Tichys Einblick
Immerhin

Bei Maischberger soll in Erfurt der Bürger Druck ablassen dürfen

Sandra Maischberger im Erfurter Palmenhaus. Die Bürger dürfen fragen und Maischberger sortiert das Ganze nur. Alles hängt von der Auswahl der Bürger ab. Also hinhören und schauen.

Screenshot ARD

Muss man sich Sorgen machen um der Sandra Maischberger öffentlich-rechtliche TV-Karriere? Nach wenigen Sendungen im neuen Format schon wieder ein weiteres Experiment mit der so lange in Sitzgrüppchen etablierten Maischberger-Talkshow.

Gut, diese drei politisch-korrekten journalistischen Anstandswauwaus waren kaum mehr erträglich, das wird auch Maischberger aufgegangen sein. Aber wo sollen ihre Stärken jetzt liegen? Im Einzelinterview? Klar, zuletzt mit Bodo Ramelow blitzte mal so etwas durch wie Widerspruch, aber wirklich beeindruckend geht noch einmal anders, dann nämlich, wenn man wirklich dort hingeht, wo es weh tut.

Was mag sich Maischberger wohl mit dem nächsten hektische Formatwechsel gedacht haben, wenn sie jetzt „Maischberger vor Ort“ startet und dafür samt Team nach Erfurt saust, um dort den Ereignissen rund um diese Dauerwahlsendung in Thüringen nachzuspüren, die am Ende trotz Abwahl dann doch wieder einen Ramelow als Ministerpräsidenten ergab.

Ein Skandal wäre das, schreiben die sozialen Medien seit Tagen. Skandal? Tatsächlich soll es skandalös sein, dass Maischberger einen AfD-Politiker eingeladen hat. Der bundesdeutsche Wahnsinn geht weiter, wenn der Sender die AfD-Einladung beispielsweise in der Süddeutschen diskutieren muss, die mit der Überschrift aufmacht: „WDR verteidigt Gäste-Auswahl bei Maischberger.“

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Schon ein wenig lächerlich, wenn ausgerechnet diese Zeitung in einem Recherche-Verbund mit den Öffentlich-rechtlichen zum unrühmlichen Vorreiter einer zukünftigen Inklusion der dann ehemals privaten Medien in das fette öffentlich-rechtliche Geschäft rund um die Zwangsgebühren geht. Jetzt also ein bisschen gespielte Empörung um einen WDR, der sicher als Vorreiter gelten darf, wenn es um Ausgrenzung und Förderung der Spaltung der Gesellschaft geht.

Also los: Katja Kipping (Linke)  ist in Erfurt ebenso vorgeladen, wie Mario Voigt (CDU) und der schwarze Schwan der Sendung, der AfD-Mann Tino Chrupalla, gewählter Abgeordneter des Wahlkreises Görlitz für den deutschen Bundestag.

Sandra Maischberger im Erfurter Palmenhaus. Schöne Kulisse. Und da wird auch die neue Idee klar: Die Bürger dürfen fragen und Maischberger sortiert das Ganze nur. Da muss man nicht lange spekulieren, wie es ausgeht. Alles hängt jetzt von der Auswahl der Bürger ab. Wenn hier allerdings ähnlich vorgegangen wird wie sonst bei der Auswahl des Saalpublikums bei solchen öffentlich-rechtlichen Talkshows, dann könnte es bitter werden. Hoffen wir optimistisch mal auf etwas Gutes.

Die drei von der Hohlphrasen-Tankstelle sind weg. Das allerdings muss dankbar angenommen werden. Diese alberne pseudojournalistische Plauderei  war so überflüssig wie ein Kropf. Gerne weg damit.

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Chrupalla macht mit seinen blaugrauen Hans-Albers-Augen einen knackigen Eindruck. Gutes Fernsehgesicht. Kipping ist auch nicht von gestern, sie weiß längst, wie man sich lächelnd von der Schokoladenseite präsentiert. Voigt muss sich noch bewähren, mal sehen, wie das klappt vor Kamera und vor Maischberger. Aber auch er natürlich ein Politprofi und kein Novize vor Leuten.

Recht schnell wird klar, dass die Idee an sich keine schlechte ist. Denn die politischen Kontrahenten müssen sich ans Publikum wenden und sind erst einmal abgeschnitten von der Wadenbeißerei am Mitbewerber. Das dürfte insbesondere dem AfD-Kandidaten nutzen, der so etwas weniger Schießscheibe sein könnte.

Tatsächlich wäre es unbedingt notwendig gewesen, einmal zu erklären, wie die Auswahl der vielleicht knapp einhundert, überwiegend Erfurter Gäste im Palmenhaus vorgenommen wurde. Mussten sie sich mit Fragen bewerben? Es bleibt zumindest in der Sendung offen. Maischberger ruft die Gäste auf und hat die Fragen offensichtlich auch schon vorliegen, es ist also weniger spontan, als es den Eindruck macht. Natürlich.

Mario Voigt (CDU) erinnert mal daran, dass die Linke und die AfD im Landtag eine Mehrheit hatten, die so genannte Mitte also keine mehr. Das wäre die besondere Thüringer Ausnahmesituation gewesen. Aber was soll das nun entschuldigen?

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Und wie aktuell ist das, hier nochmal Thüringen durchzuhecheln, wo es doch deutlich dringendere Themen gibt, von Corona bis nach Lesbos, und wer es spannend findet, sogar hin zu einem Rap-Song von Xavier Naidoo, der im Prinzip nichts anderes gemacht hat, als aktuelle konservative Positionen zusammengefasst und dafür nicht mehr mit Dieter Bohlen bei DSDS Juror sein darf. Was sagen sie dazu Frau Kipping? Schon mal DSDS geschaut, oder ist das unter ihrem Niveau? Wird aber beides nicht abgefragt.

Etwas lustig ist die Diskrepanz zwischen den abgepuderten Politikern und den hochglänzenden Zuschauern, die im selben Scheinwerferlicht sitzen müssen. Da bitte beim nächsten Mal mit der Quaste auch mal durch die Reihen gehen. Aber wo sind wir hier schon wieder zu nachtschlafender Zeit gelandet, solche banalen Dinge aufschreiben zu wollen?

Voigt und Kipping machen sich warm gegen Chrupalla, dem Voigt die Bürgerlichkeit abspricht und der AfD noch einmal vorwirft, getrickst zu haben, als man dem eigenen Kandidaten keine Stimme gab, um Rot-rot-grün zu verhindern.

Dann darf ein Fachmann ein bisschen zwischenkommentieren, da war die Angst der Produktion wohl zu groß, dass mit den fragenden Bürgern etwas schief geht. Aber zunächst sieht es fast so aus, als ginge mit André Brodocz etwas schief, der ist Politikwissenschaftler der Uni in Erfurt und saß neulich schon irgendwo in einer Talkshow und findet, die AfD hätte keineswegs getrickst, jeder der anderen Fraktionen hätten wissen können bzw. müssen, was da gleich passiert.

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Alle Akteure hätten gewusst, das die AfD nicht für ihren Kandidaten, sondern für den der FDP stimmen würde. „Man mag das strategisch und taktisch finden, aber Politik ist auch ein strategisches und taktisches Spiel.“ Na, so eine Pro-AfD-wirkende Stimme muss man auch erst einmal wieder einfangen. „Ok“, antwortet einigermaßen irritiert Moderatorin Maischberger. Aber kann diese Miniminiminiüberraschung schon das Highlight der Sendung gewesen sein?

„Wir sind demokratisch legitimiert gewählt worden. Wir sind nicht durch einen Staatsputsch oder Staatsstreich in die Parlamente gekommen. Wir haben Thüringen unser Wahlergebnis verdoppelt. Wir haben in Sachsen unser Wahlergebnis verdreifacht. Was hat das denn für Gründe? Also können wir nicht so viel falsch gemacht haben.“

So jedenfalls geht das Selbstverständis des AfD-Politikers, während die Fragestellerin tapfer weiter ihren Kopf schüttelt um dem Gesagtem politisch korrekt wenigsten stumm zu widersprechen, wenn es schon nicht anders geht. Am Applaus kann man ziemlich exakt abzählen, wieviele AfD-Befürworter eingeladen wurden. Es müssen etwa 5-10 von Hundert sein. Oder trauen sich manche nicht, wenn Hunderttausende vor der Mattscheibe zuschauen? Angst davor, das morgen der Kleinwagen der Familie in Flammen steht? Wer will es verdenken? Ähnliches gilt natürlich auch für die Freunde Kippings. Da muss man wohl auch zwei Mal überlegen, wenn man im „falschen“ Viertel oder Dorf wohnt.

„Zur Demokratie gehört, dass auch Antidemokraten und solche, die die Demokratie zerstören wollen, antidemokratisch gewählt werden.“ So beantwortet Katja Kipping eine Frage nach dem Umgang der Parlamente mit der AfD.

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Chrupalla möchte von Voigt die Doppelmoral erklärt wissen, wenn die einerseits keine AfD-Vizepräsidentin wählen, aber eine „Deutschlandhasserin“ wie Claudia Roth zur Vize-Bundestagspräsidentin machen.

„Wir können nicht alles kommentieren, was hier gesagt wird.“, entschuldigt sich Maischberger gleich mal bei Roth, sie sei nicht sicher, ob Claudia Roth eine Deutschlandhasserin sei. Sicherer scheint sie sich allerdings mit den antidemokratischen Zuschreibungen und Rassisten-Beschimpfungen beispielsweise von Kipping Richtung AfD zu sein, da interveniert sie nicht.

Ja, es ist doch immer wieder lehrreich, wenn solche Sendungen unvermeidbar ins immer gleiche Fahrwasser rutschen, ganz gleich wie diese Formate mit dicker Kulisse aufgehübscht werden.

Chrupalla beschwert sich, dass seine Partei anfangs noch als rechtspopulistisch bezeichnet wurde und mittlerweile offen als Nazis und Faschisten. Er sieht da eine Verharmlosung des wirklichen Faschismus.

Mario Voigt von der Thüringer CDU gefällt das Hufeneisen weiterhin. Er lenkt die Kritik an der AfD Chrupallas gleich mal mit hinüber zu Kipping, deren Partei ebenso wie die AfD den Systemwechsel wollten und die ein Prozent der Reichen erschießen wollen, womit er an eine öffentlich gewordene Auffassung erinnert, die auf einer Strategiekonferenz der Linken gemacht wurde. Ein angeblicher Witz, den wohl auch nur Linke richtig witzig finden und viel weniger Nachfahren von unter dem SED-Regime beispielsweise an der Grenze erschossenen Bürgern.

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„Ein absolut missglückter und falscher rethorischer Kniff“ war das für Katja Kipping, die sich mit Zitronengesicht noch einmal dafür entschuldigt. „Das war richtig richtig schlimm.“ Und weiter: Die Beendigung einer kapitalistische Profitorientierung sei doch aber ok, was sei an so einem Systemwechsel verkehrt? So ein Systemwechsel weg von einer kapitalistische Profitorientierung  gibt nach Kipping sogar das Grundgesetz her. „Diese Gleichsetzung (mit der AfD) verbitte ich mir in aller Deutlichkeit.“, endet die Vorsitzende der Partei Die Linke.

Mindestens aus der emotionalen Perspektive interessant ist eine Afghanin unter den Zuschauern, die mit dem Kopftuch ihre Religionszugehörigkeit dokumentiert, die seit vier Jahren hier lebt, gut Deutsch spricht und den AfD-Abgeordneten fragt, warum er mit seiner Partei eine Hetze gegen Menschen wie sie befördern würde.

Tino Chrupalla betont also nochmal, das seine Partei zwar der Migration kritisch gegenüber stehe, aber jeder Mensch soll hier sicher leben können. Was es an der Stelle allerdings bei Katja Kipping, die gerade von Voigt ihr Fett abbekommen hat, so zu grinsen gibt, bleibt allein ihr Geheimnis. Nein, das wirkt nicht publikumsfreundlich, das kann leider nicht einmal bei Sympathisanten gut ankommen. Wie sich Kipping gegen Wagenknechts Kurs durchsetzen konnte, bleibt weiter ein Rätsel.

Interessant wird es noch einmal, wenn Maischberger allen Ernstes Kritik am Islam schon als Hetze definiert wissen will – jedenfalls stellt sie in die selbe Reihe mit Weidels „Kopftuchmädchen“ und Gauland „Vogelschiss“ folgende für sie hetzerische Einschätzungen: „Der Islam hat keine Heimat in Europa“ und „Der Islam ist eine schwache Religion“ und „Der Islam ist in abgehängten Welten zu Hause.“ Aber was bitteschön soll nun an diesen drei Einschätzungen Hetze sein? Was soll da greifen, etwa eine Art Religionslästerparagraf? Haben es die Muslime und ihre Unterstützer schon so weit gebracht, was legitime, notwendige Religionskritik angeht? Doch, doch, wir müssen unsere über Jahrhunderte so blutreich eingehegten christlichen Kirchen zukünftig noch genauer beobachten, nicht dass diese im Windschatten dieser Aufweichung humanistischer bzw. säkularer Werte noch Morgenluft wittern. Die Verbrüderung findet ja längst statt, wenn man nur gewillt ist, genauer hinzuschauen, wenn beispielsweise von Bischöfen Kreuze abgelegt werden, um nicht anzuecken.

Vorsicht Leute
Habeck, der Freiheitsfeind
Dieser Mario Voigt ist leider wirklich schlimm. Selten einen Auftritt verfolgt, der auch menschlich so uncharmant wirkt. Demgegenüber ist selbst die eiserne rote Katja zwischen den beiden Herrren eine Ausgeburt an Verbindlichkeit. Das Buch von Höcke würde sich so lesen wie Adolf Hitlers „Mein Kampf“, was daran läge, das die beiden ähnlich denken. Das ist nun schon doch arg abgeschmackt. Das muss man nötig haben. Schlimmer: Er erwähnt den erschossen Kassler Regierungspräsidenten und dass die CDU „keine Nachhilfe bräuchte, wie wir uns zur AfD abgrenzen.“ Das ist so billig, das braucht dringend Nachhilfe in politischem An- und Verstand.

Der Experte André Brodocz darf noch einmal etwas sagen: „Frau Kipping hat zu Recht darauf hingewiesen, dass das Grundgesetz tatsächlich keine Wirtschaftsordnung vorschreibt.“ Brodocz muss leider auch von seiner Uni berichten, dass sich das Klima in Erfurt gegenüber ausländischen Studierenden sehr verändert hat. Auch das ist glaubwürdig. Und schrecklich, dass Polizei an Wochenende gar nicht mehr in der Lage ist, bei Übergriffen gegen Ausländer schnell vor Ort zu sein.

Was hat aber nun der Besuch von Maischberger in Erfurt gebracht? Die Auswahl der Erfurter, die ihre Fragen gestellt haben, war gar nicht falsch. Die Rolle von Maischberger sicher auch.

Wünschenswert wäre beim nächsten Durchgang ein kurzer Hinweis, wie die Fragen im Vorfeld eingesammelt werden. Ein positiver Eindruck bleibt aber: Diese Ostdeutschen sind ein interessiertes und vielfältig ausgerichtetes Publikum. Immerhin das wurde hier nicht völlig öffentlich-rechtlich unterdrückt.

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