Jetzt kommt also PEPP – das Pandemic Emergency Purchase Programm der Europäischen Zentralbank. Die EZB wird zukünftig für die phantastische Summe von 750 Milliarden Euro Anleihen von Staaten und Unternehmen aufkaufen. Solche Anleihen hat sie zwar bisher auch schon gekauft; aber jetzt soll noch mehr Geld an schlechte, längst nicht mehr kreditwürdige Schuldner wie Staaten, Banken und Unternehmen verteilt werden. Und noch eine Hürde fällt: Bislang musste die EZB strikte Quoten beachten – so mussten ihre Aufkäufe nach festen Prozentsätzen erfolgen, die dem Anteil der jeweiligen Länder am Kapital an der EZB entsprach. So durfte sie nur 2,0117 Prozent griechische Anleihen kaufen, 13,8165 italienische aber immerhin zu 21,4394 Prozent deutsche Anleihen. Durch diese Begrenzung wurde verhindert, dass insgesamt Deutschland für zu viele Schulden anderer Staaten haftet. Zukünftig darf die EZB unbegrenzt von jedem Land kaufen. Der Grund liegt auf der Hand: So solle die vom Corona-Schock besonders hart getroffenen Wirtschaften Spaniens (9,6981 Prozent Kapitalanteil) und Italiens (13,8165 Prozent) stabilisiert werden. Beide Länder hatten schon vor der Pandemie zu hohen Haushaltsdefizite und zu geringes Wirtschaftswachstum. Jetzt übernimmt indirekt Deutschland die Haftung für die Schulden dieser und anderer Länder. Das mag solidarisch klingen, europäisch – aber letztlich sind damit die Grenzen zwischen halbwegs soliden Staatsfinanzen und notorisch überschuldeten Ländern eingerissen – der Euro wird zu einer Art gesamteuropäischen Lira. Staatsverschuldung wird über die Notenpresse finanziert.
Die italienische Europa-Währung
Ohne Bazookas wird es nicht gehen – so heißt die seit 1942 gefürchtete Panzerfaust der US-Streitkräfte. Der Begriff hat sich für die Geldpolitik eingebürgert, seit der frühere EZB-Präsident Mario Draghi 2012 Anleihekäufe und Negativ-Zinsen einsetzte, um den Euro vor dem Zerbrechen zu retten. „Whatever it Takes“, war seine Ankündigung unbegrenzter und unkonventioneller geldpolitischer Mittel auf einer Londoner Investorenkonferenz am 26. Juli 2012. Jetzt werden solche Brutalo-Methoden gefordert, um die Folgen des Virus für die Wirtschaft zu bekämpfen. Bazooka steht für Durchschlags- und brutale Feuerkraft – und sie kann Verwüstung anrichten, bei Freund wie Feind, wenn der Schütze schlecht zielt.
Ölheizungen vom Möchtegern-Kanzler
So einer ist Grünen-Chef Robert Habeck. Er nannte eine gute Idee, wie sich beispielsweise Hotels und Gaststätten retten können, die wegen der Corona-Krise in die Pleite schlittern: Sie sollen die Zeit nutzen, um eine neue Heizung einzubauen. Woher allerdings das Geld für eine Heizung kommen soll, wenn das Geld für Löhne, Miete und Pacht fehlt – dazu hat der grüne Star-Politiker keine Idee. Für ihn kommt das Geld immer vom Staat – Unternehmer müssen es leider selbst verdienen, und genau das klappt jetzt nicht. Und genau das ist das Problem für immer mehr Unternehmen: Wie die ausstehenden Verpflichtungen bezahlen?
Denn Deutschland fällt in diesem Frühjahr in einen sozialen und wirtschaftlichen Winterschlaf, um die Ausbreitung des Corona-Virus zu verlangsamen. Selbst wenn im 3. Quartal, also schon April, die Wirtschaft wieder anspringen sollte bleibt es bei einem voraussichtlichen Einbruch der gesamtwirtschaftlichen Wirtschaftsleitung um 5 Prozent. Auf dieses Szenario und diese Zahl greifen Wirtschaftsforscher weitgehend übereinstimmend zurück, indem sie die chinesischen Erfahrungen auf Deutschland übertragen, etwa der bekannte Ökonom Thomas Mayer von der Fondsgesellschaft Flossbach von Storch. Dabei wird vorausgesetzt, dass Europa ähnlich schnell die Krise bewältigt wie China – gesundheitlich wie ökonomisch.
Die radikalen Maßnahmen sind damit zur Bekämpfung der Epidemie richtig – aber wirtschaftlich wird es für Freiberufler, Unternehmer, Restaurantbesitzer und Handwerker schwierig: Einnahmen fehlen – aber Mieten, Löhne und Gehälter laufen weiter, auch die Verpflichtung, Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen und Steuern im Voraus abzuliefern. Die radikalen Maßnahmen zum Abbremsen der Verbreitung des Coronavirus hinterlassen damit tiefe Spuren. Sie können zu einem wirtschaftlichen Black-Out führen. Die USA reagieren mit Helikopter-Geld, so wie schon vorher Singapur oder Honkong. Jeder Bürger erhält buchstäblich einen Scheck. 1.000 Milliarden Dollar will US-Präsident Trump so buchstäblich verschenken. „Es ist eine große Nummer“, erklärte Finanzminister Steven Mnuchin, nachdem er den Vorstoß den republikanischen Senatoren erläutert hatte. Aber: Es gebe ja auch eine „sehr große Lage in der Wirtschaft“. Das mag für die USA sinnvoll sein – es fehlen Instrumente wie Kurzarbeitergeld, Gehaltsfortzahlung, Arbeitslosenhilfe.
Wenn die Wirtschaft einbricht geht es dann nicht mehr um abstrakte Nachfrageausfälle – sondern buchstäblich ums Überleben, um Geld für die Miete am Monatsende und Lebensmittel im Supermarkt. In Deutschland mit seinem garantierten Mindesteinkommen in Form von Hartz-IV, Arbeitslosen- und Kurzarbeitergeld hilft Helikoptergeld kaum: Hier fehlt weniger die Kaufkraft, sondern Einkaufsmöglichkeiten, weil außer Supermärkten praktisch alle Möglichkeiten versperrt sind, Geld auszugeben. Es sind zielgenauere Maßnahmen notwendig.
Schnelle Hilfe notwendig
Nicht zu Unrecht sagt Wirtschaftsminister Peter Altmaier: „Diese Krise hat kein Vorbild. Deshalb gibt es auch kein Drehbuch, wie man zu reagieren hat.“ Und er wolle Alles tun, damit „kein Arbeitsplatz verloren geht“; der Staat verfüge über hinreichend Mittel. Das klingt gut. Aber kann er sein Versprechen halten?
Immerhin hat sich die Große Koalition ein vorläufiges Skript zurechtgelegt und will gegenhalten: „In vielen Fällen ist es schon eine wichtige Hilfe, wenn man die Liquidität überbrücken kann. Das tun wir jetzt, und zwar unbegrenzt, weil wir Unternehmern und Beschäftigten auch die Gewissheit geben wollen, dass es nicht an einem Mangel an Geld scheitert.“
Das Wort des Ministers von unbegrenzten Mitteln in Gottes Ohr. Es hat auch nur zwei Tage gehalten – seither spricht er davon, man werde nicht mit der „Gießkanne“ durch das Land zielen, sondern zielgenau helfen. Es sind nicht mehr als Floskeln. Offensichtlich kriegt er allmählich eine Vorstellung von der tatsächlichen Problemlage, seit nicht nur ein paar belächelte Kulturschaffende nach Geld rufen, sondern auch die Großkonzerne wie VW in Niedersachsens oder Daimler in Stuttgart die Produktion einstellen: Das schlägt unmittelbar auf die öffentlichen Kassen durch, die mit allerlei Sozialversprechungen und jährlich mindestens 30 Milliarden für Flüchtlingshilfe ohnehin weit stärker beansprucht sind, als Finanzminister Olaf Scholz zugeben will: Die Ausgabepläne der GroKo orientierten sich an der Phase der guten Konjunktur und immer neuer Rekordeinnahmen. Das ist jetzt vorbei – und vorbei sind die Zeiten gönnerhafter Wirtschaftspolitik.
Was man derzeit als angedachte Hilfsmaßnahmen hört – Steuerstundungen, Kredite, Kreditbürgschaften, keine Zwangsmaßnahmen durch die Finanzämter bei fälliger Vorauszahlung hilft, aber wird nicht reichen. Denn die Zwangsschließung von Hotels, Cafés und Wirtshäusern sowie Läden, die nicht der Grundversorgung dienen – das Verbieten von Reisen, Sportveranstaltungen, Konzerten, Opern, Theater- und Kinovorstellungen, die Absage von Märkten und Messen von Amts wegen führt ja nicht zu einer Minderung von Gewinnen, die der Fiskus besteuert, sondern bei ganz vielen kleinen und großen Unternehmen zu einem Komplettausfall von Umsätzen. Die jetzt angekündigte Stundung von Umsatzsteuer-Vorauszahlung durch das Finanzamt hilft denen nicht, die keine Umsätze mehr haben. Nicht um Gewinne geht es – sondern schlicht um Liquidität der Unternehmen, um die Fähigkeit, finanzielle Verpflichtungen jederzeit erfüllen zu können. Wer dazu nicht in der Lage ist, muß Konkurs anmelden, also das Unternehmen einstellen. Verzögern, vertrösten oder auf das Abklingen der Pandemie zu hoffen, gilt nicht – wer den Konkurs verschleppt, macht sich strafbar. Und genau darin liegt im Augenblick die größte Gefahr für die Unternehmen: Ihre Zahlungsunfähigkeit, die zum wirtschaftlichen Tod führt. Und dagegen hilft nur: Die Gießkanne.
Gießkanne statt Prüfung
Denn wenn Altmaier jetzt erst mal Prüfverfahren in Gang setzen will und Kontrollen, dann tritt der Unternehmenstod schneller ein als der Bewilligungsbescheid ankommt. Rationale Wirtschaftspolitik läßt Geld regnen, auf Gerechte und Ungerechte und kann nur hoffen, dass der Missbrauch sich in Grenzen hält. Ausgeschlossen werden kann er nicht – das Überleben der großen Zahl zählt. Denn diesmal geht es um kleine und mittlere Unternehmen. Deren Inhaber sind mit dem Alltagsgeschäft und der brutalen Überregulierung völlig ausgelastet. Kurzarbeitergeld, KfW-Kredite, Zuschüsse – davon haben sie meist nie gehört, dafür gibt es kaum Berater und keine Leitsätze. Das ist bei großen Unternehmen anders. Deren Finanzabteilungen stehen in ständigem Kontakt mit Behörden und Banken. Sie haben die Rechtsabteilungen, Wirtschaftsprüfer und Experten, die ihnen den Zugang zur Staatsknete schnell ebnen und den Griff in die Staatskasse organisieren. Die Kleinen sterben beim Ausfüllen des Antragsformulars für den Antrag auf Hilfe. „Realistisch ist, dass die ersten Gelder in zwei bis drei Wochen fließen“, sagte ein KfW-Sprecher. Die Hausbanken müssten die Anträge schnell weiterleiten, damit die KfW sie abschließend prüfen könne. Man könne „die Kredite nicht einfach so rausblasen“. Genau das ist das Problem – die Prüfung, während der die Pleite kommt.
Kein unternehmerisches Risiko
Diese Situation gehört nicht zum normalen unternehmerischen Risiko. Anders als bei der Lehman-Finanzkrise, in der es sich darum handelte, den Banken- und Versicherungssektor mit Krediten zu stabilisieren, geht es diesmal um die Lahmlegung der Realwirtschaft durch eine staatliche Zwangsmaßnahme: Sie mag unbestritten notwendig sein; manche sagen sogar, sie wurde zu lange verzögert. Niemand wird sich in dieser Situation, von der wir nicht wissen, wie lange sie andauern wird, auf die bisher angebotene Stundung von Steuerverpflichtungen oder die Aufnahme von Krediten einlassen, die doch irgendwann einmal zurückgeführt werden müssen. Es wird sich auch niemand auf die Ankündigung der Justizministerin verlassen, die Pflicht zum Stellen eines Insolvenzantrags zu lockern, um wenigstens dem Gefängnis zu entgehen. Denn die Gefahr, dass sich die geschäftliche Insolvenz irgendwann doch nicht vermeiden lassen wird, wirft dann ganz schnell das Risiko einer Privatinsolvenz auf – viele Unternehmen haften auch privat für ihr Geschäft. Es fehlt allerdings jede Vorstellung davon, wann sich Leben und Umsätze wieder normalisieren. Nein, jetzt muss der Staat den betroffenen Firmen – von der Lufthansa bis zum Würstl-Verkäufer in der Allianzarena – schnell und unbürokratisch die entfallenen Umsätze (bereinigt um die ersparten Kosten und den Gewinn) ersetzen:
Whatever it takes – ansonsten fahren wir unsere Wirtschaft an die Wand.