Tichys Einblick
Ähnlich oder gleich Empfinder?

Die Fakten-Nichtfinder der ARD

Linken-Konferenz: Journalisten der ARD waren in Kassel dabei, filmten, führten Interviews, die „Tagesschau“ sendete einen langen, aber völlig unkritischen Bericht.

Screenprint: ARD/tagesschau

Die „Strategiekonferenz“ der Linkspartei in Kassel gerät für die Linken zum Image-Desaster. Zu krass fielen die Redebeiträge dort aus, von der Fantasie, „det eine Prozent Reiche (zu) erschießen“ über das Gejuxe von Parteichef Bernd Riexinger, Gegner nicht zu erschießen, sondern der Zwangsarbeit zuzuführen, bis zur Stakkato-Rede eines Genossen, der seine Verachtung für den Parlamentarismus deutlich machte: „Staatsknete abgreifen, Informationen abgreifen und der Bewegung zuspielen“, das sei die Aufgabe der linken Parlamentarier – und ansonsten „den parlamentarischen Betrieb schwächen“.

Die linksextremistische Gesinnung, die in Kassel offensichtlich wurde, führte sogar zu einer Bundestagsdebatte am Freitag.

Bei der Konferenz handelte es sich allerdings um kein Geheimtreffen. Journalisten der ARD waren in Kassel dabei, filmten, führten Interviews, die „Tagesschau“ sendete einen langen, aber völlig unkritischen Bericht.

Von den linksextremen Ausfällen erfuhren die Zuschauer allerdings kein Wort – obwohl den Journalisten die Redebeiträge kaum entgangen seien konnten. Stattdessen lieferte das Gebühren-TV ein Muster an Framing. Mit der Binse, Strategiekonferenz habe der „inhaltlichen Ausrichtung“ der Partei gedient, leitete der Nachrichtensprecher das Stück ein. Es sei um die „Gretchenfrage“ gegangen: „Wie hältst du’s mit dem Regieren?“ Der gesamte Beitrag beschreibt die Linkspartei als moderate Kraft, die jetzt Verantwortung übernehmen wolle. Ins Bild rückt die Chefin der Thüringer Linkspartei Susanne Hennig-Wellsow, die verkündet, die Wähler würden nicht jahrzehntelang Opposition wählen, sie wollten, dass die Linke regiere.

Berliner „Linke“-Funktionärin
„…wenn wir det ein Prozent der Reichen erschossen haben …“
Mit welchen Inhalten? Davon erfuhren die Tagesschau-Zuschauer nichts. Da die ARD offenbar doch mitbekommen hatte, worüber und wie in Kassel tatsächlich geredet wurde, berichtete sie gewissermaßen um den dort offenbarten Extremismus herum. Die „Vorwürfe der politischen Gegner“, die Partei vertrete immer noch linksaußen-Positionen, kommentierte eine Sprecherin aus dem Off, sei „in Kassel kein Thema“. Zum Beweis der Harmlosigkeit darf eine 27jährige junge Linkspartei-Genossin vor die Kamera, um zu sagen: „Ich bin zwei Jahre nach der Wende in Westberlin geboren worden, und ich glaube nicht, dass ich von der SED negativ beeinflusst worden bin in meinem Demokratieverständnis.“

Worin ihr Demokratieverständnis besteht, dazu gibt es keine Nachfrage. Stattdessen setzt die Kommentatorin aus dem Off wieder im triumphierenden Ton ein: Die Partei sei „westlicher und jünger“ geworden, als wären „westlich und jung“ politische Inhalte. Von einem Werbetrailer der Linkspartei lässt sich der Beitrag spätestens ab diesem Punkt kaum mehr unterscheiden.

Eine Stellungnahme zu dem Propaganda-statt-Nachrichten-Beitrag gibt es von der Tagesschau-Redaktion bisher nicht. Die „Faktenfinder“ der Redaktion waren offenbar auch anderweitig beschäftigt.

Das gleiche übrigens im ZDF:

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