Wir leben seit einigen Wochen mit außerordentlichen Einschränkungen unserer Freiheiten. Alltägliche, gewöhnliche Tätigkeiten wie z.B. ein Treffen mit zwei oder mehr Personen außerhalb unseres eigenen Haushalts, sind verboten. Verstöße gegen die neuen Corona-Verordnungen werden mit hohen Bußgeldern geahndet.
Natürlich sind wir mit einer ernstzunehmenden, gesundheitlichen Bedrohung konfrontiert und es ist klar, dass die Dinge nicht mehr so weiter laufen können wie bisher.
Trotzdem ist es wichtiger denn je, dass alle staatlichen Maßnahmen und Einschränkungen gezielt, notwendig und öffentlich kontrollierbar erfolgen. Sie dürfen keine Minute länger Geltung haben als unbedingt nötig.
Der Grund ist, dass eine Krise besonders leicht zu einer Ausweitung der Staatsmacht führt und die Gefahr besteht, dass diese Machterweiterung auch nach der unmittelbaren Gesundheitsbedrohung bestehen bleibt.
Ein Zurückfahren des öffentlichen Lebens kann für eine gewisse Zeit notwendig sein. Eine solche Maßnahme darf aber nur unter großem Vorbehalt und als äußerstes Mittel eingesetzt werden. Mit ihr wird die Freiheit des Individuums und der Gesellschaft zunichte gemacht. Sie hat verheerende Auswirkungen auf das Wirtschaftsleben und in vielen Fällen auch auf das persönliche Wohlergehen.
Mit dem Schließen der Spielplätze und der Schulen wird auch die Situation von Familien, die in kleineren, städtischen Wohnungen leben, bald schwer erträglich sein. Deswegen sollten wenigstens die Parks und andere Außenanlagen weiterhin frei zugänglich bleiben. Auch der Gesundheit ist Bewegung an der frischen Luft zuträglicher als ein reines „Zuhause bleiben“.
Zurzeit scheint sich überall in der Welt ein „Shutdown“-Virus zu verbreiten, der sogar in Ländern verhängt wird, in denen relativ wenige Corona-Fälle aufgetreten sind. Viele der auferlegten Zwänge gehen weit über das hinaus, was für die öffentliche Gesundheit notwendig ist. So müssen französische Bürger ein Formular ausfüllen, bevor sie die Straße betreten dürfen. Es ist ihnen untersagt, auf menschenleeren Pfaden zu wandern oder Fahrrad zu fahren.
Da viele der eilig beschlossenen Maßnahmen nicht – oder nicht ausreichend – durch die bestehenden Gesetze gedeckt sind, versuchen viele Länder — darunter auch die Bundesländer und die Bundesregierung — neue Epidemie- oder Infektionsschutzgesetze zu verabschieden. Alle in Deutschland bisher vorgelegten Entwürfe geben der Regierung mehr Macht als nötig. So fehlt z.B. den Befugnissen zum Verbot öffentlicher Versammlungen der übliche Schutz, der für politische und gewerkschaftliche Veranstaltungen gelten muss.
„Wir alle sollten so viel Autonomie und Lebensqualität beibehalten können, wie es mit dem Gesundheitsschutz zu vereinbaren ist.“
Die derzeitige Ausweitung der Staatsgewalt könnte manchen Law-and-Order-Anhängern – denen, die dazu neigen, öffentliche Versammlungen und Aktivitäten ohnehin als gefährlich oder kriminell anzusehen – durchaus entgegenkommen. In den vergangenen Jahren sind immer wieder Verbote ausgesprochen worden, die den öffentlichen Raum betreffen. Sie reichen von Verboten des Ballspielens über den Hundeauslauf bis hin zu Grillen in Parks.
Doch die Öffentlichkeit ist kein Problem, das man am besten nach Hause schickt. „Diese Krise erfordert den Mut und die Kooperation der Öffentlichkeit, nicht deren Kriminalisierung“, schreibt die Organisation Big Brother Watch in Großbritannien. Schon jetzt haben sich zahlreiche Freiwillige in den sozialen Netzwerken zusammengetan, um z.B. im Notfall Einkaufshilfen für Ältere zu organisieren. Die Menschen sind Teil einer Lösung des Covid-19-Problems, und ihr guter Wille ist für eine erfolgreiche Überwindung der Herausforderung unerlässlich.
„Alle bisherigen Maßnahmen müssen zurückgenommen werden und der „Shutdown“ darf nicht zu einem normalen Instrument der Politik werden.“
Die Befugnisse zur Bekämpfung von Covid-19 müssen verhältnismäßig sein. Sie dürfen nur vorübergehend eingesetzt werden und auch nur in dem Maße, in dem sie unbedingt notwendig sind. Sie müssen für alle nachvollziehbar sein und der öffentlichen Kontrolle unterliegen. Im öffentlichen Interesse liegt es auch zu erfahren, wie viele Menschen wegen der neuen Corona-Befugnisse bestraft wurden und zu welchen Versammlungsverboten es gekommen ist.
Wir alle sollten so viel Autonomie und Lebensqualität beibehalten können, wie es mit dem Gesundheitsschutz zu vereinbaren ist. Das normale Leben sollte so bald wie möglich wieder aufgenommen werden.
Sobald dies geschehen ist, müssen wir dafür Sorge tragen, dass alle bisherigen Maßnahmen zurückgenommen werden und der „Shutdown“ nicht zu einem normalen Instrument der Politik wird.
Dieser Beitrag ist zuerst bei Novo erschienen