Intensivstationen eingewiesen werden. Die Zahlen der letzten Tage werden nachträglich wohl nach oben korrigiert werden müssen – es war Ostern, da wurden weniger Tests durchgeführt – aber es ist insgesamt ein beruhigendes Signal.
Folgephänomene
Die Rechtsanwältin Beate Bahner wurde am Montag Abend von der Polizei Mannheim in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Dies sorgte für scharfe Kritik. Einen ausführlichen Bericht über die Vorgänge finden Sie hier.
Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie werfen immer größere Schatten voraus. Wie der SWR berichtet, haben schon 8% bis 9% der Metzgereien in Baden-Württemberg Insolvenz angemeldet. Besonders betroffen sind demnach die Metzgereien in den Innenstädten. Grund für dafür ist wohl, dass der lukrative Party-Service, den viele Metzgereien seit längerem anbieten, wegfällt.
Weil das öffentliche Leben stillsteht bleiben die U-Bahnen leer. In Berlin soll es laut Bild zu vermehrten Belästigungen von Frauen kommen. Die regulären Passanten bleiben aus, die Geschäfte sind zu; auf der Straße bleiben Drogen-Abhängige und Dealer. Die Polizei sagt, in ihren Statistiken sei es noch nicht zu einem Anstieg der Strafanzeigen gekommen. Natürlich steigen die Statistiken nicht an: Wenn absolut weniger Frauen in den U-Bahnen unterwegs sind, aber die wenigen übrigen vermehrt belästigt werden, bleibt die Statistik konstant. Auf eine Anfrage der Bild hin, sagt die Polizei, die U-Bahnstationen könnten nicht zu allen Zeiten bewacht werden.
Hintergründe
Am Montag veröffentlichte die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina ein Strategiepapier bei dem verschiedene Aspekte der momentan verhängten Kontaktsperre beleuchtet wurden. Gestern besprach TE die dort skizzierte Strategie, um die Schulen langsam wieder zu öffnen. Heute folgt nun die Besprechung der von den Wissenschaftlern vorgeschlagenen Wirtschaftsstrategie.
Die Problematik beschriebt die Leopoldina gewohnt langatmig wie folgt:
»Der wirtschaftliche Schock durch die Coronavirus-Pandemie zeigt sich sowohl auf Seiten des gesamtwirtschaftlichen Angebots als auch auf Nachfrageseite; er ist aber nicht zuletzt das Ergebnis dieser gesundheitspolitischen Strategien [Kontaktsperren, Ladenschließungen; Annahme der Redaktion]. Auf der Angebotsseite wirken eine Unterbrechung der Wertschöpfungsketten und eine Reduktion des Arbeitsangebots. Auf der Nachfrageseite stockt der Absatz von Produkten allgemein, vor allem aber in den durch den „Shutdown“ besonders stark betroffenen Sektoren wie dem Einzelhandel, dem Gastgewerbe, der Transportwirtschaft und der Freizeit-, Tourismus- und Veranstaltungswirtschaft.«
Die Wirtschaft steht also vor einem doppelten Problem: Es wird auf der einen Seite nichts mehr produziert und auf der anderen Seite nichts mehr gekauft.
Das führt dann zu „Vermögensverlusten“, wie man Insolvenzen und gescheiterte Existenzen im Strategiepapier etwas unterkühlt betitelt. Am Ende sind dann Altersrücklagen aufgebraucht und den Menschen bleibt nichts als die vom Staat garantierte Grundsicherung.
Eine Katastrophe, die nicht alle gleich trifft:
„So sind Kontakt- und Ansteckungsrisiken und noch mehr die psychischen und ökonomischen Auswirkungen der Krise sozial sehr ungleich verteilt.“
Die Risiken sind tatsächlich ungleich verteilt. Ansteckungsrisiken tragen vor allen dingen schlecht bezahlte Angestellte in systemrelevanten Berufen: Kassierer, Pfleger und Müllabfuhr.
Wirtschaftliche Risiken tragen Selbstständige, Mittelständler und Kleinunternehmer – jene also, die für den Großteil der Arbeitsplätze in Deutschland sorgen. Und eine Gruppe ist vor beiden Risiken größtenteils geschützt: Staatsdiener und Verwaltungsbeamte, deren Gehalt und Arbeitsplatz sicher sind.
Doch damit beschäftigt sich die Leopoldina nicht. Stattdessen verstrickt sie sich in widersprüchlichen Forderungen. Man warnt davor, dass die Exekutiven zu viel Macht erlangen, dass die Europäische Union an den wirtschaftlichen Unterschieden ihrer Mitglieder zu zerbrechen droht; doch gleichzeitig heißt es:
„Die aktuelle Krise verstärkt zudem eine oft generelle Globalisierungskritik. Zweifellos erhöht die starke Abhängigkeit von Weltmärkten und die Transnationalisierung von Lieferketten die Anfälligkeit für globale Krisen. Die vielfältige, nicht nur wirtschaftliche globale Vernetzung sollte vor allem in der Wirtschaft selbst Anlass sein, über kontrollierbarere Außenbeziehungen nachzudenken. Die Pandemie macht deutlich, dass nachhaltig globalisierte Verflechtungszusammenhänge bestehen, die durch gemeinsame, Nationalstaaten und Kontinente übergreifende, multilaterale Anstrengungen besser koordiniert werden sollten.“
Sollen die Nationalstaaten also wieder für „kontrollierbarere Außenbeziehungen” sorgen? Das ist entweder ein Aufruf zu mehr Autarkie oder zu einer Wiederaufnahme der Kanonenboot-Diplomatie des 19. Jahrhunderts, denn eine Stärkung der Europäischen Union und „Kontinente übergreifende, multilaterale Anstrengungen“ setzen ein Abgeben an eigenständiger Kontrolle voraus.
An anderer Stelle wird gefordert, die kommende Wirtschaftskrise zu nutzen, um Nachhaltigkeit der Wirtschaft zu fördern:
»Alle politischen Maßnahmen, die nicht der unmittelbaren Rettung von Unternehmen dienen, müssen sich auf nationaler wie internationaler Ebene an dem Prinzip der Nachhaltigkeit orientieren. Daher müssen die folgenden Maßnahmen, die auf einer breiten wissenschaftlichen Evidenz und einem breiten gesellschaftlichen Konsens beruhen, weiterhin mit hoher Priorität umgesetzt werden. Der Aufbau einer klimafreundlichen Wirtschaft und eine konsequente Mobilitäts- und Landwirtschaftswende setzen wesentliche Impulse für Innovation und Wachstum.Dazu gehören die umgehende Einführung eines Preises für fossiles CO2, die schnellstmögliche Verabschiedung und Umsetzung der nationalen Wasserstoffstrategie sowie die Neuregelung des Strommarktes. Ziel muss ein starker europäischer „Green Deal“ bleiben.«
Die eierlegende Wollmilchsau der Staatsinterventionen soll also nicht nur Arbeitsplätze sichern, Existenzen vor dem Scheitern bewahren und eine Rezession abwenden – nein sie sollen auch die grüne Transformation vorantreiben. Wer glaubt, dass sich all diese Ziele gleichzeitig erreichen lassen, der glaubt auch, dass die Merkel’sche grüne Energiewende den Bürger nicht mehr kostet als eine Kugel Eis.
Das Strategiepapier endet dann aber doch wieder mit einer klassischen marktliberalen Forderung:
„Die in der Krise getroffenen wirtschaftspolitischen Maßnahmen müssen sobald wie möglich zugunsten eines nachhaltigen Wirtschaftens im Rahmen einer freiheitlichen Marktordnung rückgeführt oder angepasst werden. Dazu gehörender Rückzug des Staates aus Unternehmen, sofern krisenbedingt Beteiligungen stattfanden, und der Abbau der Staatsverschuldung. An der Schuldenbremse ist im Rahmen ihres derzeit geltenden Regelwerkes festzuhalten. Dies erlaubt, gerade in so besonderen Zeiten wie diesen, eine deutlich höhere Verschuldung, verlangt aber bei Rückkehr zur Normalität wieder deren Rückführung.“
Diese Zwiespältigkeit der Forderungen ist bezeichnend für das Strategiepapier der Leopoldina. Es wird dies gefordert und jenes und die Unvereinbarkeit der eigenen Forderungen will man umgehen, indem die Formulierungen immer nur vage Willensbekundungen sind – und selten konkrete Vorschläge. Das vermeidet auch eine letzte Schwierigkeit: Man muss nie die Politik für ihren eingeschlagenen Kurs kritisieren.