Tichys Einblick
"Tabubruch in Thüringen"

Bei Illner: Das Kind ist nun im Thüringer Brunnen

Gestern stand noch der neue Ministerpräsident von Thüringen als Illner-Gast auf dem Programm, aber Thomas Kemmerich war rechtzeitig von seinem obersten Parteichef abgefangen worden. Auch Lindner kam nicht zu Illner, er sah schon den ganzen Tag über nicht gut zurecht aus.

Screenprint: ZDF/Maybrit Illner

Der Thüringer CDU-Chef Mike Mohring saß ebenfalls nicht in der Runde und natürlich nicht der Beelzebub persönlich, Björn Höcke. Das Fehlen dieser Drei – Höcke, Mohring und Kemmerich – ist deshalb schade, weil nur sie die Verschwörungstheorien der Linken widerlegen könnten. Denn nach wie vor stehen nur zwei Möglichkeiten im Raum: Haben sich CDU, FDP und AfD abgesprochen, den FDPler Kemmerich zum Ministerpräsidenten zu wählen, oder waren CDU und FDP zu dumm, um die AfD zu durchschauen?

Als Ministerpräsidenten-Ersatz trat der sächsische Nachbar und Glücksritter Michael Kretschmer auf, der trotz 7% Wählerstimmenverlust (AfD plus 17,8%) sächsischer Ministerpräsident bleiben durfte. Im Gegenzug bekam Sachsen eine musikalische grüne Justizministerin („Advent, Advent, ein Bulle brennt“), die nun auch für die (richtige) Demokratie zuständig ist, und die SPD darf auch mitspielen. Trotz seiner Stimmenverluste wird Kretschmer in der Sachsen-Presse übrigens als Kümmerer gefeiert (er kümmerte sich darum, dass seine Lebensgefährtin Annett einen extra geschaffenen Referatsleiterposten bekam).

Der Parteienstaat entblößt sich
Thüringen – ein schwarzer Tag für die Parlamentarische Demokratie
Statt des Chefs vertrat Linda Teuteberg die Lindnerpartei, und sie hatte allerlei Sprüchlein parat vom „Kandidaten der Mitte“ und dass „das hätte zu Ende gedacht werden müssen“. Zu den linken und rechten Rändern fiel der Liberalen nur ein, dass man die SED nicht mit der AfD gleichsetzen könne. Sprich die Linkspartei ist schon ähnlich harmlos wie die SPD und die Grünen – womit sie nicht ganz unrecht hat, aber sie wird wohl nie begreifen warum (die Drei-Etiketten-Theorie).

Als lupenreine Demokraten traten dann auf: Kinderbuchautor Habeck (Grüne) und aus dem Hessischen Janine Wissler (SED). Letztere irrlichterte von
von KZs zu NS-Morden zur AfD und sogar zur CDU, sie lobte den roten Mob, den ihre Partei, SPD und Grüne auf die Straßen Erfurts und Berlins gebracht hätten, und auch die Presse für deren tadellose Haltung („großes öffentliches Entsetzen“) wegen der Abwahl des Vorsitzenden Bodo. Besonders hübsch, dass ausgerechnet Janine die „Demokratie beschädigt sieht“, noch wird die wohl von der SED gebraucht.

Alexander Gauland sparte sich jeglichen Triumph über die kopflosen Musterdemokraten von Berlin bis München, die Wahlergebnisse rückgängig machen wollen. Er goß nur ganz wenig Öl ins Feuer, indem er seine alte Theorie von der bürgerlichen Mitte hervorholte, die eben doch Mehrheiten zustande brächte im Gegensatz zu den „Wir-sind-mehr“-Rufern. Das brachte dann Kretschmer auf die Palme: Die AfD sei nicht bürgerlich, sondern „reaktionär und faschistoid“, zwei Begriffe, die definitiv nicht aus dem CDU-Sprachschatz stammen. Den ersten verwendeten die Nazis gern gegen ihre Gegner, den zweiten die Roten. Vielleicht sollte Annegret KK mal eine Parteischulung mit M.K. durchführen. Illner verwechselte Kretschmer ständig mit Mohring, dem Unglücksvogel der CDU-Thüringen, aber da kann man ihr keinen Vorwurf machen.

Merkels Fehlkalkulation
Die Spaltung der CDU schreitet weiter voran
Gauland ärgerte Kretschmer dann noch ein wenig, als er ihm erzählte, dass es sehr viele Parteimitglieder an der Basis von CDU und FDP gebe, „die mit uns wollen“. Lob bekam Kretschmer dann von Habeck, weil der seine Parteifreunde in die sächsische Regierung geholt hätte. Das nannte Habeck Führungsstärke. Ansonsten sagte Habeck dasselbe, was die aggressive Janine so wisselte, nur sanfter. Viel sanfter.

Dagmar Rosenfeld, Chefin der ganz früher mal konservativen WELT, sieht in der Annahme der Wahl durch Kemmerich „einen Pakt mit der AfD geschlossen“. Politik sei halt „was für Profis“, aber mehr wollte sie die Partei ihres Ex Lindner heute nicht beschädigen. Dafür soll ganz bald eine enthüllende Geschichte erscheinen. Wenn sie die Story meint, wonach Lindner Kemmerich grünes Licht für seine Wahl zum MP, wenn nötig auch mit AfD-Stimmen, gegeben hat – die steht allerdings schon in BILD und Business Insider.

Rosenfeld legte vor Illner das Glaubensbekenntnis ab (Höcke: völkisch, national, antisemitisch) und forderte den nicht anwesenden Mohring auf, seiner Arbeitslosigkeit (und der vieler seiner Parteifreunde) zuzustimmen – sprich Neuwahlen. Gauland legte Wert darauf, „dass wir keine Faschisten sind“, aber in der Runde blieb es stehen, was hat er sich gedacht?

Kretschmer wies darauf hin, dass eine Neuwahl-Entscheidung von den Thüringer Abgeordneten und nicht den Parteizentralen getroffen werden müsse. So steht es sogar im Gesetz, aber daran hält sich niemand. Ein Grund, mal Habeck zuzustimmen – der erkannte, dass das „Vertrauen in den Staat, seine Institutionen und Parteien erodiert“ – allerdings aus anderen Gründen.

Rosenfeld flocht Habeck dann noch einen Kranz als baldiger Kanzler, und der säuselte sich danach sanft und vorgeblich staatstragend bis zur letzten Sendeminute durch. Aber die wahre Show hat gerade erst begonnen. Gute Nacht.

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