Im Gefolge der BSE-Rinderseuche gründete Renate Künast (Grüne) 2002 das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) als unabhängige Einrichtung. Der damaligen Bundeslandwirtschaftsministerin ging es um nicht weniger, als die wissenschaftliche Beratung und Unterstützung der Bundesregierung in der Lebensmittelsicherheit. Also um ein veritables Instrument zum Schutz der Verbraucher.
Doch irgendetwas muss mit diesem unabhängigen Institut irgendwann passiert sein, vermutlich nimmt es „unabhängig” wörtlich, wenn seine Integrität seit geraumer Zeit von einer bestimmten Gruppe mit offensichtlich gleichen Zielen angezweifelt wird.
Martin Häusling, Mitglied des EU-Parlaments und Sprecher der Grünen für Agrarpolitik beispielsweise zweifelte Mitte letzen Jahres per Twitter die Unabhängigkeit des Institut an, indem er Korruption unterstellte als er fragte: „500 € von wem? Aus der Staatskasse oder von Bayer?“
Korruption ist ein massiver Vorwurf – also woher rühren diese grünen Versuche, das BfR auf dieses wirklich schlimme Weise zu diskreditieren?
Neben Häusling hatte auch der grüne Bundestagsabgeordnete Harald Ebner zuletzt das Qualitätssicherungssystem „Gute Laborpraxis“ (GLP) der bundeseigenen Risikobewerter offen in Frage gestellt. Ebner wollte wissen, was so ein System wert sei, wenn die GLP-Standards nicht hätten verhindern können, dass von ihm behauptete Fälschungen auftreten. Damit spielte er auf ein laufendes Verfahren gehen ein GLP-zertifiziertes Institut an. Diesem wurde u.a. unethische Tierversuche vorgeworfen.
Eine bundeseigene Zertifizierung soll also nach Ebner grundsätzlich wertlos sein, nur weil ein Labor die hohen Standards mutmaßlich verletzt haben soll. Der nicht einmal abgeschlossene Einzelfall diskreditiere nach Ebener das gesamte Zertifizierungssystem.
Aber es sind ja bei Weitem nicht nur die Grünen, die offensichtlich als Teil einer Interessengruppe oder als deren Vorreiter das unabhängige Institut – also den Staat selbst – diskreditieren wollen. Ein weiterer Player in diesem Reigen ist der Landwirtschaftsredakteur Jost Maurin den die taz folgende Schlagzeile titeln ließ: „Glyphosat-Behörde bestätigt Quelle, 24 Studien aus Fälscherlabor“. Was für ein Dreiklang diffamierender Begrifflichkeiten! Schlimmer kann man ja eine Behörde nicht diffamieren.
Hintergrund: Derzeit wird geprüft, inwieweit ein zertifiziertes Labor, das 24 Studien zu den besagten 900 Studien beigesteuert hatte, die GLP-Standards nicht eingehalten hat. Allerdings waren die in der Kritik stehenden Studien laut BfR nicht einmal relevant für das Gesamtgutachten zur Risikobewertung von Glyphosat. Dennoch versteht Jost Maurin diesen Fall als Gelegenheit und nimmt eine Vorverurteilung samt kriminalisierenden Begriffen wie „Fälscherlabor“ vor.
Für BfR-Päsident Hensel ein weiterer haltloser Plagiatsvorwurf. Schon deshalb, so schreibt er, weil selbstredend und sogar notwendiger Weise auch Passagen aus eingerechten Dokumenten in die entsprechenden Bewertungsberichte einfließen müssten.
Aber da war die diskreditierende Falschbehauptung bereits in der Welt. Jost Maurin holte als nächsten Zeugen für seine Anklage per Interview den Bio-Chemiker Helmut Burtscher-Schaden ins Boot, einen engagierten Umweltaktivisten der österreichischen Umweltorganisation Global 2000, welche gemeinsam mit anderen Verbänden Unterschriften für die EU-Bürgerinitiative gegen Glyphosat gesammelt hat. Maurin nennt den Aktivisten und Unterschriftensammler „Umweltschützer“. Und Burtscher-Schaden liefert gewissermaßen von Aktivist zu Aktivist gerne und reichhaltig Vorverurteilungen, die auf Prüfungen basieren, die er – Achtung! – zu dem Zeitpunkt aber noch gar nicht durchgeführt hatte, wie er im Interview mit Maurin auch noch freimütig eingesteht. Soviel Abgebrühtheit ist sogar heutzutage selten.
Und weil das alles so bequem funktioniert hat mit der Diffamierung, darf Aktivist Burtscher-Schaden auch im aktuellen Artikel von Maurin wieder auftreten und an die Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation erinnern, die Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft hatte.
Und hier folgt die nächste fahrlässige Auslassung, wenn er nicht erwähnt, dass im gleichen Zusammenhang zu heißer Tee, die Tätigkeit des Friseurberufs oder auch rotes Fleisch ebenfalls als „wahrscheinlich krebserregend“ genannt werden. So betrachtet kann diese Feststellung also keine ernstzunehmende Größe einer Entscheidungsfindung sein – nichtsdestotrotz wird sie aus Mangel an Alternativen immer wieder herangezogen. Wo es Aktivisten passt, wird alles genommen, Qualität egal.
Jetzt sollen laut Maurin und Mitstreitern bestätigte und zertifizierte (GLP-Siegel) Studien ganz wegfallen. Aber welche niedere Qualität wird dem Verbraucher dann warum zugemutet und was soll dabei am Ende herauskommen außer dass private Institute bzw. Nichtregierungsorganisationen (NGO) die Lücke dankbar füllen, wenn sie sich mutmaßlich mit ihrer politischen Haltung dafür qualifiziert haben?
Hier stand eingangs die Frage, was in letzten fast zwei Jahrzehnte mit diesem Institut passiert sein könnte angesichts der massiven Kritik auch aus der Ecke ihrer Gründer. Möglicherweise hat das BfR einfach seine Unabhängigkeit zu ernst genommen.