Gestern berichtete die Zeit über die interne Redakteursversammlung, die laut des Hamburger Wochenblatts am 7. Januar „am Dienstagnachmittag“ im „Kleinen Sendesaal im WDR-Funkhaus in Köln“ stattfand. Thema war der Umgang der Leitung des Senders mit der Kritik an dem Lied des WDR-Kinderchores, in dem die eigene Oma als „Umweltsau“ bezeichnet wird. Auf die geistig-moralische Verfassung des Senders lässt bereits der Umstand schlussfolgern, das nicht das Lied selbst, sondern der Umgang mit dem Lied aufgrund der öffentlichen Kritik Thema der Redakteursversammlung war.
Wichtig für die Beurteilung der Causa ist der Fakt, dass die Zeit auf einen „Mitschnitt der Veranstaltung“ verweist, „der ZEIT ONLINE vorliegt“. Offenbar existierte ein großes Interesse von Mitarbeitern des WDR, dass der Inhalt und der Ablauf der internen Redakteursversammlung bekannt werden. Diese These stützt übrigens auch die Tatsache, dass der Autor des Zeit-Artikels offensichtlich keine Schwierigkeiten hatte, Mitarbeiter des Senders zu finden, die bereit waren, über den Verlauf der internen Aussprache zu plaudern, die aber zugleich darauf bestanden, „nicht namentlich genannt“ zu werden. Wahrlich kühne Streiter für das Gute und Edle.
Schaut man auf den berichteten Ablauf der Versammlung, entsteht das Bild von Journalisten, die gut bezahlt seit Jahr und Tag in ihrer Sendeanstalt sitzen und öffentliche Kritik an sich nicht gewöhnt sind, obwohl sie selbst das Geschäft der Kritik ohne Hemmungen betreiben. Sie nehmen die Welt nur noch durch den Filter ihrer Ideologie wahr und verurteilen jede Kritik an ihrem Haltungsjournalismus als „rechts“. Wer es wagt, einen Georg Restle für seine immer plumper werdenden Ausfälle, die Ostdeutsche an die „Kommentare“ Karl-Eduard von Schnitzlers erinnern, zu kritisieren, wird als rechts diffamiert, wobei zwischen rechts, rechtsextrem und rechtsradikal nicht unterschieden wird. Es ist übrigens so legitim, rechts wie links, wie liberal, wie grün, wie konservativ zu sein. Man nennt es Demokratie und Meinungsfreiheit.
Es existiert in der Demokratie keine vierte Gewalt. Wer sie für sich definiert und beansprucht, verlässt den Boden der Demokratie.
Georg Restle, der laut Zeit-Artikel den Eindruck eines Wortführers macht, will aus der Affäre um das Lied zweierlei lernen: Erstens: niemals den Eindruck zu erwecken, dass man diesen rechten Kampagnen und diesen Shitstorms recht gibt oder vor ihnen einknickt.“ Also alle Kritik am Sender, auch an ihm, ist per se „rechts“. Denkt man das zu Ende, heißt das, dass der WDR klar links positioniert ist. Widerspricht ein klar links definierter Sender nicht dem Neutralitätsgebot einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung?
Damit fordert Restle die Aufgabe jeder objektiven Berichtserstattung zugunsten linker Propaganda, damit verwandelt er die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in eine Farce und stellt dessen Rechtfertigung in Frage.
Die Bürger der Bundesrepublik Deutschland bilden den demokratischen Souverän, ihr politischer Wille ist umzusetzen, woran die Parteien mitwirken. Bürger sind nicht die Betreuungsobjekte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Scheinbar verführte die großzügige Rundumversorgung öffentlich-rechtliche Redakteure zur Abgehobenheit und zur Hybris. Demut denjenigen gegenüber, die ihre Gehälter erwirtschaften, die, ob sie wollen oder nicht, jeden Monat für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zahlen müssen, wäre mehr als angebracht. Hört man einem Georg Restle zu, fragt man sich, ob der Mann überhaupt weiß, dass ein Leben außerhalb der Anstalt existiert, so etwas wie eine gesellschaftliche Realität. Es scheint dringend erforderlich zu sein, das suggeriert zumindest der Zeit-Artikel, dass man im WDR die Fenster und Türen aufreißt und die Wirklichkeit hereinlässt, anstatt die Kritik an der Titulierung der Oma als „Umweltsau“ mit der Titulierung der Oma als „Nazisau“ zu erwidern. Nicht einmal die Ereignisse, die sich unmittelbar vor den Türen des Senders in der Silvesternacht von 2015 auf 2016 abspielten, hatte man im WDR wahrgenommen. Man kann es tragisch nennen, der eigentlich notwendige öffentlich-rechtliche Rundfunk betreibt seinen eigenen Akzeptanzverfall. Im Grunde erzeugt er die „rechte“ Kritik selbst, schafft er erst das Lager der „rechten Kritiker“, in dem er jede Kritik als rechts denunziert, sich immer stärker in einer Wagenburg einigelt und sich mit martialischen Äußerungen Mut macht. Sicher, der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat die Öffentlichkeit, aber die Öffentlichkeit hat auch ihn.
In einer an sich nicht weiter bemerkenswerten Sendung der ARD namens druckfrisch, von der man nicht so recht weiß, ob sie drei oder vier Zuschauer hat, beurteilt Moderator Denis Scheck Bücher – und das nach fragwürdigen, teils rein ideologischen Maßstäben. Bücher, die seinem Geschmack nicht standhalten, kommen in den Müll – eine hübsche Definition des Kultur- und Bildungsauftrages. Bemerkenswert ist nur, dass Scheck das Selbstverständnis eines ARD-Mitarbeiters in der Sendung vom 24.11. 2019 deutlich definierte. Seine Eitelkeit sei groß genug, so Scheck, sich selbst zur „herrschenden politisch-medialen Elite“ zu zählen und fügte triumphierend und drohend hinzu: „noch, noch ist diese Elite handlungsfähig.“ Handlungsfähig gegen wen? Gegen den Beitragszahler? Gegen den Bürger? Den demokratischen Souverän? Warum müssen die Bürger die Eitelkeit des Denis Scheck finanzieren?
Denkt man an die große Zeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zurück, dann erinnert man sich an eine Sendung wie Frontal, in der ein Konservativer und ein Linksliberaler sehr zum geistigen Vergnügen der Zuschauer miteinander stritten. So eine Sendung wäre heute kaum denkbar, außer mit Leuten, die rotgrün denken, das aber als konservativ lablen, um dadurch Aufmerksamkeit zu generieren, ein krasser Fall von Etikettenschwindel. Damals existierte in der ARD eine Binnenpluralität, man wusste, ob eine politische Sendung aus Bremen oder aus München kam. Und das war gut so. Heute scheinen sie alle aus Bremen zu kommen.
Der Bericht über die Redakteursversammlung erweckt allerdings den Eindruck, dass Köln inzwischen die Steigerung von Bremen ist. Ein öffentlich-rechtlicher Sender, nah an der gesellschaftlichen Wirklichkeit, kritisch, sich um Objektivität bemühend und binnenplural ist und bleibt notwendig. Kritik am Sender ist kein Angriff auf die Demokratie, sondern eine Anfrage der Demokratie an den Sender. Eine Reform, vielleicht sogar eine Reformation an Haupt und Gliedern steht auf der Tagesordnung. Aber die Uhr tickt bereits.