Welches Regierungsoberhaupt eines demokratischen Staates könnte von sich behaupten, nach kapitalen wie folgenreichen Fehlern überhaupt noch eine zweite Chance bekommen zu haben?
Die deutsche Bundeskanzlerin hätte jetzt die Chance, es besser zu machen. Denn erneut machen sich hunderttausende Migranten auf den Weg Richtung Europa und nach Deutschland. Viele drängen schon aus dem türkischen Hinterland jenen Zehntausend nach, die auf Geheiß des türkischen Präsidenten mit Bussen geschickt wurden und die bereits danach trachten, die Grenze in die EU zu überwinden – komme, was da wolle. Die sich auf den Weg gemacht haben, nachdem Erdogan die Ausreise der sich in der Türkei aufhaltenden Flüchtlinge und Migranten quasi genehmigt und damit den Türkei-Deal mindestens vorübergehend ausgesetzt hat.
Angela Merkel hatte Ende 2016 auf dem CDU-Parteitag zunächst auch eine neue restaurative Marschrichtung vorgegeben: „Eine Situation wie im Sommer 2015 darf sich nicht wiederholen.“
Aber was meinte sie damit rückblickend tatsächlich, bedenkt man die im Anschluss daran bzw. bereits in die Wege geleitete intensive deutsche Mitarbeit an den UN-Migrationsplänen, beispielsweise die faktische Verweigerung von Abschiebungen, also die Aussetzung der Durchsetzung des Rechts, bzw. die Einführung eines Einwanderungsgesetzes, das ungeachtet der bestehenden Problematik ein Signal zum falschesten Zeitpunkt als ultimative Provokation ihrer Kritiker darstellt, die sogar bis ins Weiße Haus zielt, wenn Merkel hier ihre Arme ausgebreitet hat für die von Donald Trump so verschmähten Mexikaner, die jetzt in Deutschland zusammen mit Leuten aus den Philippinen die Altenpflege übernehmen sollen.
Erdogan öffnet die Grenzen, die er laut Türkei-Deal geschlossen halten sollte. Dafür gab die EU viele Milliarden für die Versorgung der Millionen Menschen in der Türkei, teils Geflüchtete, teils Migranten auf Zwischenstation aus Ländern wie Afghanistan, Somalia, Iran und Irak. Und während Erdogan als Kriegspartei gegen Assad und auf Seiten radikaler Islamisten schon ganz neue Flüchtlingswellen provoziert, duckt sich die Bundeskanzlerin einfach weg und verpasst diese Großchance, zu erledigen, was doch ihre erste Aufgabe ist: Schaden von der deutschen Bevölkerung abzuwenden. Also endlich einmal jene Weltpolitik zu machen, die auftragsgemäß zunächst Germany First heißen müsste – anschließend darf ja gerne verteilt werden, was noch in der großen bunten Tüte der wirtschaftlich immer noch so erfolgreichen Nation steckt.
Heute wissen wir es besser: Als Merkel Ende 2016 sagte, „eine Situation wie im Sommer 2015 darf sich nicht wiederholen“, meinte sie nicht einmal ernsthaft, dass die Massenzuwanderung geregelter und unauffälliger passieren muss. Es war für sie nur eine billige Worthülse, die 2020 offensichtlich keinerlei Bedeutung mehr für die Politik der Bundeskanzlerin hat.
Keine Ansprache an die Nation in Zeiten der neuerlich sich anbahnenden Großkrise, nichts.
Die nächste Massenzuwanderung in noch kürzerer Zeit mit also noch viel größeren Verheerungen in der Versorgungsbürokratie, der Asylantragsbewältigung, der Sicherheit der Bürger, für die Funktionalität des Systems an sich, die nächste Massenzwanderung ist bereits angestoßen, die maximale Dringlichkeit politischen Handelns unbestreitbar und die deutsche Bundeskanzlerin ist abwesend.
Deutschland ist das Ziel all dieser vornehmlich jungen muslimischen Männer und Deutschland ist derzeit führungslos. Absichtsvoll?
Bisher ist davon nichts zu vernehmen – dafür kommt von der Bundeskanzlerin ein Video über Hass und Rassismus. Der Kontrast gegenüber dem österreichischen Bundeskanzler könnte größer nicht sein:
Es passiert tatsächlich: Der kleinere Nachbar der Deutschen scheint fast so etwas wie Mitleid mit dem kopflosen deutschen Volk zu haben, dem seine Führung abhanden gekommen ist. Sebastian Kurz bieten persönlich die personelle Unterstützung Österreichs bei der Grenzsicherung Europas an. Zusätzlich verspricht er, die österreichischen Grenzen weiter zu sichern. Angela Merkel bleibt derweil verschollen.
Die Internetseite der Bundeskanzlerin präsentiert folgende Themen in der Reihenfolge ihres aktuellsten Erscheinens:
• Video-Podcast: „Deutschland ist ein Land der Vielfalt“
• Deutschland soll noch innovativer werden
• Besuch im Kanzleramt: Unterstützung für den Sudan
Deutschland in Person der Bundeskanzlerin meldet sich genau in jenem Moment ab, wo die Führung dieses Landes alles in die Waagschale werfen müsste, die nächste große Zuwanderungswelle irgendwie noch zu stoppen.
Es geht kaum mehr Anti-EU, wenn ein Schutz der Außengrenzen einfach verweigert wird. Währenddessen beklagt Gerald Knaus (Leiter eines privaten Think-Tanks) im Deutschlandradio (jener Knaus, der Angela Merkel die Blaupause für deren Türkei-Deal lieferte), das an der türkisch-griechischen Außengrenze der EU das EU-Recht gebrochen werden würde, weil die Migranten keine Asylanträge in der EU stellen dürften.
Ja, so wird es gemacht: Ausgerechnet der Rechtsbruch, der den nächsten noch gravierenderen erst möglich gemacht hat, wird nicht mehr thematisiert, wird wie eine Naturkatastrophe unter den Tisch fallen gelassen.
Denn was wäre denn, wenn den gegen die EU-Grenzen drängenden Migranten klar würde, dass es nicht in die Sozialsysteme der nordeuropäischen Ländern allen voran Deutschland gehen kann? Der Strom würde so schnell abbrechen, wie er begonnen hatte. Die EU würde neben der UN dafür Sorge tragen müssen, dass die Migranten so lange versorgt sind in Flüchtlingslagern, bis der syrische Konflikt beendet ist, nicht mehr und nicht weniger.
Angela Merkel scheint das alles völlig gleich. Sie bleibt und bleibt weiter im Amt, aber wird nicht mehr gesehen. Währenddessen sich ein paar Herren um ihre Nachfolge balgen. Aber um was für ein Land zu übernehmen und um dann was bitte zu tun?
Oder ist am Ende alles doch weniger schlimm und nur eine erfolgreiche Desinformationskampagne der Türkei womöglich sogar in Absprache mit Angela Merkel, um vor der EU- und deutschen Bevölkerung zu rechtfertigen, dass die Türken jetzt offizielle EU- und NATO-Unterstützung kriegen bei ihrem völkerrechtwidrigen Krieg gegen Syrien?
Aber so ganz untätig ist sie dann doch nicht. Es heißt aus dem Kanzleramt, sie bereite gerade den nächsten Integrationsgipfel vor. Und dieses Mal soll auch der einstmals rebellische Bundesinnenminister dabei sein, der sich beim letzten Mal noch verweigert hatte, weil Merkel die falschen Protagonisten dazu geladen hatte. Nun scheint für Horst Seehofer wieder alles in Butter, ohne dass sich freilich an der Einladungspolitik der Kanzlerin irgendetwas geändert hätte.