Der Schritt, zu dem sich Jörg Meuthen entschlossen hat, kommt spät, aber hoffentlich nicht zu spät. Seitdem die Union, das ehemalige Erfolgsmodell der Bundesrepublik, als Korrektiv für die links-grüne Politik ausgefallen ist, gibt es eine gewaltige Leerstelle in der Parteienlandschaft zu füllen. Die Werteunion könnte sich vom Inhaltlichen dazu eignen, aber dafür müsste sie den Mut haben, sich von der CDU zu trennen. Die AfD wäre von ihrer Programmatik, die bis auf wenige Abweichungen derjenigen der CDU von 2002/2005 ähnelt, auch dazu in der Lage, ist aber mit dem Problem belastet, dass sie aus zwei Parteien besteht: einem freiheitlich-konservativ-marktwirtschaftlichen und einem völkisch-etatistisch-kollektivistischen.
Letzterer wird neuerdings vom Verfassungsschutz beobachtet, was der Gesamtpartei schweren Schaden zufügt. In dieser Situation bringt es nichts, zu untersuchen, wie gerechtfertigt die Beobachtung durch die Schlapphüte ist. Auch Einheitsschwüre helfen da nicht weiter. Wichtiger ist, festzustellen, wie kompatibel die beiden Flügel miteinander sind. Zu fragen ist auch, warum Björn Höcke neben Alexander Gauland derjenige ist, der am eifrigsten die Einheit der Partei beschwört.
Fangen wir mit den Wählern an. Die Wählerschaft lässt sich grob in drei Teile untergliedern. Da sind, erstens, Wähler, die der Partei ihre Stimme geben, gerade „wegen Höcke“. Eine zweite Gruppe von Wählern macht ihr Kreuzchen – noch immer – bei der AfD „trotz Höcke“. Und schließlich gibt es die „Verschreckten“, also diejenigen, die eigentlich AfD wählen würden, wenn da nicht dieser Flügel wäre.
Was das Inhaltliche betrifft, so hat Deutschland ein Übermaß an kollektivistischen Parteien, aber keine freiheitlich-konservative, marktwirtschaftliche Partei mehr, seit die FDP von Christian Lindner geführt wird. Da liegt der dringende Bedarf, nicht auf der kollektivistischen Seite.
Eine mögliche Ungewissheit einer Separierung von AfD und Flügel sollte man vielleicht noch bedenken: Es weiß natürlich keiner, wie groß die jeweiligen Anteile tatsächlich wären. Sollte sich der Flügel nur deshalb so zwanghaft an die längst dysfunktionale Einheit der Partei klammern, weil Höcke und Gauland insgeheim doch fürchten, daß der separate Stimmanteil des Flügels zu klein sein könnte, um allein zu überleben? Dann wäre jedenfalls belegt, daß der Flügel auf Kosten der Gesamt-AfD sein Dasein fristet. Warum soll sich die Mehrheit das – mit allen unangenehmen Konsequenzen – bieten lassen? Wenn die AfD weiter eine Rolle spielen will, ist die Trennung vom Flügel jedenfalls unausweichlich. Je eher, desto besser.
Vera Lengsfeld