Tichys Einblick
Türkische Schulen

Sorge vor parallelem Schulsystem

Die Türkei will in Frankfurt, Köln und Berlin türkische Auslandsschulen eröffnen. Ein Abkommen über die geplante Gründung türkischer Auslandsschulen in Deutschland liegt als Entwurf den Ländern vor, sein Inhalt ist noch nicht bekannt.

imago images / Becker&Bredel

Die Neo-Osmanisierung der Türkei unter Präsident Erdogan beinhaltet auch ein weitgehendes neo-osmanisches Bildungsprogramm, dessen Ziel die Einflussnahme auf junge, türkischstämmige Menschen auch im Ausland ist. Deshalb hat die Türkei bereits seit langem Schritte zur Umsetzung eines eigenen Schulsystems auch in Deutschland ergriffen.

Konflikt mit dem deutschen Schulrecht

Im April letzten Jahres wurde eine gemeinnützige Gesellschaft, eine Tochter der türkischen Maarif-Stiftung, in Köln gegründet und ins Handelsregister eingetragen. Diese Maarif-Foundation ist weltweit dafür zuständig, in der Diaspora die Bildungspolitik im Sinne der Erdogan-Partei AKP auszurichten. Seit dem gescheiterten Putsch gegen Erdogan 2016, für den ohne Beweise die Gülen-Bewegung verantwortlich gemacht wurde, versucht Erdogan, weltweit Schulen oder schulnahe Strukturen aus der Gülen-Bewegung die Lizenz zu entziehen, um diese unter die Kontrolle der AKP zu stellen.

In Deutschland dürfte dies zu einem Konflikt mit dem deutschen Schulrecht führen. Denn obwohl für alle Schulen in Deutschland deutsche Schulaufsicht gilt, wird es eine deutsche Schulaufsicht kaum wagen, gegen eine türkische Auslandsschule disziplinarisch vorzugehen und sie zu schließen, weil dies auch die drei deutschen Schulen in der Türkei treffen würde und die in Deutschland lebenden 3,5 Millionen Türken. Ein solcher Konflikt hätte sicher auch außenpolitische Implikationen.

Drei deutsche Auslandsschulen in der Türkei im Konflikt

Mit den drei deutschen Auslandsschulen in der Türkei, um die es schon seit Jahren vermehrte Konflikte, etwa um Weihnachtsfeiern, gibt, hat die Türkei enorme Druckmittel in dieser Frage in der Hand, die sie auch einsetzen wird, das hat die Vergangenheit immer wieder gezeigt. Der Sinn der deutschen Schulen in der Türkei, die während der deutsch-türkischen Freundschaft im Osmanenreich gegründet wurden, war zunächst die Schulbildung von den Kindern deutscher Fachkräfte und Militärangehöriger, die befristet in die Türkei entsendet worden waren.

Mit der Gastarbeiterzeit kamen dann die Kinder aus binationalen deutsch-türkischen Familien hinzu, die in die Türkei zurückgingen. Bei beiden Gruppen handelt es sich jedoch nicht um typische Auswanderer, wie bei den Türken in Deutschland, die bewusst aus wirtschaftlichen oder politischen Gründen ihrem Heimatland den Rücken gekehrt haben, und sich ein neues Land gesucht haben, in das sie sich integrieren wollen.

Das gerade will Erdogan verhindern, immer wieder trichtert er den türkischen Landsleuten bei Reden in Deutschland ein, sich nicht in ihre Gastländer zu integrieren, er möchte sie politisch zum eigenen Machterhalt instrumentalisieren. Das ist ihm bei den letzten Wahlen sogar gelungen, Erdogan konnte das Präsidialsystem in der Türkei nur einführen, weil er unter den Auslandstürken eine große Mehrheit hatte, nicht in der Türkei selbst. Auch die Zustimmung für Erdogans AKP ist in Deutschland größer als in der Türkei selber.

Auslandsschulen zeigen die Güte von Beziehungen an

Die türkischen Schulen in Deutschland werden den Keil zwischen der deutschen Mehrheitsgesellschaft und der türkischen Community in Deutschland noch vergrößern, befürchten viele Integrationsexperten. Sogar im Fußball, angeblich eine Freizeitveranstaltung, wird Erdogan immer präsenter und treibt immer mehr Keile zwischen türkischstämmige Fußballer und ihre Passnationen, siehe Özil und das militärische Grüßen bei der Stadionpräsentation der Spieler während der Syrien-Invasion.

Auch in den türkischen Ditib-Moscheen in Deutschland wird unter Erdogan immer mehr politische Indoktrination betrieben, wie sie dem religiös-politischen Konzept der Muslimbruderschaft entspricht, dem Erdogan sehr nahe steht. Es wurden in den letzten Jahren sogar einige Fälle bekannt, in denen Ditib-Imame ihre eigenen Gemeinden im Auftrag türkischer Behörden ausspioniert haben.

Bei der Invasion türkischer Truppen in Syrien wurden von diesen Imamen Gebete in den Moscheen abgehalten für den Sieg der türkischen Armee über ihre „Gegner“. Genauso wie unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit die Religion und Moscheen als religiöse Räume von Erdogan instrumentalisiert werden, könnte in Zukunft auch der Bildungsauftrag missbraucht werden, warnen Kritiker der neuen türkischen Schulen. Auslandsschulen sind auch Gradmesser der Beziehungen.

Kritik auch türkischstämmiger Bundestagsabgeordneter

Kritiker der geplanten türkischen Schulen hier in Deutschland finden sich in allen Parteien des Bundestages, vor allem auch unter den türkischstämmigen Bundestagsabgeordneten. Viele raten der Bundesregierung, Erdogans Antiintegrationskurs und seiner aggressiven nationalistischen Politik den Wind aus den Segeln zu nehmen und die türkische Sprache im deutschen Bildungssystem aufzuwerten, damit der Bedarf, den die türkische Regierung mit den eigenen Schulen zu bedienen vorgibt, innerhalb des bestehenden deutschen Schulsystems entsprechend abgedeckt wird.

Denn eigentlich fordert die Türkei legitimerweise türkische Schulen in Deutschland. Es gibt auch ungefähr 140 deutsche Auslandsschulen, verteilt über alle Kontinente. Dort können deutsche Schulabschlüsse erworben werden, die anerkannt sind. Die Schulen sind unabhängig, getragen von Schulvereinen, stark gefördert werden sie von der Bundesrepublik Deutschland und den Bundesländern. Deutsche Lehrer werden von einer Schulbehörde in Deutschland entsandt oder als Ortskräfte vor Ort ausgesucht.

Die Bundesrepublik betreibt auch in Istanbul, Ankara und Izmir deutsche Auslandsschulen – mit deutschen Lehrkräften und nach deutschem Lehrplan. Als es vor anderthalb Jahren Streit gab um die rechtliche Grundlage für die deutsche Schule in Izmir und diese damals auch vorübergehend geschlossen wurde, begann die Türkei, mit Deutschland über ein bilaterales Abkommen zu verhandeln, das auch drei türkische Schulen in Deutschland mit einschloss. Diese Verhandlungen sind jetzt abgeschlossen.

Trägerverein nach deutschem Recht als Schulträger

Da sich in den letzten Jahren die deutsch-türkischen Beziehungen rapide verschlechtert haben, ist auch das Vertrauensverhältnis abhandengekommen, das es früher einmal gab. Gerade dieses Vertrauensverhältnis ist jedoch die Grundlage für eine erfolgreiche Schulpolitik. Das einzige, was Deutschland von der Türkei verlangen kann, ist dass ein nach deutschem Recht funktionierender Trägerverein als Schulträger dieser Schulen in Erscheinung tritt, so ist es auch bei den deutschen Auslandsschulen weltweit. Auch die Ditib ist offiziell der Trägerverein der türkischen Moscheegemeinden in Deutschland.

Die Ditib hat sich jedoch, auch wenn er nach deutschem Recht ein Verein ist, als verlängerter Arm der türkischen Regierung und der dortigen Religionsbehörde entpuppt.

Mit Hilfe der Ditib pflegt die Türkei seit Jahrzehnten religiöse Gemeinden als türkische Exklaven in Deutschland. Erst vor wenigen Tagen hat die Ditib einen ersten zaghaften Versuch bekanntgeben, in einem Dorf in der Eifel eine deutschsprachige Imamausbildung anzubieten. Dies ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung, aber man muss noch abwarten, wie nachhaltig er ist.

Lage in der Türkei spricht gegen Schulgründung

Obwohl der Entwurf des deutsch-türkischen Schulabkommens der Öffentlichkeit noch nicht vorliegt, warnen im politischen Berlin bereits alle Parteien vor der Gründung türkischer Schulen in Deutschland, sofern diese Orte der Propaganda des Systems Erdogan werden. Die Union fürchtet sogar den Einstieg in ein „paralleles Schulsystem“ in Deutschland. Die besorgten Rufe aus Parteien und Bundesländern lassen vermuten, dass das Schulabkommen größere rechtliche und politische Probleme mit sich bringen wird.

Die Erfahrungen mit dem Partner Türkei sind in den letzten Jahren fast nur noch negativ. Erdogan ist nicht bereit, Abstriche an seinem fundamentalistisch-islamistischen Kurs zuzulassen. Unter ihm verstößt die Türkei permanent gegen die Prinzipien der Meinungs- und Pressefreiheit und auch Rechtstaatlichkeit. Tausende kritischer Journalisten und Regimegegner sind inhaftiert oder haben inzwischen das Land verlassen. Dieser Türkei sollte man die Gründung eigener Schulen in Deutschland nicht erlauben.


Der Beitrag von Bodo Bost ist zuerst bei Die Tagespost erschienen.

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