Kaum jemand bemerkte hierzulande im aktuellen Schlagzeilensturm die monumentale Peinlichkeit für Deutschland: In der Schweiz begann gerade ein neues Zeitalter für die Eisenbahn. Dort wurde in der Nacht zum 1. März der Cenerie-Basistunnel in Betrieb genommen. Die beiden neuen Stellwerke der Strecke wurden eingeschaltet, und eine siebenmonatige Testphase beginnt. Währenddessen fallen in Deutschland immer öfter Stellwerke mit katastrophalen Folge für den Bahnbetrieb aus. Häufig genug übrigens streiken Relais von Siemens.
Die beiden einspurigen Röhren des Cenerie-Basistunnels führen durch den Kanton Tessin und schließen das letzte Teilstück der sogenannten NEAT, der Neuen Eisenbahn-Alpentransversale. Dieses Jahrhundertbauwerk verbindet Zürich und Mailand mit einer durchgehend flachen Eisenbahnstrecke. Vor allem schwere Güterzüge müssen nicht mehr große Höhenunterschiede über die Alpen überwinden, sondern können energie- und zeitsparend relativ flach am Grund der Alpen fahren. Die höchste Stelle der gesamten Strecke befindet sich 550 Meter über dem Meer. Damit soll auch ein 2500 Kilometer langer Eisenbahn-Korridor von der Nordsee bis nach Genua entstehen. Ein wichtige Voraussetzung für mehr Gütertransporte aus der Bahn.
Zur vereinbarten Zeit und in Rekordzeit hat die Schweiz drei lange Eisenbahntunnel neu durch den Fels getrieben. Darunter mit 16 Kilometer Länge der Gotthardtunnel am Fuße des Gotthardmassivs – im Juni vor vier Jahren ebenfalls pünktlich feierlich eröffnet. Schneller sind nur noch die Chinesen. Die Schweizer luden Bundeskanzlerin Merkel tatsächlich zur Eröffnungsfeier ein. Sie beschwor damals so wortmächtig, wie es ihr möglich war, die Symbolkraft des weltlängsten Tunnels und wünschte sich, dass »Europa das Verbindende« zu nutzen wissen.
Doch Endstation für Züge ist dann an der Grenze zu Deutschland. Denn noch immer nicht gelang es, die anschließende Rheintalstrecke auszubauen. 180 km lang soll sie von Basel nach Mannheim und Frankfurt führen, nicht durch extrem schwieriges gebirgiges Gelände, nein, durch das vollkommen flache Tal des Oberrheins. Die geplante Strecke führt zudem noch durch grüne Hochburgen, wo man meinen sollte, jeder neue Kilometer Eisenbahnstrecke würde enthusiastisch begrüßt.
Weit gefehlt.
Die Streckenplanung wurde immer wieder durch Einsprüche unterbrochen. Schließlich stürzte vor zweieinhalb Jahren beim Bau ein Tunnel bei Rastatt ein und blockierte die wichtigste Nord-Süd-Verbindung im europäischen Streckennetz. TE berichtete.
Der ist bis heute Grab für eine sündhaft teure Tunnelbohrmaschine, die bei der Reparatur der Havarie einbetoniert wurde. Ab April in diesem Jahr soll weitergebaut werden, falls alles gut geht. Aus Stuttgart schauen ein grüner Ministerpräsident Kretschmann und sein grüner Verkehrsminister Herrmann zu, die sonst nicht schnell genug Städte für den Verkehr sperren wollen und ansonsten »Güter auf die Bahn« rufen.
»Deutschlands hoffnungslose Verspätung ist nicht bloß peinlich für ein Land, das sich gern als Lokomotive Europas sieht. Es ist auch ein eklatanter Wortbruch gegenüber der Schweiz und Europa.« So schimpft die NZZ und weist auf die Verpflichtung Deutschlands hin, die Eisenbahnstrecken als Zubringer zur Alpentransversale auszubauen. Die wurde 1996 im Vertrag von Lugano festgeschrieben.
Jetzt bleiben der Schweiz sehr hohe Kosten, hat sie doch sehr teure Tunnelstrecken gebaut und damit hohe Vorleistungen im Sinne eines Güterverkehrs quer durch Europa erbracht. Die Strecken aber können nicht genutzt werden, weil auf deutscher Seite das Streckennetz nicht mit der verabredeten Kapazität zur Verfügung steht. Die Schweiz hat offenbar die Nase voll und will den Anschluss über Frankreich vorantreiben.
»Selbstverpflichtungen« scheinen nur im Hinblick auf die CO2 Verminderung und Deindustrialisierung Deutschlands zu klappen. Wenn es um die Praxis geht, herrscht totales Versagen.
Auch beim Brenner Basistunnel hinkt Deutschland weit hinter Österreich her. Zwischen grünen Sprüchen der Bundesregierung und Taten klaffen Welten.