„Heute Abend ist der Anfang – der Anfang vom Ende Donald Trumps“, rief Senator Bernie Sanders, 78, vor seinen Anhängern in Iowa begeistert ins Mikrofon. Die Abstimmung über den Kandidat der Demokraten im dünn besiedelten Iowa mit seinen 3,15 Millionen Einwohnern markiert tatsächlich den Beginn der Vorwahl-Serie, an deren Ende der Kandidat der Demokraten gegen Trump feststehen sollte. Wie es aussieht, ging aber dieser Anfang in so spektakulärer Weise schief, dass die Kampagne der Demokraten gegen Trump ab jetzt mit einem gewaltigen Makel belastet ist. Denn die Partei kann bis jetzt noch nicht einmal sagen, wer als Sieger aus der Vorwahl von Iowa hervorgegangen ist. Alle großen US-Medien und die gesamte politische Klasse der USA schauten am Dienstag auf die Funktionäre der Demokraten in dem kleinen Bundesstaat. Die können bis jetzt nur mit den Schultern zucken und um Geduld bitten. Es gebe Probleme mit der Auszählung, teilten sie mit, und deshalb noch kein Resultat. Ein Partei-Offizieller versicherte, eine Manipulation scheide aus: „Das ist eine Frage der Berichte, kein Hack.“
Die – offene – Frage nach dem Sieger ist deshalb so wichtig, weil nach den Umfragen in Iowa zwei sehr unterschiedliche Kandidaten gleichauf lagen: Ex-Vizepräsident Joe Biden, 77, ein gemäßigter Demokrat, und Senator Sanders, der sich selbst als „demokratischer Sozialist“ sieht und für die Radikalisierung der Demokraten nach links außen steht. Beide rangierten bei etwa 25 Prozent. Gleich dahinter folgte der junge, der Parteimitte zugerechnete Kandidat Pete Buttigieg, 38.
Wer in Iowa gewinnt, der besitzt bei den nächsten Vorwahlen in New Hampshire das „Momentum“, den kleinen psychologischen Vorsprung. Gegen den weit links plazierten Sanders – sollte er sich durchsetzen – hätte Donald Trump beste Chancen. Zwar findet der Senator mit seinen sozialistischen Ideen vor allem unter jungen Demokraten begeisterte Unterstützer. Aber er würde viele Wähler der Mitte zu Trump treiben. Auch Biden gilt nach der Affäre seines Sohns Hunter als angeschlagen: Es hält sich der Verdacht, dass Joe Biden ihm als Vizepräsident unter Obama den Weg zu lukrativen geschäftlichen Engagements in der Ukraine und in China gebahnt hatte. Pete Buttigieg wirkt auf viele zu jung und unerfahren. Vor keinem muss sich Trump sonderlich fürchten, auch nicht vor Bewerbern wie der Demokratin Elisabeth Warren.
Vor allem aber kann sich der Präsident seit heute zurücklehnen und das Schauspiel genießen. Dass die Demokraten schon dabei scheitern, die Vorwahlen in einem kleinen Bundesstaat zu organisieren, muss er noch nicht einmal besonders kommentieren.
Dabei funktioniert das Vorauswahlverfahren in Nachbarschaftsversammlungen, so genannten Caucuses, eigentlich denkbar einfach. Sie finden in öffentlichen Gebäuden statt; Mitglieder der Parteibasis und eingetragene Wähler. Demokraten nehmen bei den Veranstaltungen an jeweils einem Tisch Platz, der für einen Kandidaten steht. Dann zählt der Versammlungsleiter durch, wie viele Unterstützer sich für den jeweiligen Bewerbern gefunden haben, und reicht das Ergebnis an die Parteizentrale des Bundesstaats weiter. In Iowa passierte das in 1.678 Caucuses in 99 Landkreisen. Zu den meisten Versammlungen in dem ländlich geprägten Staat kommen nur wenige dutzend Leute. Normalerweise steht das gesamte Abstimmungsergebnis schnell fest. Dieses Mal hatte sich die demokratische Partei in Iowa allerdings etwas Besonderes ausgedacht: eine App, die helfen sollte, die Resultate schneller weiterzumelden als bisher. Etliche Versammlungsleiter konnten damit offenbar nicht richtig umgehen. Die Telefon-Hotline zum konventionellen Weitermelden der Ergebnisse brach zusammen. Unter den Anhängern der Demokraten machten deshalb schnell Gerüchte die Runde, das Partei-Establishment könnte manipulierend eingegriffen haben. Vor allem Sanders-Unterstützer glauben das. Unter ihnen hält sich bis heute auch die Überzeugung, Hillary Clinton hätte 2016 die Vorwahlen manipuliert, um Sanders damals aus dem Rennen zu werfen. „Sanders hätte Trump geschlagen“ – so lautet die Überzeugung vieler Anhänger des Senators.
In dem selbst angerichteten Schlamassel von Iowa ist es allerdings Joe Biden, der schon einmal andeutete, es könnte womöglich nicht mit rechten Dingen zugegangen sein. „Die Integrität des Prozesses ist kritisch, und es gibt Fehler im Berichtssystem heute Abend, die Anlass zu ernsthafter Besorgnis für die Wähler sind“, twitterte seine Sprecherin Kate Bedingfield.
Darin liegt die eigentlich toxische Folge des Iowa-Desasters: Egal, welches Ergebnis am Ende gemeldet wird – die Anhänger des knapp unterlegenen Kandidaten werden argwöhnen, dass daran gedreht wurde. Bis jetzt erklärten sich sowohl Sanders als auch Biden zum Sieger in Iowa.
Trumps Aussichten auf Wiederwahl stehen wegen der schwachen und konfusen Demokraten gut, aber vor allem wegen der robusten Wirtschaftsdaten. Seit Trumps Amtsantritt stieg der US-Aktienmarkt um 46 Prozent. Für eine Rezession gibt es keine Anzeichen. Ward McCarthy, Chefökonom von Jeffries & Company, kommentiert die Lage so: „Er müsste schon auf eine Mine treten, um nicht wiedergewählt zu werden.“