Auf der Homepage der Grünen heißt es vollmundig an mehreren Stellen: „Wir Grüne kämpfen für eine intakte Natur.“
Eine politische Partei, die sich für eine „intakte Natur“ einsetzt. Wow!
Mit dem Umweltschutz alleine – wie etwa mehr Energieeffizienz oder mehr Luftreinheit – scheinen sich die Grünen also nicht zufrieden zu geben.
Bei ihnen geht es um das große Ganze.
Doch was ist eine „intakte Natur“?
Ist die Natur intakt, wenn die Katze die Maus frisst?
Ist die Natur intakt, nachdem die Dinosaurier ausgestorben sind?
Ist die Natur intakt, wenn das Coronavirus als kleiner Sensemann unter der Menschheit seine viralen Spielchen treibt?
Hinter dem Begriff „intakte Natur“ scheint so etwas wie eine westlich indianische Frömmigkeit zu stehen, in der der Mensch eingebettet ist in ein harmonisch göttliches Naturganzes.
Und diese grüne Naturmystik könnte so wunderbar intakt sein, wenn da nicht der große Störfaktor Mensch wäre; der kapitalistische und technikbegeisterte Mensch, der die Umwelt zerstört.
Doch angesichts von Corona drängen sich schwerwiegende Zweifel an dieser Weltanschauung auf. Ist die Natur wirklich ein romantisch-harmonisch-intaktes Gefüge?
Ist sie nicht vielmehr eine lebens-tödliche Konfliktzone, in der jede Sekunde Kräfte des Lebens und Kräfte der Destruktion miteinander ringen?
Ein Chaos von Licht und Dunkelheit, in dem wir als Menschen hineingeworfen sind und gezwungen sind, uns zu behaupten?
In diesem Sinne bezeichnet der jüdische Theologe John D. Levenson die Schöpfung als ständige Chaosüberwindung (Genesis 1,1f); und der Mensch in diesem Chaos als seufzende Kreatur, der um sein Leben und um die Liebe ringt und auf eine neue Schöpfung hofft – und dabei sicherlich oft genug selber zum destruktiven Faktor wird.
Wenn wir dem Coronavirus nichts entgegensetzen würden, dann hätten wir vielleicht eine „intakte Natur“. Und die grünen Kirchen könnten weiterhin zufrieden von der „Bewahrung der Schöpfung“ predigen, zu der ja auch das Coronavirus gehört.
Aber unsere politische Gemeinschaft von Jung und Alt wäre gefährdet durch die lebenszerstörerischen Seiten der Natur.
Eine grüne Ideologie kann man sich halt nur leisten mit einem guten Schuss Naturfatalismus oder mit einer guten Krankenversicherung, die großzügig auf die medizinischen Fortschritte des Kapitalismus zurückgreifen kann.
Fazit: Diese extrem schwere Zeit der Coronakrise hat die Kraft, vertraute ideologische Formeln zu zerbröseln und Worthülsen zu entlarven. Auf dass unsere Zukunft auf ein realistischeres Naturbild gegründet werden kann.
Pfarrer Achijah Zorn