Frage: Herr Ramsauer, wie lange kann das vom Staat bewirkte Einfrieren der Wirtschaft noch dauern?
Peter Ramsauer: Wir sind jetzt in der Osterzeit, die wirtschaftlich gesehen ohnehin eine ruhige Zeit ist. Aber spätestens nach dem Weißen Sonntag, das ist heuer der 18. April, muss Schluss sein mit dem Lock-Down. Wir halten das wirtschaftlich und gesellschaftlich nicht mehr länger durch. Viele Unternehmer sagen mir: Das halten wir noch eine oder zwei Wochen durch. Aber dann ist Schluss. Aus. Vorbei. Wir können uns kein flächendeckendes Absterben der Wirtschaft leisten, um jeden theoretisch möglichen Sterbefall um ein paar Monate zu verzögern. Diese völlig einseitige Gewichtung zu Lasten unseres weiteren wirtschaftlichen und sozialen Lebens ist gespenstisch.
Das ist eine gewagte Forderung; viele Mediziner fordern eine noch längere Kontaktsperre mit allen Konsequenzen für die Wirtschaft.
Angeblich steigt die Zustimmung zur Kanzlerin, Gesundheitsminister Spahn und dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder.
Ich weiß aus Erfahrung: Diese Zustimmung kann schnell kippen. Weil die Folgen einfach zu massiv sind. Mich rufen Werkstudenten und junge Berufstätige an, die plötzlich gekündigt werden. Aber die brauchen das Geld zum Leben, für das Studium. Prüfungen fallen aus, Abschlüsse werden verzögert, viele junge Menschen fühlen sich um ihre Berufschancen betrogen. Wir müssen trennen zwischen denen, die arbeiten können und denjenigen, die geschützt werden müssen. Da muss ein Kompromiss gefunden werden zwischen den Hochrisikogruppen und denen, die davon nicht betroffen sind. Mich erschreckt mittlerweile auch der Bruch zwischen den Generationen, der sich hier öffnet.
Welchen Bruch meinen Sie?
Nun versucht ja der Staat den Eindruck zu vermitteln, dass er gewissermaßen für jeden Schaden einspringt – bis hin zu Urlaubsreisen, die abgesagt werden müssen.
Das mag schon sein, dass hier Optimismus verbreitet wird. Aber bilden wir uns nicht ein, dass die Wirtschaft auf Knopfdruck wieder anspringt, wenn die Bundesregierung sich entscheidet. Hier ist bereits zu lange Stillstand, viele Lager sind leer, Zulieferer nicht mehr handlungsfähig, Lieferketten unterbrochen. Selbst wenn wir jetzt sofort loslegen, dauert es bis ins zweite Halbjahr, bis alles wieder normal läuft. Vom Nachholen kann in vielen Branchen sowieso keine Rede sein; wie soll ein Restaurant nachholen, dass es im März komplett leer stehen musste, und beim Handel ist es nicht anders. Das bedeutet, wir erleben einen ungeheuren Wachstumseinbruch, und damit eine Verarmung der Bürger, aber auch des Staates und der Sozialkassen. Umso wichtiger ist es, dass wir baldmöglichst einen abgestuften Einstieg in das normale Leben hinkriegen. Noch letzte Woche wurde ich in der Fraktion dafür beschimpft, ich sei zynisch. Ich bin nicht zynisch, aber ich berücksichtige auch die Interessen der Gesunden. Und jetzt geht die öffentliche Debatte auch in Richtung Wiedereinstieg.
Fürchten sie die Schulden, die dafür aufgenommen werden?
Im Bundestag wird da mit Hunderten von Milliarden jongliert. Aber was Genaues weiß man nicht. Sonst rechnen wir oft alles bis hinter das Komma aus, und jetzt spielen die Nullen vor dem Komma keine Rolle mehr. Bei Nachfragen gibt es nur Achselzucken. Das kann so nicht wirklich weitergehen.
Und Eurobonds oder Corona-Bonds?
Wir werden Italien und Spanien helfen müssen. Aber die jetzt auch von der SPD immer mehr akzeptierte Vergemeinschaftung der Schulden ist nicht der richtige Weg. Das ist beim Wähler nicht durchsetzbar. Da müssen wir uns, wenn, andere Wege für die Hilfe einfallen lassen.
Peter Ramsauer war Bundesverkehrsminister. Der einflußreiche CSU-Politiker ist Vorsitzender des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung im Deutschen Bundestag und direkt gewählter Abgeordneter im Wahlkreis Traunstein.