Aftermath in Bagdad. Begräbnisprozessionen, der Konvoi mit acht Krankenwagen und den Leichen bewegte sich durch die Stadt. Der irakische Ministerpräsident nimmt daran teil. Qatars Außenminister traf seinen iranischen Amtskollegen, um über die Ereignisse im Irak zu sprechen und Möglichkeiten auszuloten, die »kollektive Sicherheit in der Region aufrechtzuerhalten«, wie es heißt. Die NATO setzt ihre Ausbildungsmissionen für irakische Sicherheitskräfte aus, betont aber, dass sie grundsätzlich fortgesetzt werden sollen.
Hat »Trump hat die Welt von einem Monster« befreit, wie Bild schreibt?
Ach, das ist wieder so eine typische Boulevard-Schlagzeile. Da weiß doch jeder, wie es gemeint ist. War Soleimani ein Monster? Aus der Sicht seiner Opfer sicherlich. Aus der Sicht seiner Fans sicherlich nicht. Aber trifft das nicht auf jeden zu, der aus der Masse herausragt – unabhängig davon, ob sein Wirken im Nachhinein als positiv oder als negativ beurteilt wird? War Napoleon ein Held oder ein Monster? Für seine Franzosen war er ein Held – für die Anverwandten der zahllosen Menschen, die wegen seiner imperialen Gelüste starben, war er ein Monster. Das gilt ebenso für Alexander, Cäsar, Karl den Großen. Und selbst für Unpersonen wie Stalin, Hitler und Mao.
Der Monster-Begriff bietet sich immer dann an, wenn man einen Feind moralisch vernichten will. Deswegen ist Soleimani selbstverständlich für Trump und für jene, die gegen die Glaubenstyrannei des iranischen Islam kämpfen, ein Monster. Für die, die auf der anderen Seite stehen, ist er hingegen ein Held.
Ursprünglich waren die USA und Soleimani einander mal wohlgesonnen. Soleimani zeigte sich als Verbündeter und ließ den USA die Stellungen der Terroristen in Afghanistan zukommen und hoffte wohl, damit die Feinde Irans zu bekämpfen. Doch machten die USA einen Rückzieher und erklärten fortan Iran als Feind. Ein Fehler?
Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Dieser Satz gilt im Vorderen Orient mehr noch als anderswo. Ist der Feind meines Feindes siegreich, suchen wir uns neue Feinde. Und finden damit neue Freunde.
Ja, vielleicht hätte die Möglichkeit bestanden, dass der Iran und die USA einander näherkommen. Aber es stellt sich auch die Frage: Wer wollte und will das? Und wer will es nicht?
Mehr Nähe zu den USA bringt mehr westlichen Einfluss. Zwangsläufig. Das aber wollen die Mullahs keinesfalls – denn das würde ihr Ende einläuten. Auch auf Seiten der USA und vor allem ihrer arabischen Verbündeten gibt es viele, die eine solche Annäherung nicht wollen. Denken wir nur an die Ibn Saud, die seit über zwei Jahrhunderten die Arabische Halbinsel aus ihrer Mitte heraus unterwerfen. Im Moment sind die schiitischen Stämme im Süden an der Reihe, in Europa als Huthi bekannt. Das ist ein uralter innerislamischer Glaubenskrieg um die Macht in Mohammeds Kernreich und dessen Kolonien. Da sind selbst die USA eher nur Staffage.
War die Liquidierung klug? Das fragte ein TE-Leser?
Diese Frage lässt sich doch nur dann stellen, wenn die Antwort bereits zuvor bekannt war. Wollte man den Dauerkonflikt möglichst runterfahren, dann war sie nicht klug. Denn sie befeuert selbstverständlich die Animositäten.
Will man hingegen die klammheimliche Machtübernahme großer Teile des Nahen Ostens durch die Islamdiktatoren verhindern oder zumindest eindämmen, dann war sie nicht nur klug, sondern unvermeidbar. Denn damit hat man der Hydra einen wichtigen Kopf abgeschlagen. Ob und wie viele nachwachsen, steht allerdings auf einem anderen Blatt. Ich gehe davon aus: Solange das iranische Volk unter der Kuratel der Glaubensideologen steht, wird es im Nahen Osten keine Ruhe geben.
Andererseits hat dieser staatliche Islamterror auch sein Gutes: Die sunnitischen Fundamentalistenregimes wie in Saudi-Arabien beginnen sich zu liberalisieren, rücken unter dem Druck der Mullahs näher an den erfolgreichsten Staat in der Region – das zionistische Israel – heran. Nicht auszuschließen also, dass am Ende menschliche Vernunft über religiöse Idiotie triumphiert. Geschieht das nicht, wird der immerwährende Krieg zwischen Schiiten, Sunniten, Juden, Christen und sonstigen Gruppen und Grüppchen nie enden.
Den Krieg gibt es – wenn man so will – ja schon seit biblischen Zeiten. Ich bin mir über die Liberalisierung vor allem Saudi-Arabiens nicht so sicher. Dass Frauen mittlerweile Auto fahren dürfen, ist eher wirtschaftlichen Gründen geschuldet. Mohammad bin Salman, der neue starke Mann, ist kein Liberaler, eher ein stark auf Machtausweitung bedachter Gangchef. Bei seiner Charmeoffensive sehe ich zu sehr gefletschte Zähne.
Ja, alles richtig. Muhamad bin Salman ist mit der Kohlenzange zu behandeln. Allerdings funktioniert das in diesem Neffen- und Cousinenstaat auch nicht anders. Einer hat den Hut auf und setzt sich durch. Potentielle Konkurrenten und mögliche Gegner werden weggebissen. Das war schon zu Zeiten Sanheribs so. Der Grad der Liberalisierung wird also maßgeblich davon abhängen, ob sich der Thronfolger als fortschrittlicher Despoten entpuppt oder ob er archaischer Stammesfürst bleibt. Warten wir ab.
Und dennoch: Mit der Liberalisierung ist das wie mit einem Schnellkochtopf. Ist der Deckel einmal auf, ist er kaum wieder zuzubekommen. Übrigens war das mit den Frauenrechten im fortschrittlichen Europa auch nicht anders. Es waren wirtschaftliche Gründe, weshalb man den weiblichen Partnern mehr politische Mitbestimmungsrechte einräumen musste. Weil man sie brauchte, um den komplexen Wirtschaftsbetrieb auf Dauer aufrechterhalten zu können. Aus heutiger Sicht könnte man sagen: Sie waren so etwas wie die Vorläufer der Gastarbeiter. Erwünscht, aber am besten ohne jedes Mitspracherecht. Dann wurden sie unverzichtbar – und deshalb musste man ihnen auch mehr Rechte zubilligen. Heute haben sie die Politik übernommen und die Männer domestiziert. Echte Kerle finden sie in der Politik heute ja nicht mehr.
Das kann in den erzreaktionären Staaten am Golf ähnlich ablaufen – auch wenn dort der Weg nicht nur deutlich länger sein wird als der europäische aus der Mitte des neunzehnten in die Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts. Es wird auch ein anderer sein, weil dieses Islamkonstrukt mit seiner inhärenten Frauenfeindlichkeit noch schwerer zu überwinden sein wird, als es die frauenfeindlichen Positionen des christlichen Klerus waren.
Die Tötung Soleimanis ist ohne Zweifel ein seismisches Ereignis in der Region, wie das ein ehemaliger Beamter der Obama-Regierung ausgedrückt hat. »Auf diese Weise gerät die Situation in der Region außer Kontrolle. Die Reaktion des Irans wird heftig und tödlich sein. Und sicherlich kann sie eskalierende Angriffe auf die Energieinfrastruktur beinhalten.«
Aus meiner Sicht spielt die Frage nach der Sicherheit der Ölversorgung eine eher untergeordnete Rolle. Öl gibt es auf dem Weltmarkt gerade genug, Amerika zählt mit zu den größten Ölexporteuren der Welt, während der Iran auf dem Weltmarkt kaum noch eine Rolle spielt, obwohl das Land noch unermessliche Vorkommen verfügt. Das Embargo wirkt.
Wie alarmiert sind die globalen Öl-Mächte in Wirklichkeit?
Achje, Obama-Care at its best! Als ob Obama auch nur irgendetwas in der Region unter Kontrolle gehabt hätte! Schauen wir doch einmal zurück – worum ging es denn? Die USA hatten sich mit BinLaden selbst einen erbarmungslosen sunnitischen Extremisten geschaffen. Der agierte aus der Trümmerlandschaft Afghanistan heraus – deshalb nach 9/11 der Einmarsch und Strucks Verteidigung der Freiheit am Hindukush. Legitim – aber nicht zu Ende gedacht. Will man bei so etwas erfolgreich sein, dann muss man – wie schon Machiavelli erkannt hatte – den Unruheherd mit Stumpf und Stiel vernichten. Das hätte bedeutet: Die Taliban als Kämpfer im Lager der Fundamentalmuslime mit wirklich allen Mitteln bekämpfen. Keine Verhandlungen, sondern ohne Rücksicht auf Verluste durchziehen und nichts übrig lassen.
Genau das aber ist heutzutage nicht mehr machbar. Ich denke nur noch an das Gejammer und die Selbstkasteiung, als ein paar Benzindiebe starben, weil ein deutscher Offizier die gestohlenen Lastwagen nicht dem Feind überlassen wollte. Schon da wurden Entschädigungen ausgelobt statt einfach festzustellen: Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um.
Das macht das eigentliche Problem des Westens deutlich: Er ist unfähig zur Kriegsführung geworden, weil die veröffentlichte Meinung ihm bei jeder Kriegshandlung Knüppel zwischen die Beine wirft. Das gilt selbst für die USA. Russland hat solche Skrupel nicht. Putin interessiert es nicht, wenn bei den Kampfeinsätzen seiner Syrien-Legion ein paar tausend Zivilisten ihr Leben verlieren. Für ihn sind das Bagatellschäden, über die sich in Russland niemand aufregt – und deshalb wird sein Kampf in Syrien erfolgreich sein. Das mag zynisch sein und unmenschlich klingen – aber so sind die Regeln des Krieges, wenn man einen solchen tatsächlich gewinnen will.
Nun zum Öl. Davon ist längst genug, wenn nicht sogar zu viel auf dem Markt. Zu viel jedenfalls für jene, die als Exporteure kräftig daran verdienen. Russland beispielsweise stand eine Zeitlang kurz vor dem Staatsbankrott, weil die Exporteinnahmen aus Energieträgern die Kosten kaum noch deckten. Das war damals auch einer abgestimmten Ölpolitik zwischen den USA und der Arabischen Liga zu verdanken. Das Problem dabei: Auch die US-Förderung und die Einnahmen der Araber litten – also musste der Preis wieder steigen. Aber nicht in einem Maße, dass Putins hochtrabende Rüstungspläne ungehindert durchfinanziert werden konnten. Also pendelte sich die Situation im Mittelmaß ein – und dafür wird das persische Öl nicht benötigt. Es würde sogar den Preis kaputt machen. Deshalb zündeln die Amis immer ein wenig in Richtung Iran – und deshalb steht das Bündnis Russland-Iran auf mehr als tönernen Füßen. Denn Russlands Öl- und Gaseinnahmen hängen ebenso wie die der Araber und der USA davon ab, dass der Iran nicht exportieren kann.
Würde Putin tatsächlich den freien Ölexport des Iran durchsetzen, schadete er damit maßgeblich seiner eigenen Volkswirtschaft. Aber als Abnehmer von Kernkraftwerken und als Stachel im Fleisch der USA ist der Iran selbstverständlich herzlich willkommen. Insofern macht Putin den Dompteur – wird aber unter dem Strich überhaupt nicht unglücklich darüber sein, dass die Amerikaner nun einen der begabtesten Feldherren der Perser abgeräumt haben. Putin ist klug genug zu wissen, dass sich im Nahen Osten die Koalitionen fast schon stündlich ändern können. Insofern: Mit den Persern arbeiten, solange es den eigenen Zielen in Syrien dient. Dabei wissen: Dieser unberechenbare Partner kann schon morgen der Feind sein.
Welche Möglichkeiten der Reaktion hat der Iran eigentlich überhaupt? Das Niederhalten der Bevölkerung kostet das Regime viel Kraft und Geld, die Versorgung der Bevölkerung ist in einem trostlosen Zustand, der Zustand der Krankenhäuser ist katastrophal. Die Revolutionstruppen und das Embargo haben das Land an den Rand des Abgrundes gebracht. Sein Trumpf sind die Terrortruppen, die in aller Welt installiert wurden. Wie gefährlich sind die wirklich?
Das sind mehrere Fragen. Reaktionen des Iran? Wenn es offiziell sein soll, dann muss der Militärapparat ran. Luftangriffe auf US-Botschaften beispielsweise. Oder gezieltes Vorgehen gegen Schiffe von US-Unternehmen. Verminung von Teilen des Golfs oder auch anderswo. Militärische Optionen gibt es genug, um jene Spirale mit der Bezeichnung „Rache“ am Rotieren zu halten. Allerdings würde eine jede solche Aktion einen massiven Gegenschlag der USA unvermeidlich machen. Einen solchen aber würde der Iranische Mullahstaat letztlich kaum überstehen. Und dann? Dann wäre da plötzlich eine neue Regierung an der Macht, die nicht mehr unter dem Ölembargo leiden darf. Insofern haben die USA gegenwärtig gar kein tatsächliches Interesse, gegen den Iran zu kämpfen. Er soll einfach seinen Status als geächteter Quälgeist behalten, aber aufhören, sich als Exporteur radikalislamischer Machtinteressen zu gerieren. Darum geht es Trump. Ganz pragmatisch.
Insofern geht die tatsächliche Gefahr von jenen Verwirrten und islamideologisch Indoktrinierten aus. Attentate gegen US-Bürger, Anschläge gegen US-Institutionen und US-Firmen, Stellvertreterkriege wie zwischen Israel und seinen Nachbarn im Norden und Südwesten – das werden die Felder sein, auf denen die Anhänger des getöteten Generals der Revolutionsgarden aktiv werden können. Ähnlich haben es ja nun auch Vertreter dieser Truppe angekündigt. Die Revolutionsgarden sind eine paramilitärische Einheit, die besser ausgestattet und durchfinanziert ist als die reguläre Armee und die Drecksarbeit des Regimes übernimmt. Sie stehen in ihrer Loyalität zu den Mullahs – nicht zum iranischen Volk. So, wie es eben auch bisher die Strategie des Getöteten gewesen ist. Viele Nadel- und Messerstiche, die immer mehr schmerzen, aber den großen Krieg vermeiden. Dumm dann eben nur, wenn die Urheberschaft zu deutlich wird. Dann kann es geschehen, dass der Ausführende bei Bagdad liquidiert wird, während der Verantwortliche in Teheran weiter seine Hasstiraden ungehindert ausleben kann.
Es ist schwer, in das Innere des Landes zu blicken und sich ein Bild über die wahren Verhältnisse zu machen. Bisher sieht es nicht danach aus, als könnten die religiösen Machthaber und ihren Terrorbrigaden gestürzt werden. Ist das so?
Die Geschichte lehrt, dass jedes Terrorregime irgendwann implodiert. Am längsten hatte es bislang das marxistisch-leninistische durchgehalten. Also wird auch der Mullahstaat nicht ewig existieren. Ein Sturz von innen wird allerdings umso unwahrscheinlicher, je größer der militärische Druck von außen wird. Es ist zwar so, dass vor allem die jungen Perser die Glaubensgreise lieber heute als morgen auf den Mond schießen würden – aber die Herrschaftsclique hat noch sowohl Wirtschaft als auch die Instrumentarien der Macht fest in der Hand. Der Islamfaschismus ist insofern durchaus erfolgreich – soweit es seine Unterdrückungsinstrumentarien betrifft, die in der islamischen Ideologie eine hervorragende Basis von Gehorsam und Strafe finden. Das funktioniert nicht nur im Iran – Erdogan arbeitet auch daran, ein solches System zu installieren.
Bescheidene Frage: Wo ist eigentlich Merkel? Es ist ja eigentlich eine nicht so unbedeutende Aktion. Könnte man auch etwas Vernünftiges aus Berlin dazu hören?
Merkel? Die sitzt im Kanzleramt und denkt darüber nach, wie sie bei der nächsten Bundestagswahl wieder alternativlose Spitzenkandidatin der Union werden kann. Damit ist sie ausreichend beschäftigt.
Was bedeutet die Attacke für Deutschland?
In erster Linie, dass unsere Wohlstandsbürger nun wieder in Angstkrämpfe verfallen, weil ihre scheinbar heile Welt eine weitere Beule bekommen hat. Sie bedeutet auch, dass die Grünen den Verrat an den verbündeten Kurden im Irak fordern, die bislang von der Bundeswehr ausgebildet werden. Sie bedeutet, dass die Anti-Trump-Kampagnen einen neuen Höhepunkt erfahren werden. Und sie bedeutet, dass die Deutschen wieder einmal zwischen allen Stühlen sitzen, falls es tatsächlich ernst wird.
Die Bundesregierung weigert sich ja beharrlich, die Hisbollah als Terrororganisation einzustufen. Warum?
Aus Angst vor den anti-israelischen Arabern, die dieses Land ungehindert hereingelassen hat. Man sollte den Einfluss der Cheblis, die ich hier als Synonym jener antisemitischen Kreise zu verstehen bitte, nicht unterschätzen – auch wenn sie offiziell auf naiv und dümmlich machen.