Tichys Einblick
Analyse:

Was Anleger in der Coronakrise wissen müssen

"€uro am Sonntag" hat untersucht, welche Konsequenzen Anleger für ein krisensicheres Portfolio ziehen müssen. Was bedeutet die Ausnahmesituation für Aktien, Anleihen und andere Anlageklassen? Die Pandemie kennt jedenfalls nicht nur Verlierer. Von Stephan Bauer

© Getty Images

Die Stilllegung weiter Teile ihrer Volkswirtschaften, mit der die meisten Staaten gegen die Ausbreitung der Seuche kämpfen, kostet Millionen Jobs rund um den Globus und bedroht die Existenz Tausender Unternehmen. Selbst Großkonzerne müssen um ihren Fortbestand bangen. Nur eines ist bislang klar: Je länger die staatlich verordneten Schließungen dauern, desto heftiger werden die ökonomischen Folgen sein. „Wenn wir diese Krise überstanden haben, wird die Welt eine andere sein“, sagt Larry Fink, Chef des weltgrößten Vermögensverwalters Blackrock.

€uro am Sonntag zieht zu Beginn des zweiten Quartals 2020, gut vier Wochen nach Ausbruch der Pandemie sowie dem Crash an den Weltmärkten, eine Zwischenbilanz. Wir wollten wissen, wie stark das Virus die Perspektiven für Wirtschaft und Anleger verändert hat.

Inmitten der Epidemie scheint es dabei inzwischen fast surreal: Noch vor weniger als drei Monaten bereitete sich die Welt auf einen Aufschwung vor. Im Januar veröffentlichte der Internationale Währungsfonds (IWF) seine Prognose für das Wachstum des weltweiten Bruttoinlandsprodukts: 2020 werde das globale Wachstum mit 3,3 Prozent kräftiger ausfallen als im schwierigeren Vorjahr. Die Entspannung im Handelsstreit, ein geringeres Risiko eines ungeregelten Brexits sowie die lockere Geldpolitik der Notenbanken würden die Wirtschaft antreiben.

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Noch gibt es keine revidierte Prognose des IWF, doch die erste globale Rezession seit der Finanzkrise scheint so gut wie sicher. Für Deutschland rechnet der Sachverständigenrat für die wirtschaftliche Entwicklung in seinem Basisszenario mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um 2,8 Prozent. Schlimmstenfalls soll es einen Einbruch um 5,4 Prozent geben. Das Münchner Ifo-Institut rechnet gar mit einem Einbruch von über 20 Prozent, falls sich der Shutdown monatelang hinziehen sollte. Zum Vergleich: In der Finanzkrise 2009 schrumpfte die deutsche Wirtschaft um 5,7 Prozent.

In Italien kalkuliert der Industrieverband Confindustria mit einem Wirtschaftseinbruch von bis zu sechs Prozent. Europaweit sieht es ähnlich aus. „Branchen wie Tourismus, Transport, Logistik, Hotellerie und Gaststätten machen rund 30 Prozent der Wirtschaftsleistung Europas aus und bewegen sich derzeit teils nahe null“, erklärt Chris-Oliver Schickentanz, Chefanlagestratege der Commerzbank. Auch für die USA erwarten Experten einen drastischen Abschwung. Das Fazit ist düster: „Wir rechnen mit einer scharfen globalen Rezession im zweiten Quartal. BIP-Einbrüche von zeitweise 20 bis 25 Prozent sind alles andere als ausgeschlossen“, kalkuliert Schickentanz.

Der in seiner Geschwindigkeit nie dagewesene Absturz an den Börsen spiegelt diese Bedrohung wider. Rund 40 Prozent verlor der DAX in nur vier Wochen. Auch an der Wall Street ging es rapide bergab, der Dow Jones etwa stürzte von einem Rekordstand von knapp 30.000 Punkten Mitte Februar zwischenzeitlich auf fast 18.500 Punkte ab.

Historisch einzigartig sind auch die staatlichen Hilfsprogramme. Auf rund zwei Billionen Dollar summieren sich die Hilfen der Trump-Administration für die USA. Die Regierung in Berlin hat zunächst 750 Milliarden Euro für Deutschland bereitgestellt – all dies sind nie dagewesene Dimensionen. Zusätzlich stützen die Notenbanken mit Niedrigstzinsen und enormen Budgets etwa für Anleihekäufe die Politik.

Die Börsen haben reagiert: Der DAX hat gegenüber seinem Tief kräftig zugelegt, die Wall Street hat ebenfalls Boden gutgemacht. Die Menschen in aller Welt hoffen darauf, dass nach China bald auch Europa und die USA die Spitze der Infektionswelle überwinden. Auch Investoren warten auf das Überschreiten dieses Peaks als Signal für ein mögliches Comeback der Märkte.

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Die Commerzbank etwa geht mit einer Wahrscheinlichkeit von 70 Prozent von einer deutlichen Erholung im zweiten Halbjahr aus. Anleger sollten sich demnach in den kommenden Wochen sukzessive positionieren, rät Chefstratege Schickentanz. „Jenen Investoren, die ihre Augen nicht auf den wackeligen Boden unter unseren Füßen richten, sondern auf den Horizont, bieten sich an den Märkten jetzt enorme Chancen“, sagt Blackrock-Chef Fink.

Nachfolgend analysieren wir neben den Chancen zudem die Möglichkeiten, wie Sie die Risiken in Ihrem Portfolio reduzieren können. Daher werfen wir einen Blick ins restliche Jahr 2020: Wie geht es mit den Aktienkursen, bei Anleihen, auf den Rohstoffmärkten und bei Immobilien weiter? Welche Investments sind schon kaufenswert, welche gefährlich? Zusätzlich bieten wir einen Überblick über die wichtigsten Parameter wie Zinsen und Steuern für Ihre privaten Finanzen.

Aktien:

von Sven Parplies

Börsianer wollen immer einen Schritt schneller sein als das wirkliche Leben: Nicht die Gegenwart zählt, sondern die Zukunft. Darum drehen die Aktienkurse in Krisenzeiten bereits nach oben, wenn die Realwirtschaft noch tief im Morast steckt. Vor allem die erste Phase eines Comebacks bietet große Chancen auf Kursgewinne. Nicht immer allerdings gelingt der Frühstart.

Die Corona-Krise ist eine besondere Herausforderung, weil es aus der Finanzgeschichte keine klaren Vergleiche gibt. Im Jahr 1918, als die Spanische Grippe wütete, waren die Rahmenbedingungen völlig anders: Die Welt kam aus einem verheerenden Krieg, die Wirtschaft war viel stärker von der klassischen Industrie geprägt, Medizin und Technologie waren weit unter den heutigen Standards. Die beste Orientierung in der aktuellen Krise liefert darum wohl das China der Gegenwart: Am Ursprungspunkt der Epidemie ist die Wirtschaft auf dem Weg der Besserung und damit Vorbild für ein Comeback der westlichen Welt.

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Wie die Kurve der Realwirtschaft verlaufen könnte, zeigen die Konsensschätzungen der Analysten für die Entwicklung der Unternehmensgewinne des amerikanischen Aktienindex S & P 500: ein leichter Gewinnrückgang im ersten Quartal, ein starker Einbruch im zweiten, eine Entspannung im dritten und die Wende im Schlussquartal. Im Jahr 2021 würden die Unternehmensgewinne dann wieder kräftig zulegen. Die Investmentbank Goldman Sachs kalkuliert für die US-Unternehmen mit einem Gewinnrückgang von 32 Prozent im Gesamtjahr und für 2021 mit einem Anstieg von 55 Prozent. Geht diese Rechnung auf, müssten die Kurse bald wieder nach oben drehen, weil sich Anleger rechtzeitig für die Wende positionieren wollen.

Die größten Chancen am Ende eines Crashs bieten meist die zyklischen, also stark von der allgemeinen Wirtschaftslage abhängigen Branchen. Dort werden die Nachrichten in den kommenden Wochen besonders deprimierend ausfallen. Schon jetzt werden massenhaft Gewinnprognosen gekippt, Mitarbeiter in die Kurzarbeit geschickt, Aktienrückkäufe gestoppt. Selbst die Dividende für das vergangene Jahr steht bei einigen auf der Kippe. Das sollte inzwischen aber eigentlich niemanden mehr überraschen. Wichtiger ist, dass die Unternehmen bei ihren Prognosen die Aussicht auf eine bessere Zukunft vermitteln können.

Vorbild Finanzkrise

So lief es am Ende der großen Finanzkrise 2009: In den ersten drei Monaten der Rally legten von den heutigen DAX-Mitgliedern Infineon, Deutsche Bank, Deutsche Börse, Continental und Volkswagenam stärksten zu. Diese Aktien gehörten zu den größten Verlierern der Vormonate. Sollte sich dieses Muster wiederholen, wären MTU, Infineon, Continental, Volkswagen und Allianz die heißesten Aktien, da sie im Corona-Crash die größten Verluste erlitten haben.

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Das Risiko insbesondere bei den Industriewerten bleibt groß. Schließlich kann niemand absehen, wie lange die Krise wirklich anhält. Im schlimmsten Fall rollt eine zweite Infektionswelle an. Ein zusätzliches Handicap wäre es, wenn ein Unternehmen im Tagesgeschäft so stark in Bedrängnis geriete, dass es Staatshilfen beantragen muss. Dennoch – viele Aktien sind nach dem Absturz im historischen Vergleich günstig zu haben. Der DAX notiert nur knapp über seinem Buchwert. Die Vorzugsaktie von Volkswagen oder Lufthansa werden an der Börse sogar mit weniger als dem halben Buchwert gehandelt. Viele Sorgen sollten somit in den Aktienkursen verarbeitet sein.

Ein Mittelweg zwischen Comeback-Chance und Virus-Angst bieten Aktien aus den klassisch defensiven Branchen. Dort ist das Kurspotenzial im Fall eines neuen Bullenmarkts bei Weitem nicht so groß wie bei den Zyklikern, das gilt aber auch für das Risiko nach unten.

Den Crash am besten im DAX überstanden hat Beiersdorf. Der vor allem für die Marke Nivea bekannte Konsumgüterhersteller deckt mit vielen seiner Produkte den täglichen Bedarf. Weil Supermärkte als Vertriebswege geöffnet sind, kommt weiter Geld rein. Leiden dürften Luxuskosmetik und Klebstoffsparte. Die Jahresprognose hat Beiersdorf zurückgezogen. Im ersten Quartal schrumpfte der Umsatz um 3,6 Prozent. Damit dürfte sich Beiersdorf besser gehalten haben als andere DAX-Konzerne.

In allen Phasen des Wirtschaftszyklus gebraucht werden die Dienste der Energieversorger. Selbst wenn die Nachfrage in Krisenzeiten auch dort nachlässt, fließt bei Eon und RWE weiterhin Geld in die Kasse. Ein Versorger der anderen Art ist der auf Unternehmen spezialisierte Softwareanbieter SAP. Die Corona-Krise dürfte die Digitalisierung der Wirtschaft weiter beschleunigen und damit das Geschäft des Walldorfer Konzerns antreiben.

Anhaltende Krisengewinner

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Auch bei Krisengewinnern sehen Analysten weiter Potenzial, obgleich diese Titel inzwischen gemessen am Gesamtmarkt anspruchsvoll bewertet werden: Teamviewer entwickelt Software für die Fernwartung von Computern und Videokonferenzen. Die Nachfrage ist groß. Die abgerechneten Umsätze würden im ersten Quartal um 60 Prozent oder mehr anziehen, gab das schwäbische Unternehmen bekannt. Analysten trauen Teamviewer jährliche Gewinnsteigerungen von rund 30 Prozent zu. Einen kräftigen Umsatzschub hat die Krise auch Hellofresh gebracht. Der Essenslieferant profitiert davon, dass etliche Konsumenten auf den Gang in den Supermarkt verzichten und sich stattdessen lieber Zutaten nach Hause liefern lassen. Der Umsatz der Berliner dürfte auf Basis der frischen Unternehmensprognose im ersten Quartal um rund zwei Drittel über Vorjahresniveau liegen. Auch der Gewinn übertrifft die letzten Analystenschätzungen. Die Chancen stehen damit gut, dass das Unternehmen in diesem Jahr den Sprung in die Gewinnzone schafft. Für Hellofresh kommt es jetzt darauf an, die neuen Kunden dauerhaft zu binden.

Am einfachsten haben es all jene, die über Sparpläne in aktive Fonds oder ETFs investieren. Für diese Anleger gilt: einfach weitermachen und je nach persönlichem finanziellen Spielraum die Raten ein wenig aufstocken oder die Frequenz erhöhen.

Comeback-Kandidaten

Die Allianz ist der größte Dividendenzahler im DAX. Bedenken, dass die Ausschüttung gekürzt werden muss, haben die Aktie unter Druck gesetzt. Volkswagen bricht der Absatz wegen der Corona-Krise weg, gleichzeitig fallen weiter hohe Kosten an. Infineon beliefert als Chiphersteller viele Kunden aus der Industrie und ist somit stark betroffen. Eine Entspannung der Krise sollte den Aktien dieser drei Konzerne deutlich Auftrieb geben.

Defensive Aktien

Konsumgüter von Beiersdorf (unter anderem „Nivea“) decken den täglichen Bedarf und werden weiter verkauft. Das Finanzpolster mit mehr als vier Milliarden Euro Nettoliquidität bietet zusätzlich Schutz. Als Energieversorger ist RWE nicht immun gegen die Krise, die Symptome sind aber auch dort nicht so stark wie bei anderen Branchen. SAP könnte als Softwarekonzern längerfristig sogar von der Corona-Krise profitieren.

Fonds und ETFs

Für Vorsichtige, die ihr Portfolio defensiver aufstellen wollen, bieten sich der krisenerprobte Mischfonds FVS Multiple Opportunities sowie der MAN AHL Trend Alternative an. Letzterer wirkt als eine Art Versicherung im Portfolio, da er von allen starken Trends an den Finanzmärkten profitiert. Langfristig denkende Investoren sollten günstig nachkaufen. Etwa via Sparplänen mit börsengehandelten Indexfonds wie dem MSCI World mit rund 1.600 Aktien aus 23  Industrieländern.

Anleihen:

von Thomas Strohm

Haarschneider und Hanteln gehören zu den Produkten, deren Bestellungen sich beim Onlinehändler Otto angesichts geschlossener Friseurläden und Fitnessstudios vervielfacht haben. Die Otto Group ist hinter Amazon und vor Zalando die Nummer 2 im deutschen Onlinehandel, die zu den Gewinnern in der Corona-Krise gehören dürfte.

Die Kurse der Otto-Anleihen sind dennoch unter Druck geraten. So wurde der 2023 fällige Bond zeitweise zu 75 Prozent des Nennwerts gehandelt, Anfang 2020 waren es mehr als 105 Prozent. Von derlei Tiefständen haben sich die Notierungen erholt. Zum Preis von rund 98 Prozent verspricht der Otto-Bond aber immer noch eine jährliche Rendite von circa 3,2 Prozent bis zur Endfälligkeit und die Chance auf Kursgewinne.

Kurse schwanken extrem

Anleger, die Einzelanleihen kaufen, sollten generell mit Limit ordern. Sonst laufen sie Gefahr, zu hohe Preise und zu geringe Renditen zu akzeptieren. Derzeit gilt dies besonders. Die Börsenumsätze sind dünn, vor allem bei Bonds mit geringem Volumen und Emittenten mit mäßigem oder gar keinem Rating.

Mit dem ausgetrockneten Handel sind auch einige der auf den ersten Blick dramatischen Marktschwankungen zu erklären. Die festgestellten Kurse basieren teils auf äußerst geringen Umsätzen und sind deshalb kaum aussagekräftig. Zugleich gibt es enorme Geld-Brief-Spannen, der Unterschied zwischen dem gebotenen Ankaufs- und dem geforderten Verkaufskurs einer Anleihe beträgt mitunter mehrere Prozentpunkte.

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Bei allen Chancen, die eine solche Situation bietet, sollten Anleger die Risiken nicht ausblenden. Die Ratings vieler Firmen dürften unter Druck geraten, einige könnten vom Investment Grade in den Non-Investment Grade rutschen – bestimmte Investoren dürften diese Anleihen dann nicht mehr kaufen. Und Firmen, die sowieso schon mit Problemen und hohen Schulden kämpfen, könnten in existenzielle Gefahr geraten. Moody’s hat die Prognose für Ausfälle von Emittenten schlechter Bonität gerade drastisch angehoben. Anfang März rechnete die Ratingagentur im globalen High-Yield-Markt auf Zwölfmonatssicht mit einer Ausfallquote von 3,7 Prozent. Abhängig von drei Szenarien – zeitlich begrenzter Schock, mit der Finanzkrise 2008/09 vergleichbare Entwicklung, schwere Rezession – rechnet Moody’s nun mit Ausfallraten von 6,8 respektive 16,1 und 20,8 Prozent.
EZB und Bund stützen massiv

Die gestiegene Gefahr von Anleiheausfällen sehen auch die Anlagestrategen der DZ Bank. In ihr Musterportfolio haben sie dennoch mit 30 Prozent einen relativ großen Anteil an Unternehmensanleihen aus Europa und den USA aufgenommen. Dabei handelt es sich um Papiere von Emittenten mit gutem Rating, zudem wird über Indizes sehr breit investiert. Die Strategen verweisen unter anderem auf das Kaufprogramm der EZB, das neben Staatsanleihen auch Unternehmensanleihen mit Investment-Grade-Rating umfasst und das den Markt stützt.

Unternehmen mit guter Bonität wie Daimler, Eon oder Fresenius konnten in den vergangenen Tagen ohne Probleme neue Anleihen platzieren. Für High-Yield-Emittenten ist dies kaum möglich. Firmen mit schlechtem oder keinem Rating sehen die LBBW-Analysten als Kandidaten für staatsgarantierte Unternehmensanleihen. Der Bund kann, im Rahmen des Corona-Rettungsschirms, für Firmenbonds über 400 Milliarden Euro bürgen. Zur Einordnung: 2019 haben deutsche Unternehmen insgesamt neue Anleihen über 80 Milliarden Euro emittiert. Dies erinnert an die Finanzkrise, als der Bund mit staatlich garantierten Bankanleihen den Geldhäusern den Weg an den Kapitalmarkt öffnete.

Rohstoffe:

von Julia Groß

Die Krise hat auch im Rohstoffsektor zu erheblichen Verwerfungen geführt. Außer bei Gold, Palladium und Weizen kam es im ersten Quartal quer über alle Kategorien zu empfindlichen Kursstürzen. Aufgrund der Nervosität im Markt und dem unsicheren Ausblick kann Anlegern von einem Engagement in Rohstoffen derzeit eigentlich nur abgeraten werden. Die Ausnahme ist Gold.

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Denn das Edelmetall ist nicht nur aufgrund der allgemeinen Unsicherheit ein klarer Krisenprofiteur. Die milliardenschweren Rettungspakete vieler Regierungen, das Bekenntnis zu unlimitierten Anleihekäufen durch die amerikanische Notenbank Fed und die Ausweitung des Kaufprogramms der EZB sorgen für eine riesige Geldschwemme. „Die Menge, die die Fed während QE3 in acht Monaten aufkaufte, erwarb sie zuletzt innerhalb einer Woche“, erklärt Analyst Carsten Fritsch von der Commerzbank. Das sollte den Preis von Gold stützen, das bekanntlich nicht auf Knopfdruck vermehrt werden kann.
Optimismus bei Gold

Die Notierungen des Edelmetalls sackten im März zwar zunächst ab, weil Investoren Gold verkaufen mussten, um ihre Liquidität zu gewährleisten. Doch auch in der Finanzkrise fiel der Goldpreis zwischen September und November 2008 um 20 Prozent, um danach über einen Zeitraum von gut zweieinhalb Jahren um 170 Prozent dazuzugewinnen.

Nitesh Shah, Research-Direktor des ETF- und ETP-Anbieters WisdomTree, spricht von zwei möglichen Szenarien für den Goldpreis, die sich nach dem Verlauf der Konjunkturentwicklung bis Ende des Jahres richten. Gelingt eine V-förmige Erholung der Wirtschaft, könnte die Gold-Hausse von kurzer Dauer sein. „In einem solchen Szenario sehen wir, dass der Goldpreis bis Juni 2020 zunächst auf 1965 Dollar pro Feinunze steigt, danach aber bis Dezember 2020 auf 1370 Dollar fallen wird“, sagt Shah. „Bei einer U-förmigen wirtschaftlichen Erholung, bei der die Weltwirtschaft im Laufe des Jahres 2020 weitere Anreize benötigt, dürfte der Goldpreis im Juni 2020 über 2090 Dollar pro Feinunze liegen und für den Rest des Jahres nahe diesem Niveau bleiben.“

Anleger können mit ETCs auf einen steigenden Goldpreis setzen (siehe Investor-Info). Wer sich Münzen oder Barren nach Hause holen will, wird es schwer haben: Aufgrund der Schließung von goldverarbeitenden Betrieben in der Schweiz ist der Markt für physisches Gold leergefegt, Käufer müssen mit hohen Aufgeldern rechnen.

Chancen bei Nickel

Weit weniger optimistisch sind Analysten für Öl. Zum Preiskrieg, den Russland und Saudi-Arabien angezettelt haben, kommt die schwache Nachfrage, die fast täglich nach unten korrigiert wird. Vor allem kanadische und US-Ölkonzerne bekommen das zu spüren. Eine Annäherung von Russen und Saudis ist aktuell trotz Vermittlungsversuchen der USA nicht absehbar.

Bei Industriemetallen wie Kupfer, Zink und Aluminium beginnt der Abbau der hohen Lagerbestände, ein Zeichen dafür, dass die chinesische Wirtschaft tatsächlich wieder hochfährt. Die Analysten der Commerzbank denken jedoch, dass die zu erwartenden desaströsen Konjunkturdaten aus den USA und Europa einer nachhaltigen Preiserholung zunächst im Weg stehen.

Wenn die Autobranche Anzeichen für eine Rückkehr zur Normalität zeigt, sollten Platin und Palladium wieder anspringen. WisdomTree sieht aufgrund der steigenden Bedeutung der Elektromobilität längerfristig, das heißt auf Sicht von mehreren Jahren, auch Chancen für Nickel. Effizientere Batterielösungen erfordern einen größeren Nickelanteil. Zudem wird für das Industriemetall ein Angebotsdefizit erwartet.

Private Finanzen:

von Redaktion €uro am Sonntag

Die Pandemie kennt nicht nur Verlierer. Die seit Jahren leidgeprüften Sparer staunen in diesen Tagen darüber, dass diverse Banken die Zinsen für Festgeld etwas erhöht haben. Das ist eine gute Nachricht für Sparer, deren Geld dank Einlagensicherung desjenigen Landes, in dem das Geldinstitut seinen Sitz hat, bis zu 100.000 Euro je Bank abgesichert ist. Wer mehr anlegen will, sollte es aus Absicherungsgründen auf mehrere Banken verteilen. Derweil werden Baufinanzierungen unverändert stark nachgefragt, jedenfalls noch. Die nach wie vor sehr niedrigen Hypothekenzinsen stimmen offenbar weiter bauwillig.

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Das muss kein Fehler sein. Ganz im Gegenteil: Mitte der Woche prognostizierte die Deutsche Bank, es werde zumindest auf lange Sicht keine Preiseinbrüche für Wohnungen und Häuser geben. Häuslebauer müssten demnach jedenfalls nicht per se mit Wertverlusten rechnen. Die Begründung der Banker: „Relativ risikoarme Anlagen wie Anleihen und viele Immobilien verteuern sich typischerweise in Krisen.“ Nur vorübergehend werde die krisenbedingt geringere Nachfrage nach Wohnraum zu „Preiskorrekturen“ führen.

Die Unsicherheit vieler Menschen über ihre wirtschaftliche Zukunft wird nach Einschätzung der Marktforscher bei Verkäufern und Käufern vereinzelt Überreaktionen zur Folge haben. Es könne daher „extrem große Spannweiten bei den Marktpreisen“ geben – also deutliche Nachlässe inklusive.

Noch aber scheint das nicht der Fall zu sein. Der Immobilienbewerter Sprengnetter hat zum Stichtag 29. März Daten zu 29.000 Wohnungsangeboten in den zehn größten Städten Deutschlands ausgewertet, darunter auch Bremen und Leipzig. Die Conclusio: „Sowohl die Menge der Angebote als auch die Quadratmeterpreise in Bezug auf Wohnimmobilien sind trotz der Corona-Krise stabil. Gleiches gilt in Bezug auf Mietobjekte.“ Christian Sauerborn, einer der Chefs des Unternehmens, überrascht das Ergebnis der bisherigen Analysen nicht. Konjunkturelle Ausschläge wirkten sich immer erst verzögert auf die Wohnimmobilienmärkte aus. Das heißt übersetzt: Was an Preis- und Mietnachlässen bislang noch nicht messbar ist, könnte demnächst noch kommen.

Mieter geschützt, Banken in Gefahr?

Bereits jetzt häufen sich die Signale, dass Preise und Mieten bei Immobilien generell noch stark in Bewegung geraten könnten, und zwar nach unten. Der börsennotierte Büroimmobilien-REIT Alstria bezifferte die Einnahmeverluste aufgrund von Stundungen durch Mieter Anfang der Woche auf 6,8 Prozent seiner Solleinnahmen. Das Analysehaus F + B rechnet mit längeren Vermietungszeiten bei Wohnungen und weniger Zahlungsbereitschaft von Mietern, „sodass insbesondere hochpreisige Angebote unter Druck geraten werden“ – die Miete dort also sinken müsste.

Und noch ein Indiz für dräuende Unsicherheiten auf den Wohnungsmärkten: Der Bund erweiterte im Zuge seiner diversen Hilfspakete den Kündigungsschutz. Mietern darf demnach nicht gekündigt werden, wenn sie wegen der Corona-Krise in den Monaten April, Mai und Juni ihre Miete nicht ganz oder gar nicht bezahlen. Erlassen wird ihnen nichts. Sie müssen für den Mietrückstand sogar Verzugszinsen von derzeit 8,12 Prozent berappen, erklärt der Immobilienverband Deutschland (IVD).

Der Bund will die Immobilienmärkte mit dieser Regelung stabilisieren. Der IVD bezweifelt, dass das so gelingt. Er fürchtet eine Kettenreaktion, wenn zu viele Mieter die Miete kürzen. Dann könnten Vermieter in Not geraten und am Ende sogar Banken, wenn Vermieter ihre Kredite nicht mehr bezahlen.

Entsprechend propagiert das Berliner Analysehaus Empirica einen Wohnkreditfonds. Der solle von der staatlichen Förderbank KfW vorab und von Mietern, Vermietern sowie vom Bund endfinanziert werden. Die Idee dabei: Der Fonds sichert in den nächsten Monaten den Geldfluss an die Vermieter. Ob es einen solchen Fonds geben wird, ist derzeit noch offen.

Großes Interesse an Baukrediten

Ungeachtet aller Unbill beschäftigen sich viele Verbraucher mit einer Immobilienfinanzierung. „Wir sehen, dass Baufinanzierungen weiterhin nachgefragt werden, derzeit auf ähnlichem Niveau wie vor den Entwicklungen aufgrund des Coronavirus“, sagte erst vor wenigen Tagen Mirjam Mohr, Vorstandsmitglied für das Privatkundengeschäft des Baufinanzierungsvermittlers Interhyp.

Zuletzt sind die Bauzinsen, die Mitte März ein Allzeittief erreicht hatten (gut ein Prozent bei 20 Jahren Zinsbindung), jedoch etwas gestiegen. Der Trend könnte anhalten, denn: Mit etwas Verzögerung folgen Bauzinsen den Renditen deutscher Bundesanleihen, erklärt Zinsexperte Max Herbst von der FMH-Finanzberatung. In den kommenden zwei bis vier Wochen könnte der Zins für Baufinanzierungen um 0,25 bis 0,5 Prozentpunkte nach oben gehen.

Sparzinsen legen leicht zu

Bei den Sparzinsen ist der Aufwärtstrend bei einer Reihe von Anbietern bereits Realität. Hier einige Beispiele aus den vergangenen Tagen: Bei Festgeld ab 1.000 Euro auf ein Jahr erhöhte die Bigbank von 0,81 Prozent auf 1,1 Prozent. Ab einer Anlagesumme von 20.000 Euro zahlt Klarna 1,05 (bislang: 0,61) Prozent. Bei Festgeld auf fünf Jahre hat wiederum die Bigbank von 1,4 Prozent auf 1,5 Prozent erhöht. Die Daten stammen von FMH.

Diese Aufschläge könnten in der Corona-Krise begründet liegen, sagt Hans-Peter Burghof, Professor für Bankwirtschaft an der Universität Hohenheim. Ursprung könnte die wachsende Kreditnachfrage von Unternehmen sein. Um die nötigen Mittel dafür hereinzuholen, hätten die Banken unter anderem zwei Quellen: die Europäische Zentralbank (EZB) und das breite Publikum. Für das EZB-Geld müssten Wertpapiere als Sicherheit hinterlegt werden. Geld von den Sparern könne man hingegen ohne solche Sicherheiten einsammeln – und müsse dafür nur etwas höhere Zinsen bieten als bislang.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Börse Online

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