Tichys Einblick
Von Vera Lengsfeld

Die Trennung der AfD vom Flügel ist unvermeidlich

Vera Lengsfeld gehört der CDU an, zählt aber zu den Kritikern des Kurses von Angela Merkel. Von 1990 bis 2015 war die frühere Bürgerrechtlerin Mitglied des Bundestags, bis 1996 für Bündnis 90/Grüne, danach für die CDU. In einem Gastkommentar für TE schreibt sie, warum sie die von AfD-Chef Jörg Meuthen im TE-Interview vorgeschlagene Trennung der Partei in den sogenannten ‚Flügel’ und einen liberal-konservativen Teil für sinnvoll hält.

© Carsten Koall/Getty Images

Der Schritt, zu dem sich Jörg Meuthen entschlossen hat, kommt spät, aber hoffentlich nicht zu spät. Seitdem die Union, das ehemalige Erfolgsmodell der Bundesrepublik, als Korrektiv für die links-grüne Politik ausgefallen ist, gibt es eine gewaltige Leerstelle in der Parteienlandschaft zu füllen. Die Werteunion könnte sich vom Inhaltlichen dazu eignen, aber dafür müsste sie den Mut haben, sich von der CDU zu trennen. Die AfD wäre von ihrer Programmatik, die bis auf wenige Abweichungen derjenigen der CDU von 2002/2005 ähnelt, auch dazu in der Lage, ist aber mit dem Problem belastet, dass sie aus zwei Parteien besteht: einem freiheitlich-konservativ-marktwirtschaftlichen und einem völkisch-etatistisch-kollektivistischen.

Letzterer wird neuerdings vom Verfassungsschutz beobachtet, was der Gesamtpartei schweren Schaden zufügt. In dieser Situation bringt es nichts, zu untersuchen, wie gerechtfertigt die Beobachtung durch die Schlapphüte ist. Auch Einheitsschwüre helfen da nicht weiter. Wichtiger ist, festzustellen, wie kompatibel die beiden Flügel miteinander sind. Zu fragen ist auch, warum Björn Höcke neben Alexander Gauland derjenige ist, der am eifrigsten die Einheit der Partei beschwört.

Fangen wir mit den Wählern an. Die Wählerschaft lässt sich grob in drei Teile untergliedern. Da sind, erstens, Wähler, die der Partei ihre Stimme geben, gerade „wegen Höcke“. Eine zweite Gruppe von Wählern macht ihr Kreuzchen – noch immer – bei der AfD „trotz Höcke“. Und schließlich gibt es die „Verschreckten“, also diejenigen, die eigentlich AfD wählen würden, wenn da nicht dieser Flügel wäre.

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Spaltung der AfD: Chance oder Selbstzerstörung?
Stellt man sich für einen Moment vor, dass der Höcke-Flügel und die AfD separat zur Wahl stünden, dann würden die Höcke-Sympathisanten eben Flügel wählen. Die Gruppe derer, die die AfD bislang „trotz Höcke“ bei Wahlen unterstützt haben, hätte weit mehr Anlass, an ihrem Wahlverhalten festzuhalten. Allerdings könnte nun ein Teil der „Verschreckten“ Vertrauen zur AfD fassen, was vor allem die FDP, aber auch die Union zu spüren bekämen. Man kann übrigens davon ausgehen, dass ein selbständiger Flügel mit einem dann ungehemmt „sozialpatriotischen“ Kurs zusätzliche Potentiale unter den Sahra-Wagenknecht-Wählern akquirieren könnte. Im Ergebnis würden also AfD und Flügel gewissermaßen ’separat-gemeinsam‘ deutlich mehr Wähler gewinnen, als das zur Zeit der Fall ist. Meuthen hat richtig darauf hingewiesen, dass die europäische Parteienlandschaft dafür einige Beispiele bietet , z.B. Gerd Wilders (PVV) und Thierry Baudet (FvD) in den Niederlanden.

Was das Inhaltliche betrifft, so hat Deutschland ein Übermaß an kollektivistischen Parteien, aber keine freiheitlich-konservative, marktwirtschaftliche Partei mehr, seit die FDP von Christian Lindner geführt wird. Da liegt der dringende Bedarf, nicht auf der kollektivistischen Seite.

Eine mögliche Ungewissheit einer Separierung von AfD und Flügel sollte man vielleicht noch bedenken: Es weiß natürlich keiner, wie groß die jeweiligen Anteile tatsächlich wären. Sollte sich der Flügel nur deshalb so zwanghaft an die längst dysfunktionale Einheit der Partei klammern, weil Höcke und Gauland insgeheim doch fürchten, daß der separate Stimmanteil des Flügels zu klein sein könnte, um allein zu überleben? Dann wäre jedenfalls belegt, daß der Flügel auf Kosten der Gesamt-AfD sein Dasein fristet. Warum soll sich die Mehrheit das – mit allen unangenehmen Konsequenzen – bieten lassen? Wenn die AfD weiter eine Rolle spielen will, ist die Trennung vom Flügel jedenfalls unausweichlich. Je eher, desto besser.


Vera Lengsfeld

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