Staatsanwaltschaft Wiesbaden und das Polizeipräsidium Westhessen bestätigen, dass die Polizei einen Selbstmord des hessischen Finanzministers Thomas Schäfer vermutet. Seine Leiche war unkenntlich, in der Nacht haben allerdings DNA-Untersuchungen bestätigt, dass es sich tatsächlich um Schäfer handelt. „Aufgrund der Gesamtumstände, der umfangreichen Tatortarbeit, der Befragung zahlreicher Zeugen, der Auffindesituation vor Ort sowie technischer und kriminalwissenschaftlicher Auswertungen und Untersuchungen“ sei von Suizid auszugehen, hieß es in der Mitteilung weiter.
Schäfer, 54, war ein beachteter Politiker; körperlich ein Hüne und persönlich als diskussionsbereit wie streitbar bekannt. Er legte unter anderem mit dem hessischen Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir den Plan für eine sogenannte „Deutschlandrente“ vor, die ein staatlich verwaltetes Anlagevehikel sein sollte. Er galt als wichtiger Partner für die schwarz-grüne Koalition in Hessen. „Der gelernte Bankkaufmann aus Biedenkop im Lahntal promovierte als Jurist und saß schon als Student für die CDU im Kraistag von Marburg-Biedenkopf. Nach einer kurzen Zeit bei der Commerzbank war Schäfer Büroleiter des hessischen Justizministers, bevor er 2002 mit Mitte 30 zum Büroleiter des damaligen hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch aufstieg,” schreibt ntv über Schäfers Werdegang.
SPON notiert: „Der promovierte Jurist wurde als möglicher Nachfolger von Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) gehandelt, sollte dieser bei den Landtagswahlen 2023 nicht wieder antreten.” Er hinterlässt seine Frau und zwei Kinder.
„Gerade ihn hätten wir in einer so schweren Zeit besonders gebraucht“, sagte Bouffier in der Staatskanzlei in Wiesbaden am Sonntag. Die größte Herausforderung für Hessen erfordere Besonnenheit und Tatkraft. Für beides habe Schäfer gestanden. Der Finanzminister habe buchstäblich Tag und Nacht daran gearbeitet, die Krise finanziell und organisatorisch zu bewältigen. „Wir müssen heute davon ausgehen, dass er sich große Sorgen machte, ob es gelingen könne, die riesigen Erwartungen in der Bevölkerung, insbesondere der finanziellen Hilfen zu erfüllen“, sagte Bouffier und fügte an: „Ich muss davon ausgehen, dass ihn diese Sorgen erdrückt haben.“
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) nahm diese Formulierung zum Anlass für folgende Schlussfolgerung: Ministerpräsident Volker Bouffier spricht davon, dass die Sorgen um die Zukunft den Minister „erdrückt“ haben könnten.
Denn Aufsehen erregte, dass in der ersten Fassung des Berichts der FAZ gestern Nacht Details über seinen körperlichen Zustand verbreitet wurden und folgender Passus enthalten war, wobei beides dann entfernt wurde – aber schon längst verbreitet und kommentiert worden war:
»Wie aus Ermittlerkreisen zu hören war, hat Schäfer einen Abschiedsbrief hinterlassen. Darin habe er die Gründe für seinen Suizid genannt. Dem Vernehmen nach soll Schäfer darin von einer „Aussichtslosigkeit“ gesprochen haben, die er gesellschaftlich, aber auch bezogen auf die wirtschaftliche Lage des Landes sehe. Diese Aussichtslosigkeit habe er unter anderem konkret auf die derzeitige Situation bezogen, die ihm offenbar „zu schaffen“ gemacht habe. Ob dies allerdings mit konkreten Ängsten in Bezug auf den Coronavirus zusammenhänge oder eher allgemeiner Art gewesen sei, das sei auch für die Ermittlungsbehörden derzeit nicht ersichtlich.«
Über diese Formulierung und weitere persönliche Details gab es heftige Kritik seitens der Landesregierung und von Abgeordneten, die Schäfer nahestanden. Derartige Verschwörungstheorien seien dieser Zeitung unwürdig.
Schäfer starb an der ICE-Strecke Frankfurt-Köln. Dass in Frankfurt von Depressionen die Rede ist, wollen wir notieren, aber nicht kommentieren. Wir drücken den Angehörigen unser tiefempfundenes Beileid aus.
Hier bekommen Sie umgehend Hilfe:
Wenn Sie selbst depressiv sind, Selbstmord-Gedanken haben, kontaktieren Sie bitte die Telefonseelsorge (www.telefonseelsorge.de). Hier finden Sie rund um die Uhr Ansprechpartner.
Unter der kostenlosen Hotline 0800 – 111 0 111 oder 0800 – 111 0 222 erhalten Sie Hilfe von Beratern, die Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen können.