Wirtschaft besteht zu mindestens 50 Prozent aus Psychologie, wusste schon Ludwig Erhard, der legendäre ordoliberale Wirtschaftsminister der Fünfziger Jahre. Wie der Erregungszyklus in der Just-in-Time-Kommunikation des Netzzeitalters funktioniert, lässt sich am Umgang mit dem Krankheitserreger SARS-CoV-2 anschaulich belegen.
Im Epizentrum China wurde er zunächst verharmlost und ist dann durch drastische Maßnahmen der Regierung weltweit in den Fokus geraten. Inzwischen grassiert selbst in einem Land wie Deutschland eine Hysterie, als ob Hunderttausende Menschen akut lebensbedroht sind. Hamsterkäufe werden fast überall dokumentiert, leere Regale im Netz gepostet, rare Atemschutzmasken für horrende Preise angeboten. Die Absage von Großveranstaltungen schürt die Angst zusätzlich. Immer mehr Leute verweigern den Handschlag. Dabei sind bisher wenige hundert Menschen in Deutschland als infiziert registriert. Dass bei der letzten größeren Influenza-Epidemie vor drei Jahren nachweislich mehr als 330.000 Menschen an der Grippe erkrankt waren und bundesweit über 1.600 Tote registriert wurden, mindert die Hysterie nicht, obwohl sie doch objektiv die Gefährdungslage relativieren müsste.
Egal: Die Panik ist da und mit ihr sind bereits heute ökonomische Kollateralschäden so sicher wie das Amen in der Kirche. Und wo die wirtschaftliche Entwicklung in Gefahr gesehen wird, da sind dann gleich die vermeintlich bewährten Helfer zur Stelle. Die amerikanische Notenbank preschte am Dienstag vor und senkte überraschend deutlich den Leitzins um ein halbes Prozent. Sie will die Konjunktur stützen, indem sie Kredite noch billiger macht, als ob wegen des Virus stillgelegte Produktionsstätten, denen Vorprodukte aus China oder Südkorea fehlen, mit Geld wieder zum Laufen gebracht werden könnten. Die Europäische Zentralbank wird dem US-Vorbild mit einiger Wahrscheinlichkeit rasch folgen, auch wenn der Zinssenkungsspielraum hier bei einem Leitzins von null Prozent nicht groß ist. Aber die EZB kann den Einlagezins für Banken weiter ins Minus treiben oder ihr Anleihenkaufprogramm ausweiten. Hauptsache, die Illusion wird genährt, dass man mit billigem Geld die Wirtschaft wieder flott macht.
Dass die private wie öffentliche Verschuldung global seit der Finanzkrise geradezu explodiert ist, schert auch kaum mehr jemanden. Ganz im Gegenteil: Die Neo-Keynesianer scheinen sich immer stärker durchzusetzen. Statt einer soliden und regelbasierten Finanzpolitik, wie sie der Internationale Währungsfonds (IWF) noch 2009 als Lehre aus der Finanzkrise für geboten gehalten hat, reden heute immer mehr Ökonomen und Politiker einer exzessiven Fiskalpolitik das Wort. Der IWF gehört längst dazu, aber auch EZB-Chefin Christine Lagarde. Linke, grüne und SPD-Politiker im Land überbieten sich mit Forderungen nach milliardenschweren Investitionsprogrammen. Dass sie im programmatischen Begleitgepäck aber vor allem teure neue Sozialleistungen versprechen, die sie liebend gern auch mit Krediten finanzieren würden, unterschlagen sie. Wenn die Zinsen schon so günstig sind, dann seien schuldenfinanzierte Investitionen das Gebot der Stunde. Dass die Niedrigzinspolitik aber die implizite Verschuldung vieler Altersversorgungssysteme massiv erhöht, steht auf einem anderen Blatt. Pensionskassen etwa geraten unter Druck, je länger der Zinseszinseffekt ausfällt, der über lange Ansparphasen die Rendite sichert. Der kleine Sparer leidet, während Vermögende sich in renditestarken Anlagenklassen tummeln.