Welch ein Aufriss! Frau Bundeskanzler, assistiert durch den Außenministerdarsteller, begleitet von dem UN-Chef als Größtem der Großen und ein paar Nebendarstellern. Die Creme-de-la-creme der internationalen Politik hatte sich bereits verabschiedet, als Angela Merkel am Sonntagabend vor die Hauptstadtpresse trat.
Waffenruhe für Libyen habe man vereinbart. Die beiden dort gegeneinander angetretenen Herren – der von der UN anerkannte a‘Saradj und der General Haftar – hätten in getrennten Gesprächen zugestimmt und würden dieser Tage jeweils fünf Unterhändler benennen, die dann aus der Waffenruhe einen Waffenstillstand machen sollen, aus dem dann die internationale Politik einen Frieden für das vom Krieg gezeichnete Land baut. Bundesdeutsche Medien jubelten: Merkel schafft Waffenstillstand! Auch wenn eine Waffenruhe noch weit von jedem Waffenstillstand entfernt ist.
Möglich, dass sich die vorgeblich vereinbarte Waffenruhe noch nicht bis in jeden Truppenteil herumgesprochen hatte. Möglich aber auch, dass Haftar, der seinen Gegenspieler auf Gegenseitigkeit so wenig mag, dass man ein persönliches Treffen in Berlin vermeiden musste, noch einmal darüber nachgedacht hat. Und zum Ergebnis gekommen ist, dass UN-Generalsekretär und die Frau Bundeskanzler Unsinn erzählten, als sie fast im Chor sangen, dass eine militärische Lösung des Konfliktes ausgeschlossen sei.
Tatsächlich ist sie genau das nicht. Sie soll es nur sein, denn andernfalls stünden die internationalen Tagungsmarathonisten vor vollendeten Tatsachen, zu denen weder der UN-Generalssekretär noch die Deutsche irgendetwas beigetragen hätten.
Tatsächlich sieht es so aus, dass Haftar so gut wie gewonnen hat. Nicht ohne Grund hatte Saradj bereits vergangene Woche von der UN gefordert, umgehend Schutztruppen in das Land zu schicken. Sollte sagen: Internationale Armee-Einheiten, die ihn und seine Regierung ohne Reich vor dem Gegner retten sollten. Wozu es in Kürze zu spät sein könnte, denn Haftars Kämpfer stehen kurz davor, das Zentrum der Stadt zu zerschneiden und das Regierungsviertel zu übernehmen.
Dieweil in Berlin und Brüssel man sich noch des diplomatischen Erfolgs erfreut und bereits ebenso darüber streitet, wie die Bundeswehr am Friedenseinsatz zu beteiligen wäre, als auch fordert, den ausgesetzten EU-Migrantenimport über das Mittelmeer wieder durch eine EU-Marinemission zu übernehmen (was dann die Wege der NGO-Schlepper deutlich verkürzen und deren Effizienz erhöhen würde), wittert Konferenzteilnehmer Erdogan, als Osmane mit den Macht- und Täuschspielen am östlichen Mittelmeer bestens vertraut, bereits den Unrat.
Einerseits betont er, dass reguläre Truppen der Türkei noch nicht in Libyen angekommen seien – woraus zu schließen ist, dass die bei Tripolis gesichteten Militärfahrzeuge der Türkischen Armee von Militärberatern gefahren werden – , andererseits ließ er am Montagnachmittag wissen: „Wir sehen, welche Art Spiele gespielt werden unter dem Kleid des Kampfes gegen den Terrorismus in Libyen.“
Vielleicht ist es an der Zeit sich einzugestehen, dass die Losung Frieden schaffen ohne Waffen zwar ein wunderbarer Traum sein mag, doch für die reale Welt wenig taugt. Zumindest dann, wenn es um Macht, Öl und Einfluss geht und die eine Seite kurz vor dem Sieg und die andere kurz vor der Niederlage steht.
Als PS nun noch ein kurzer Nachtrag zur Berichterstattung der vergangenen Woche: Am Freitag ging, nachdem der Botschafter sich bei der Deutschen Welle beschwert und TE darüber berichtet hatte, in aller Hektik dann doch noch eine Einladung an das unmittelbar betroffene Tunesien. Dort lehnte man nun allerdings nonchalant ab: Zu kurzfristig, um sich sinnvoll beteiligen zu können …