Deutschland bewegt sich stetig auf die 30 bestätigten Corona-Fälle pro hunderttausend Einwohner zu. Bedenkt man, dass viele Landkreise ihre Zahlen nicht aktualisieren – es ist ja Wochenende, da sind die Amtsstuben leer – dürfte die Zahl der gemeldeten Fälle in Wirklichkeit schon höher liegen; von der Dunkelziffer der nicht Getesteten ganz zu schweigen.
Hamburg ist weiterhin der Hotspot der Erkrankungen pro Hunderttausend in Deutschland. Auf ihrer Website sagt die Hamburger Senatskanzlei dazu:
„Der weiterhin deutliche Anstieg der Fallzahlen wird durch einen hohen Anteil durch Urlaubsrückkehrer verursacht, sowie durch Personen, die Kontakt zu den erkrankten Personen hatten. Bei vielen traten Erkrankungssymptome erst mit zeitlicher Verzögerung auf, so dass sie erst mit einigem Abstand zum eigentlichen Ferienende getestet wurden. In den kommenden Tagen wird bundesweit mit einem weiteren deutlichen Anstieg der positiv getesteten Fälle gerechnet. Die zuständigen Gesundheitsämter ergreifen bei allen positiv getesteten Personen die notwendigen Maßnahmen.“
Nun rächt sich also das lange unbekümmerte Skifahren in Tirol. Auch bezüglich der Erkrankten äußert sich die Senatskanzlei:
„Nach aktuellem Stand befinden sich derzeit 51 Personen mit Wohnort Hamburg aufgrund einer Erkrankung mit COVID-19 in stationärer Behandlung, davon werden zehn Personen intensivmedizinisch betreut. Damit liegt Hamburg aktuell im Durchschnitt der bundesweit gemeldeten Spannweite der positiv getesteten Fälle mit intensivmedizinischer Betreuung.“
Nun muss man bedenken: Zum 1. Januar 2019 hatte Hamburg 12.905 Vollstationäre Betten. Diese sind laut dem Krankenhausplan vom Januar dieses Jahres zu ca. 85% ausgelastet. Das bedeutet, das die Krankenhäuser in der Regel gut 1.900 Betten „Überschuss“ haben – besonders wenn man bedenkt, dass die Krankenhäuser momentan gezielt Kapazitäten frei machen. Bei den Intensivstationsbetten sollte der Überschuss relativ zu der geringeren Anzahl ähnlich ausfallen, werden doch gerade hier die Kapazitäten ausgebaut.
Laut Länderinformationen sind 24.782 Personen als erkrankt gemeldet (Stand 22.03. 20:00). Laut Johns Hopkins Universität sind es 23.974 Fälle / HT, (Stand 22.03. 22:01) laut Risklayer, einem deutschen Thinktank, gibt es 25.554 bestätigte Fälle in Deutschland (Stand 22:03. 0:00). Die große Differenz erklärt sich mit der oben erwähnten, herausragenden Arbeitsbereitschaft deutscher Beamter: selbst in der Pandemie bleibt die Amtsstube unbesetzt. In welchen Bundesländern dies der Fall ist, kann man an der nächsten Graphik erkennen:
Bundesländer, in denen die Kurven in einem der letzten Tage einen starken Knick aufweisen, sind Länder, in denen an mindestens einem Tag nicht vollständig die Neuerkrankungszahlen weiter geleitet wurden. Es wird auffallen: Hamburg ist nicht darunter. Baden-Württemberg, Hessen, Berlin und Bremen allerdings schon. In Thüringen könnte dies auch der Fall sein, oder aber es gab einen einmaligen statistischen Ausreißer am 19.03, der zu dem schnellen Anstieg der Fälle führte.
In einer Konferenz der Ministerpräsidenten und der Bundesregierung wurden fürs erste keine Ausgangssperren erlassen, jedoch ein sogenanntes „Kontaktverbot“:
Zu Personen, mit denen man nicht zusammenwohnt, muss 1,5 Meter Abstand gehalten werden.
Im öffentlichen Raum darf man nur zu zweit unterwegs sein, es sei denn man lebt mit den weiteren Personen in einem Haushalt zusammen.
Die Polizei sanktioniert Verstöße gegen dieses faktische Versammlungsverbot.
Sämtliche Gastronomie ist geschlossen, ausgenommen ist nur die Lieferung und die Abholung von Speisen.
Bayern übernimmt dieses Kontaktverbot nicht: dort darf man im öffentlichen Raum keinen Umgang mit Personen haben, mit denen man nicht zusammenlebt.
Sachsen verhängt eine Ausgangsbeschränkung nach Bayerns Vorbild.
Sämtliche Körperpflege-Einrichtungen (Friseure, Tattoo-Studios, Massagepraxen etc.) werden geschlossen – gerade Friseure waren in vielen Bundesländern bisher von den Schließungen ausgenommen. Dieses Kontaktverbot ist fürs erste zwei Wochen gültig. Nach wie vor ungeklärt ist die Situation von Zahnärzten, die angehalten werden, weiterhin ihre Praxen zu öffnen. Sie arbeiten nahe am Rachenraum, dem Infektionsherd. Die schnellen Bohrer und Geräte schleudern das Virus so richtig in den Raum. Statt zahnärztliche Behandlung auf das medizinisch Notwendige einzuschränken, wird weiter infiziert. Dabei könnten die medizinisch ausgebildeten Zahnärzte gut überlastetes Klinikpersonal entlasten. Aber Planung ist keine Stärke des deutschen Gesundheitssystems.
Nun passierte etwas, dass nicht passieren sollte: Die Bundesregierung musste verkünden, dass Kanzlerin Merkel sich in häusliche Quarantäne begeben muss. Am Freitag hatte sie sich gegen Pneumokokken (ein bakterieller Lungenentzündungs-Erreger) impfen lassen, doch der Arzt, der die Impfung vornahm, wurde mittlerweile Corona-positiv getestet. Leichtsinn rächt sich auch bei der Kanzlerin.
Die Opfer, die das Corona-Virus in Italien besonders vom medizinischen Personal abverlangt, illustrieren diese Bilder ganz besonders eindrucksvoll: Sie zeigen von den Masken wundgescheuerte Gesichter des überarbeiteten Pflegepersonals.