Es gibt einen Satz, der angesichts der Coronavirus-Epidemie in Norditalien an Aktualität gewonnen hat. Er stammt aus dem Kultfilm „Die große Schlacht des Don Camillo“, der auf den Geschichten Giovannino Guareschis basiert. Guareschi war ein Kind der Po-Ebene, genauer aus der Provinz Parma, die nur unweit der heute betroffenen „roten Zone“ liegt. In dieser kleinen Welt, durch welche sich der Fluss Po drängt, leben auch seine berühmtesten Figuren. In einer Anekdote müssen der katholische Dorfpfarrer und der kommunistische Bürgermeister ihre Rivalitäten begraben, um einen versteckten deutschen Panzer untauglich zu machen. Als Don Camillo feststellt, dass den Panzer kein Wehrmachtskreuz, sondern ein amerikanischer Stern ziert, wiegelt Peppone ab: „Hochwürden, Italien ist ein Hafen am Meer, es kommt und geht – wer soll da wissen, wer da kommt und geht. Und alle sprechen sie ausländisch!“
Weltweiter Handel, transkontinentaler Tourismus und Massenmigration haben Italiens Status bis heute nicht geändert. Und der italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte beharrt angesichts des Notstands auf die Vernetzung der achtgrößten Volkswirtschaft der Welt: „Italien ist ein sicheres Land, das man bereisen und touristisch besuchen kann, es gibt nur sehr wenige Gebiete mit Beschränkungen; womöglich ist es ein Land, das sicherer ist als viele andere.“ Beschränkungen und Quarantänen, wie sie mittlerweile gegen Rückkehrer aus den Krisenregionen Lombardei und Venetien verhängt wurden, seien „nicht gerechtfertigt“. Kuwait hat alle Flüge von und nach Italien gestrichen, Bulgarien hat dasselbe für die Flüge nach Mailand getan; Prag hat Sonderuntersuchungen für Reisende aus Italien angeordnet, das Vereinigte Königreich rät im selben Fall zu einer vierzehntägigen „Selbstisolation“.
In der Millionenmetropole leeren sich jetzt bereits die Straßen und mehren sich die Atemschutzmasken. Nicht nur in der direkten Umgebung, sondern auch aus der übrigen Lombardei gehen die Meldungen von Hamsterkäufen und leergeräumten Supermärkten um. Die Schulen sind in der gesamten Region geschlossen, die Theater, die Museen, die Kinos. Selbst die Messen abgesagt – oder werden ersatzweise auf Youtube übertragen, ähnlich wie in Venedig und Padua. Bars bleiben in den meisten Kommunen ab 18 Uhr geschlossen. Wie lange die Restaurants noch offenbleiben, ist eine unbeantwortete Frage. Fontanas Regierung prüft ein Dekret, das nicht nur die Schließung von öffentlichen Gebäuden, sondern auch Geschäften verfügen soll. Die eigens ins Leben gerufene Notfallnummer der Region ist ausgefallen aufgrund eines „Tsunamis“ an Fragen, wie es der Corriere della Sera nennt. Anrufer belasteten daraufhin die 112 bis an die Grenze des Kollapses.
Krankenhäuser und Sicherheitskräfte klagen derzeit über einen Engpass bei Atemschutzmasken. Die Produktion ist – ähnlich wie die Pharmaindustrie – nach Ostasien ausgelagert worden. Italien hat zusätzlich am Anfang der Wuhan-Grippe zwei Tonnen medizinischer Hilfspakete in die Volksrepublik geschickt. In Arezzo wurden bereits Mundschutzmasken aus der Radiologie gestohlen. Premier Conte sicherte zu, dass die italienischen Produktionsstätten von Atemmasken ab jetzt das eigene Land bevorzugen müssten. Man würde dafür „außergewöhnliche und sofortige“ Maßnahmen treffen. Ansonsten versuchte er zu beruhigen. Premier Conte nennt den Ausbruch der Epidemie einen „Notfall, den man bewältigen kann“. Auch auf mögliche wirtschaftliche Probleme werde man zeitnah reagieren. „Wir dürfen nicht dramatisieren, die Maßnahmen sind verhältnismäßig.“ In ein ähnliches Horn stieß Fontana. „Das Virus ist sehr aggressiv, was die Verbreitung angeht, aber nicht in seinen Konsequenzen. Es ist weniger als eine normale Grippe, sagen die Experten.“ Auch der WHO-Berater der italienischen Regierung, Walter Ricciardi, beschwichtigte: „Von 100 Leuten genesen 80 schnell, 15 haben ernste, aber behandelbare Probleme, 5 Personen sind besonders schwer betroffen und 3 Prozent sterben. Alle bisher Verstorbenen hatten bereits schwere Vorerkrankungen.“
Gesundheitsminister Roberto Speranza betonte zwar, dass das Coronavirus das ganze Land „geeint“ habe: „Es gibt eine maximale Zusammenarbeit zwischen allen Institutionen des Staates.“ Aber Fontana kritisierte bereits die römische Zentralregierung, die versuche, die Verantwortung auf die Regionen abzuwälzen. „Leider haben wir auf die Regierung gehört und sind still geblieben. Wir haben einen Monat früher mehr Kontrollen gefordert. Man hat uns als Rassisten und Panikmacher bezeichnet.“ Conte verwehrte sich gegen solche Vorwürfe, es sei keine Zeit für Streitereien. Tatsächlich soll Conte sogar Fontanas Parteikollegen, den Ex-Innenminister Matteo Salvini, kontaktiert haben, um diesen möglicherweise wieder in eine überparteiliche, „nationale Regierung“ einzubinden. Die Darstellungen über den Versuch gehen auseinander. Conte behauptet, Salvini sei nicht ans Telefon gegangen, weil er wegen des Regierungsbruchs im August 2019 beleidigt sei, und eine Entschuldigung verlange. Salvini dagegen behauptet, Conte habe die falsche Nummer gewählt – und fügte hinzu: „Conte und seine Minister sollen nicht mich um Verzeihung bitten, sondern 60 Millionen Italiener, die sie hätten verteidigen und schützen müssen. Conte soll sich entschuldigen und dann zurücktreten.“