Eine zweite Welle der Unsicherheit erreichte die Märkte in der vergangenen Woche. Zuerst erschreckten die chinesischen Behörden die Weltöffentlichkeit mit der Nachricht eines sprunghaften Anstiegs der Corona-Fälle. Dann senkte die Internationale Energieagentur (IEA) ihre Prognose für die Ölnachfrage drastisch. Laut IEA soll der weltweite Bedarf in den ersten drei Monaten 2020 wegen des Virus spürbar sinken, es wäre der erste vierteljährliche Rückgang seit mehr als zehn Jahren. Die IEA registriert einen deutlich geringeren Ölverbrauch in China sowie eine Abkühlung der Konjunktur. Man sollte die weltweiten Folgen nicht unterschätzen. Anders als beim Ausbruch von SARS im Jahr 2003 ist der Anteil der Volksrepublik an der Weltwirtschaftsleistung stark gestiegen, Chinas Ökonomie zudem verwundbarer, weil weitaus stärker durch den Konsum denn durch Investitionen getrieben. An der Wall Street gingen Investoren nach der Rekordrally jedoch nur kurz in Deckung, in Frankfurt ebenso. Derzeit scheinen die Bullen immun gegen das Virus. Der Zolldeal zwischen den USA und China, die insgesamt robuste US-Bilanzsaison und der zinsbedingte Anlagenotstand treiben die Wall Street. Und der DAX markierte in deren Schlepptau ein neues Allzeithoch.
Die wichtigsten US-Aktienindizes schlossen auch am Freitag überwiegend moderat im Plus und bewegten sich damit weiter in der Nähe ihrer Höchststände. Händlern zufolge hoffen die Anleger weiterhin, dass die Mediziner und die verantwortlichen Behörden die Krise in den Griff bekommen. Ein Ende der Covid-19-Epidemie ist aber weiter nicht absehbar.
Der US-Leitindex Dow Jones Industrial ging 0,1 Prozent tiefer bei 29.398 Punkten ins Wochenende. Auf Wochensicht bedeutet dies ein Plus von 1,02 Prozent.
Der marktbreite S&P 500 legte am Freitag um 0,2 Prozent auf 3.380 Punkte zu. Für den Technologie-Index NASDAQ 100 ging es um 0,3 Prozent auf 9.624 Punkte nach oben.
Die jüngsten US-Konjunkturdaten wurden letztlich leicht positiv gewertet. So hat sich die Stimmung der Verbraucher im Februar unerwartet und spürbar verbessert. Die Industrie aber war überraschend schwach in das Jahr gestartet, belastet allerdings durch den Produktionsstopp des Boeing-Modells 737 Max.
An der Dow-Spitze knüpften die Aktien von Visa an ihren jüngsten Rekordlauf an und stiegen um etwas mehr als ein Prozent. Zwischenzeitlich hatten die Papiere des Kreditkartenkartenanbieters ein Rekordhoch erreicht. Schlusslicht waren die Anteilscheine des Computer-Urgesteins IBM mit einem Minus von gut zwei Prozent.
Einen Satz nach vorn hingegen machten die Papiere des Reiseportal-Betreibers Expedia. Mit Zuwächsen von rund elf Prozent zeigten die Anleger ihre Begeisterung für den Unternehmensausblick für starkes Gewinnwachstum im Jahr 2020. Damit setzten sich die Aktien an die Spitze des Nasdaq 100. In ihrem Kielwasser stiegen die Anteilscheine des Wettbewerbers Booking Holdings um 1,6 Prozent.
Der Grafik- und Chipsatz-Entwickler NVIDIA profitierte ebenfalls von guten Zahlen. Auch der Ausblick lag über den Markterwartungen und bescherte den Papieren ein Plus von rund sieben Prozent, was den zweiten Platz im Nasdaq 100 bedeutete. Diverse Analysten reagierten schnell mit höheren Kurszielen.
Unter den weiteren Einzelwerten fielen die Aktien des Bewertungsportals Yelp nach schwachen Ergebnissen im vierten Quartal um 3,5 Prozent, nachdem sie zwischenzeitlich sogar um mehr als zehn Prozent eingebrochen waren. Die Experten von Barclays und RBC hatten sich kritisch zu den Papieren geäußert.
Zuvor schon hatte sich der DAX 0,01 Prozent schwächer bei 13.744 Punkten ins Wochenende verabschiedet. Neue Höchststände erreichten dagegen MDAX und SDAX.
Als stärkster DAX-Wert ging MTU, gefolgt von Vonovia und RWE ins Wochenende. Die Aktien von Wirecard gaben 2,3 Prozent nach und lagen damit am DAX-Ende. Nach einem Gewinnsprung im vergangenen Jahr verspricht der Zahlungsdienstleister weitere Zuwächse und bestätigte seine Prognose. In der Vergangenheit hat Wirecard seine Gewinn- und Umsatzprognosen mehrfach im Jahr erhöht. Analysten schließen nicht aus, dass Wirecard auch im Laufe von 2020 optimistischer wird.
Die Automobilindustrie befindet sich im Umbruch. Der scheinbare Aufstieg Teslas, die Probleme deutscher Hersteller, aber auch immer mehr Fusionen in der Branche zeugen davon. So schließt sich nun die schwedische Marke Volvo mit dem Mutterkonzern Geely zusammen, wie vergangene Woche verkündet wurde. „Eine Kombination der beiden Hersteller führt zu einer starken globalen Gruppe“, preist Geely-Chef und Hauptaktionär Li Shufu den Deal an, der zudem die britische Marke Lotus, den Black-Cab-Taxihersteller LEVC, den malaysischen Produzenten Proton sowie das Start-up Lynk sein Eigen nennt. Und dann hält Shufu über Geely noch einen Zehnprozentanteil an Daimler. Der erste echte globale Autokonzern aus China soll zudem in Hongkong und Schweden an der Börse gelistet werden. Auch Analysten erkennen den betriebswirtschaftlichen Sinn hinter der angestrebten Zusammenarbeit, die den Profit der Gruppe verdoppeln könnte.
In der Filmbranche sind Zombies durchaus beliebt, lässt sich doch an der Kinokasse mit Untoten viel Geld einsammeln. In der Vermögensverwalterbranche hingegen sind Zombie-Fonds alles andere als begehrt. Denn gemeint sind damit Portfolios, die mangels Anlagevolumen über kurz oder lang geschlossen werden müssen. Laut Datendienstleister Broadridge stecken derzeit weltweit 1,2 Billionen Euro in solchen Zombie-Fonds fest. Hierzu zählen diejenigen Portfolios, die weniger als 100 Millionen Euro eingesammelt haben und damit nicht kostendeckend arbeiten können. Ergebnis: Fast zwei Drittel der neu auf den Markt gebrachten Fonds müssen am Ende schließen. Von dem Kostenproblem besonders betroffen sind europäische Produkte, die im Schnitt nur 254 Millionen Euro Vermögen verwalten. Schwergewichte sind dagegen US-Portfolios mit durchschnittlich 1,6 Milliarden Euro. Aber nicht nur Fondsgesellschaften hadern mit den Untotenfonds. Auch für Investoren sind die Zombies abschreckend. Denn je kleiner die Produkte sind, desto höher fallen die Kosten ins Gewicht, die wiederum die Rendite schmälern.
In der Regel strotzen Vermögensverwalter ja vor Optimismus. Anders jedoch Darren Williams, Director Global Economic Research beim Assetmanager AllianceBernstein (AB). Er warnt, dass „die Langzeittrends, die bisher das Wachstum begünstigt haben, sich ins Gegenteil verkehren“. Gleich vier strukturelle Entwicklungen, die in den vergangenen drei Jahrzehnten das Wachstum begünstigten, drehten sich nun um: Erstens sinke die Anzahl der Arbeitnehmer, der Welt drohe daher ein negativer Angebotsschock. Zweitens werde die hohe Verschuldung das Wachstum lähmen. Drittens schlügen die Arbeiter zurück, da das Kapital in Form von Unternehmensgewinnen überproportional profitiere, während Gehälter stagnierten und die Einkommens- und Wohlstandsschere ginge immer weiter auf. Und last but not least dominierten heute wieder nationale Interessen, die internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit und Integration gingen zurück. Williams plädiert als Gegenmaßnahme für eine stärkere Rolle der Fiskalpolitik.