Sollten Sie sich fragen, weshalb ich mich seit längerem nicht über unsere Bundeskanzlerin äußere: Ich frage mich das auch. Versuch einer Antwort.
I.
Wat is´ eigentlich ne Bundeskanzlerin? Da stelle ma uns mal janz dumm, und sagen, ne Bundeskanzlerin iss ne jroße, runde, schwarze Raum mit zwei Löchern. Durch das eine kommt der Dampf rein, un das andere krieje ma späta … Moment! So war das nicht gemeint. Bin kurz mal ins falsche Suchwort gerutscht.
II.
Also nochmal. Was macht so ne Bundeskanzlerin, wenn sie morgens aufsteht? Sie lässt sich ins Büro fahren. Dort wartet schon die Kosmetikerin. Sie kriegt auch die Haare gemacht. Sucht die Jackenfarbe des Tages aus. Dann bespricht sie die Lage.
III.
Die Lage könnte grundsätzlich nicht besser sein.
IV.
Das ist alles? Natürlich nicht. Sie inspiziert die Weltbühne. Auf der sie nicht mehr spielt.
V.
Und sonst? Waltet die Bundeskanzlerin ihres Amtes. Das schöne Verb gilt inzwischen als altmodisch. Althochdeutsch waltan, mittelhochdeutsch walten. Mit dem Wort Gewalt verwandt. Aber auch mit verwalten. Beides trifft. Stark sein, herrschen, gebieten, am Ruder sein, die Geschicke des Landes lenken etc. „Wo rohe Kräfte sinnlos walten, da kann sich kein Gebild gestalten“ (Schiller). Dort waltet Angela Merkel und wartet auf eine Eingebung. Es waltet aber kein guter Geist. Es waltet gar nichts. Es wartet bloß. Worauf? Darauf, dass Gnade waltet.
VI.
Da wäre noch die Richtlinienkompetenz. Die Kanzlerin legt die Grundlinien der Regierungspolitik fest, innerhalb derer jeder Bundesminister seinen Geschäftsbereich selbständig und eigenverantwortlich leitet. Steht im Grundgesetz. Vorausgesetzt, sie macht davon Gebrauch. Früher hat Angela Merkel Richtlinien bestimmt, die als alternativlos galten, als nicht verhandelbar. Es gab keine Debatten. Energiewende, Grenzöffnung: schaffen wir. Somit hatte sie nicht nur die Grundlinien ihrer Politik, sondern das Wesen deutscher Politik überhaupt definiert. Die Richtlinie der Richtlinien lautete: Deutsche Politik kommt im Wesentlichen ohne Politik aus. Das verdanken wir Merkel.
VII.
Wenn man früher gesagt hat, sie macht nichts, hat man zum Ausdruck gebracht: Sie macht alles zu Nichts. Oder zunichte. Inzwischen hat sich Angela Merkel selbst entpolitisiert. Wer Politik sucht, sollte sie deshalb nicht mehr im Kanzleramt suchen. Beispiel: Die Vorsitzenden von CDU und CSU haben gerade eine Kabinettsumbildung angekündigt. Sie haben die dafür zuständige Bundeskanzlerin nicht darum gebeten. Sie haben es ihr auch nicht vorgeschlagen. Sie haben es einfach beschlossen. Wäre so etwas in früheren Zeiten passiert, hätte der/die Kanzler/in sich die Vorsitzenden vorgeknöpft. Oder sie wäre aus Protest auf der Stelle zurückgetreten. Angela Merkel aber schweigt.
VIII.
Eine Bundeskanzlerin hat also ein Kabinett. Früher war das so. Ihre Minister hatten nicht viel zu melden, wenn sie sich zu Wort meldete. Heute meldet sie sich nicht mehr zu Wort, aber ihre Minister. Trotzdem haben die nicht viel zu melden. Den Finanzminister zum Beispiel hat seine eigene Partei einen Kopf kürzer gemacht. Das Kabinett der Doktor M. repräsentiert die Zombierepublik Deutschland.
IX.
Vielleicht macht es sich die Kanzlerin mit einem Glas Rotwein vor der Glotze gemütlich. Ein guter Bekannter, Parteifreund aus alten Wendetagen, debütiert gerade im Dschungelcamp. Bundesminister a.D. Dr. Günther Krause. Könnte ihr nicht passieren. Hat beizeiten aus dem Kanzleramt ein Dschungelcamp gemacht.
X.
Also nochmal: Was macht eigentlich Angela Merkel? Nichts macht sie.
XI.
Macht nichts.
XII.
Am nächsten Samstag an dieser Stelle ein Beitrag aus der Reihe „Verblasste Mythen“. Diesmal: Die mächtigste Frau der Welt.