Der Olivenbaum war den alten Griechen heilig. Fünf Mal wird Odysseus im Laufe seiner Reise durch einen solchen Baum oder sein Holz gerettet. Kein Wunder, war der Ölbaum doch der Athene heilig, der Schutzgöttin des Odysseus. So findet sich der schlaue Held einmal nach einem Seesturm unter einem Olivenbusch wieder, dann wieder setzen ihn die Phäaken neben einem prächtigen Baum am Strand von Ithaka ab. Auch die Waffen des Helden sind gelegentlich aus Olivenholz, so der Spieß für das Auge des Polyphem.
So ist verständlich, dass Olivenhaine gehegt und gepflegt werden (zumindest solange nicht die EU ihre Abholzung fördert). Ein neugepflanzter Baum trägt erst nach vielen Jahren Früchte. Zwar berichten schon antike Autoren, dass Olivenbäume auch nach einem radikalen Rückschnitt leicht wieder austreiben, aber das bezieht sich wohl auf maßvolle Zerstörungen, wenn man von so etwas sprechen kann.
»Uralte Bäume ohne jede Strafe abgeholzt«
Mit Maß hat allerdings nicht mehr zu tun, was nun aus der östlichen Ägäis berichtet wird. Eher schmerzt es in den Augen wie der Spieß des Polyphem. Auf Lesbos wurden angeblich 5.000 Olivenbäume von Migranten abgeholzt, zum Teil mitsamt den Wurzeln. Daneben wurden auch Zäune, Schuppen und Geräte gestohlen oder dem Erdboden gleichgemacht, wie ein betroffener Olivenbauer berichtet. Seine Plantage existiert praktisch nicht mehr.
Dass Ähnliches passierte, konnte man in den letzten Monaten immer wieder aus Nachrichten und Reportagen erfahren. Die Zahl von 5.000 Bäumen erscheint allerdings hoch. Ist es eine Summe aus »längerer Tätigkeit« der Holzdiebe? Vielleicht. Mit den Instrumenten, die die Bürger-Reporter zeigen – Hämmern, Meißel und derlei mehr –, lässt sich wohl nicht auf die Schnelle ein ganzer Olivenwald abholzen. Dennoch sind die gezeigten Bilder desaströs, ganze Hänge scheinen entwaldet. Die Sonntagszeitung »Proto Thema« spricht von »hunderten uralter Olivenbäume«, die vernichtet wurden, wahrscheinlich um Brennholz zu gewinnen.
Ein solcher Verlust ist natürlich ein bitterer Schlag für die Griechen der Insel, die bisher vom Ertrag der Bäume lebten. Makis Pavlellis aus dem Dorf Moria hat Videos von den Holzdieben auf Facebook veröffentlicht und schreibt dazu: »Bilder aus dem Olivenhain bei Moria, für alle, denen es schwerfällt zu glauben, dass jahrhundertealte Bäume unter den Augen der Bauern ohne jede Strafe abgeholzt werden.« Laut Pavlellis’ Bericht ertappte ein einzelner Insulaner die holzhackenden Afghanen auf frischer Tat und filmte sie, bevor er sie vertrieb.
Was Pavlellis daneben erbost, ist die Tatsache, dass zur gleichen Zeit und quasi um die Ecke ein Polizeiwagen stand und Kontrollen an einer Autostraße durchführte. Um über Land zu fahren, brauchen die Griechen derzeit einen triftigen Grund; die mitzuführenden Formulare werden von Polizisten akribisch geprüft. Offenbar hat die Pandemie damit auch diejenigen Kräfte gebunden, die eigentlich zum Schutz der Bürger und ihres Eigentums gebraucht werden.
Der rechtsfreie Raum verstetigt sich
Die derzeit geltenden Ausgangsbeschränkungen für Griechen wie Migranten erzeugen paradoxerweise eine allgemeine Rechtlosigkeit. Da es den Besitzern von Wochenendhäusern derzeit verboten ist, diese aufzusuchen, haben Migranten die Gelegenheit, in dieselben einzubrechen und sie zu plündern. Die gestohlenen Küchengeräte werden dann später in der Nähe des Lagers gefunden.
Sogar religiöse Monumente sind, wie die jüngere Vergangenheit gezeigt hat, nicht vor ihrem Wüten sicher. Gräber wurden beschädigt und die Kreuze in den Staub geworfen. Seit Anfang März kursieren immer wieder Bilder von verwüsteten, teils mit arabischen Parolen beschmierten Kirchen. Bezeichnend der Kommentar einer Griechin auf Twitter: »Sie kommen in Frieden, schon klar …« Inzwischen haben einige der kleineren Kirchen der Insel ihre Fenster mit Eisengittern gesichert.
Als das Coronavirus begann, wie ein Damoklesschwert über Land und Inseln zu hängen, kündigte die Regierung in Athen an, alle Migrantenlager abzuriegeln, und verhängte ein striktes Ausgangsverbot für die Insassen. In zwei Einrichtungen auf dem Festland gibt es inzwischen infizierte Bewohner. Die Quarantäne wird dort aber immer wieder von einzelnen Bewohnern gebrochen, die dann in den verwaisten Straßen einer nahegelegenen Ortschaft aufgegriffen werden. In einem Fall erreichten zwei Männer und eine Schwangere gar einen der zentralen Bahnhöfe Athens. Die Einrichtung in Malakasa liegt etwa 30 Kilometer von Athen entfernt.
Auf Lesbos war eigentlich klar, dass sich das Ausgangsverbot im vielfach überbelegten Lager Moria nicht durchsetzen lassen würde. Seit Monaten kampieren Migranten dort wild im Umfeld des Lagers. Dass die Griechen nun ihrerseits zu strikter Isolation in ihren Häusern verpflichtet wurden und nicht auf ihre Felder durften, komplizierte die Lage. Das Resultat: Die Migranten besetzten auch den großen Olivenhain beim Dorf Moria, der schon allein dadurch geschädigt wurde. Der Brennholzbedarf der nicht-autochthonen Bevölkerung gab dem Hain dann wohl den Rest.
Aggressionen und Kämpfe zwischen den Lagerbewohnern
Unter den Bedingungen der vorsorglichen Quarantäne steigen zudem offenbar die Aggressionen der derart Einquartierten. Ende März lieferten sich Dutzende von Immigranten, in zwei Gruppen organisiert, mit Keulen und Steinen einen Kampf auf offenem Feld https://youtu.be/dF-muWt3ir4. Natürlich trotz dem Gebot, im Lager zu bleiben. Von »social distancing« will man bei einem derart urtümlichen Szenario gar nicht erst sprechen. Als sie miteinander fertig waren – vielleicht doch nur eine Übung, sportlicher Wettkampf? –, attackierten die jungen Männer ein vorbeifahrendes Auto mit Steinwürfen.
Am Dienstagabend erstach dann ein 20-jähriger Afghane einen 16-jährigen Landsmann im Olivenhain am Lager Moria. Als das Opfer am Morgen starb, kam es zu Unruhen, einem großen Demonstrationszug außerhalb des Lagers und angeblich zu vier weiteren Verletzten. So hangelt man sich durch die Tage, bis es zum unvermeidlichen ersten Corona-Fall in Moria kommt. Dann wird, um noch einmal auf Athene zurückzukommen, Weisheit gefragt sein.
Unterdessen sind auch im Westen des Landes, in dem Bergdorf Ieropigi an der albanischen Grenze, Dutzende von Migranten aufgetaucht, von denen nicht klar ist, ob sie ins Land eindringen oder es Richtung Europa verlassen wollen. Angeblich werden sie von Albanern dirigiert. Eine Zusammenarbeit der Türkei mit Albanien – die auch den geringen Einwanderungsdruck von dort nach Griechenland erklären könnte – scheint seit längerem zu bestehen. Der umgebende Bezirk Kastoria ist zudem ein auffälliger Corona-Hotspot in Griechenland mit allein sechs Toten (bei einer Bevölkerung von nur 50.000). Auch in Ieropigi (deutsch »heilige Quelle«) ist die Lage wie auf Lesbos: Die Griechen sind in ihren Häusern, die Fremden machen die Straßen unsicher.