Seitenblick auf die SPD: Am Samstag zeigte das Thermometer in München 23 Grad, bei praller Sonne, und auch am Sonntag war es angenehm warm. Die meteorologische Faktenaufzählung ist wichtig, sonst würde die Titelzeile auf spiegel online – „Markwort hat wohl zu viel Sonne abbekommen“ – keinen Sinn ergeben. Ein Sonnenstich beim Herausgeber des Focus läge also rein theoretisch im Bereich des Möglichen. Allerdings sind die Bemerkungen nicht mitfühlender oder gar ärztlicher Fürsorge geschuldet, stammen sie doch aus dem Munde des gelernten Genossen und stellvertretenden SPD-Vorsitzenden Ralf Stegner, der noch nie als besonders empathisch aufgefallen ist.
Wie eine Hornisse kamen Stegner und andere Nachrichtenabfangjäger aus ihrem Berliner Nest herausgeschossen, um jede Verbreitung einer Information zu attackieren, die auch diesem Portal vorlag: Sigmar Gabriel tritt zurück, die SPD wird zur Scholz & Schulz-Show, Olaf wird Chefgenosse, Martin Genosse Kanzlerkandidat.
Wow! Eine Ära ginge zu Ende, würde der Erzbengel fallen und den Weg frei machen für einen total neuen Neuanfang bei der Kamikaze-Partei.
Der Tag fing also gut an für die, die schon länger hier leben, und für den Abend stand nach Grill und Biergarten Frauke Petry bei Anne Will auf dem Programm. Thema: „Integration per Gesetz – Wer soll zu Deutschland gehören?“ Geplaudert werden soll über ein Gesetz, das noch nicht einmal verabschiedet ist, und eine Zusatzfrage, die viele Fragen aufwirft.
In der Runde saßen Lamya Kaddor, Islamwissenschaftlerin (natürlich ging es wieder um muslimische Einwanderer) und Dietmar Bartsch, der unbeirrbar irreführend nur von „Flüchtlingen“ redete. Bartsch war da, weil Wagenknecht oder Kipping wohl keine Zeit hatten – und einer von Die Linke muss laut öffentlich-rechtlicher Proporz-Statuten immer dabei sein (ersatzweise auch zwei Grüne).
Als Beispiel für die perfekte Integration muss man Professor Ruud Koopmans bezeichnen, der mit sympathisch niederländischer Sprachmelodie Dinge aussprechen darf, die bei anderen mindestens den Besuch der Antifa zur Folge hätte: „Man kann durchaus verlangen, dass Einwanderer Integrationskurse nicht nur besuchen, sondern auch bestehen müssen.“
Die männliche Hauptrolle hatte allerdings unser Innenminister Thomas de Maizière, dem wir manche Erkenntnis verdanken. Bereits eine Million registrierte Flüchtlinge seien im Land. Nur für die mit Bleibeperspektive soll das Integrationsgesetz gelten, das Ausweisungsgesetz würde verschärft, Asyl verwirkt, wer straffällig wird. Bei 50-60% der Einwanderer liege bereits eine Asyl-Anerkennung vor. Arabische Einwanderer machten besonders viele Probleme, allerdings weniger die Syrer als die Nordafrikaner weil, hört, hört: Bei Assad war nicht alles schlecht, bevor das Land ins Elend gestürzt wurde (Kursiv: Anmerkung des Verfassers).
Nun zu Frauke Petry. Das Verfolgungstrauma hat sie noch nicht vollständig ablegen können, so dass sie gelegentlich in vorauseilender Wachsamkeit Alarm schlug, obwohl keine Angreifer da waren (Genosse Bartsch, der sich zwar mit Kirchen und DGB und SPD und allen Heiligen auf der richtigen Seite weiß, ließ den Agitprop-Hammer in der Aktentasche).
So ging Frauke Petry den Innenminister an, das Einwanderungsgesetz sei ein Popanz, wenn man nicht einmal die bestehenden Gesetze anwende, beziehungsweise Asyl nicht von Einwanderung trenne. Und zudem die Probleme nicht benenne. Brauchen wir ein Integrationsgesetz für Vietnamesen oder Polen? Wohl nicht. Dass nicht einmal kriminelle Asylbewerber ihr Asylrecht verwirkt haben und abgeschoben werden, zeigt zudem, dass Gesetze ohne Anwendung wenig Sinn machen.
Der Minister brachte wieder die Flüchtlinge mit Bleibeperspektive ins Spiel, für die man etwas tun müsse, damit sie „unsere fußballspielenden Nachbarn“ werden.
Anne Will ließ den Ball laufen, wie der Fußballtrainer sagt, und streute nur mal eine umstrittene Bertelsmann-Studie ein, nach der 40% der strenggläubigen Sunniten nichts gegen die Homo-Ehe einzuwenden hätten.
Ruud Koopmans trug Fakten vor, denen zu Folge Muslime das Integrationsschlusslicht in allen Ländern Europas seien, wegen a) Mangelnder Sprachkenntnisse, b) Archaischer Geschlechterrollen-Vorstellung und c) Fehlender sozialer Interaktion mit Nicht-Muslimen.
Vergessen wir mal kurz das Gesagte, man hörte und las es tausend Mal zuvor. Aber die zarte Annäherung zwischen der Bella Figura der neuen Opposition und dem Unions-Minister entwickelte fast disneyhafte Züge. Völlig baff beobachtete man ein vernünftiges Gespräch zwischen Regierung und (außerparlamentarischer) Opposition. Keine Beleidigung, kein böser Zungenschlag, keine überhebliche Zurechtweisung, nicht einmal ein Frotzeln trübte die harmonische Stunde zwischen der gestern noch Aussätzigen und dem Vertreter der Macht.
Da müssen wir uns die Frage stellen: Wie konnte es dazu kommen? De Maizière ist von Hause aus kein Don Juan-Typ wie ein Schröder oder Kubicki, und so raffiniert, auf die Idee zu kommen, die AfD mit einer Umarmungsstrategie überflüssig machen zu wollen, dafür wirkt er denn doch – mit Verlaub – zu schlicht. Nein, da scheint ein überteuerter Think Tank oder The Queen Herself dahinter zu stecken. Was bei der FDP und bei SPD so schön geklappt hat, müsste doch auch bei der AfD funktionieren.
Womit wir geschickt zu den Berliner Genossen überleiten, denen die Integrationsdebatte zur Zeit gerade mal am Allerwertesten vorbeigeht. Macht Siggi jetzt den Abflug? Morgen, nächste Woche? Verschiebt er´s noch mal, weil ihm seine Mit-Ober-Genossen noch eine Fristverlängerung abrangen?
In jedem Fall haben wir gestern dem Wechsel im Umgang des Establishments mit der AfD beigewohnt: Selbst Heiko Maas, der Maßlose, formulierte im Bericht aus Berlin, man dürfe die AfD nicht dämonisieren, sondern inhaltlich stellen. Hört! Hört!