Der Titel bei hart aber fair : “Terror im Namen Gottes – hat der Islam ein Gewaltproblem?” ließ einen frischen Zugang zum heißen Stoff erwarten. Endlich. Doch dazu kam es nie so recht. Für neue Erkenntnisse waren auch drei der Gäste von vorne herein kaum geeignet.
Piep, piep, piep …
Frau Göring-Eckardt von den Grünen erzählte wieder das Übliche, das sie schon in vielen Talkshows vortragen konnte. Neu war nur ihre Devise, man könne den Terror nur abwehren, wenn man den Islam stärker einbürgere. Schade, dass Plasberg hier nicht gleich nachhakte. Wie? Eine unbürgerliche Religion wie den Islam hier einbürgern? Eine Bourgeoisie für Muslime errichten? Außerdem was redete sie? Viele Muslime sind doch schon lange Staatsbürger. Manchmal habe sie das Gefühll, der IS habe die besseren Sozialarbeiter, womit sie wohl die Attraktivität des IS auf junge Muslime aus unseren Landen meinte – diesen beiläufigen Satz der evangelischen Göring-Eckardt nahm niemand auf, nur ihr muslimischer Nachbar schaute zustimmend drein. Alles eine Frage der besseren Sozialarbeiter? Ein krisensicheres Berufsbild – selbstverständlich staatlich finanziert.
Auch der Funktionär des Zentralrats der Muslime in Deutschland, El-Yazidi, war mit seinem dienstfertigen Lächeln ganz auf Defensive eingestellt. Sich nur nicht in Schulddebatten einlassen. Wir im Zentralrat tun sehr viel gegen den Terror. Er bügelte die alte These: „der Islam hat nichts mit dem Terror zu tun“ mit einer neuen Sprachregelung auf: Es ist einfach so, „dass Rattenfänger ein Islambild vermitteln“, das mit der Wahrheit des Islam nichts gemein hat. Das sagte er gleich zu Anfang, und über diesen Anfang wollte er nie mehr hinauskommen. Auch dann nicht, als Plasberg ein aktuelles Umfrageergebnis bekannt gab, wonach zwei Drittel der Deutschen den Islam für eine gewalttätige Religion halten.
Frau Göring-Eckardt fand die Umfrage in ihrem klagenden Sound einfach schlimm, da müsse man sich gesellschaftlich auseinandersetzen und die Bevölkerung besser aufklären. Nein, widersprach ihr Michael Wolffsohn, das Problem liege woanders und er legte die Strategie der Islamisten im Nahen Osten und in Europa kurz aus. Die Islamisten in Europa sind in der Strategie der Isis-Häuptlinge nur das „Kanonenfutter“. Michael Wolffsohn, Professor an der Bundeswehrhochschule.
… uns haben doch nicht alle lieb
Außerdem sei das Problem, dass der Koran wortwörtlich genommen werde und er fasste zwei Suren zusammen, in denen Juden, Wolffsohn ist Jude, als Schweine und Affen bezeichnet werden und also zu töten sind. Und er erklärte den Unterschied zwischen Buchstabe und Geist in heiligen Schriften. Im Gegensatz zu Judentum und Christentum kenne der Islam diese aufgeklärte Unterscheidung bis heute nicht. Er wollte aber hier bei Plasberg die Sache nicht theologisch noch weiter vertiefen. Herr El-Yazidi schüttelte den Kopf, er sehe überhaupt keinen Dissens, das Problem sei doch bei den drei abrahamitischen Religionen ganz dasselbe, fast identisch. Den Terror des Islamismus müsse man gesamtgesellschaftlich bekämpfen. Jetzt lief die Diskussion schon in Richtung Durcheinander, garniert von altbekannten Sprüchen.
Zur Religionsthematik wollte Herr Münch, Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA) natürlich nichts Näheres sagen. Er muss ja von Hause aus schweigsam sein. Außerdem: er wolle hier „keinen Nachhilfeunterricht für Salafisten geben.“ Also sprach er über sein Thema: die Gefährder, die man im Auge habe, außerdem repetierte er den frommen Vorsatz: „ wir müssen noch besser zusammen arbeiten in Europa.“ Was soll er auch sonst sagen? Er kann ja schlecht öffentlich etwas von den Pleiten in seinem Amt ausplaudern. Warum lädt man einen solchen loyalen Beamten in eine Sendung ein, wo die Zuschauerquote, neben dem tiefen Ernst, zwischendurch auch eine Portion Spektakel oder sagen wir wenigstens ein bisschen smalltalk erwartet? Münch wollte noch nie Fernsehstar werden. Das sieht man sofort.
Anders Wolffsohn, dem man anmerkte, dass er zum Streit gewappnet war, doch es kam nie dazu. Niemand wollte Streit mit ihm. Es war auch niemand anwesend, der den hätte führen können.
Gelebter Islam heißt Terror
Dann war noch Constantin Schreiber da, ein Moderator, „der bei ntv aber auch in TV-Sendungen im Nahen Osten Flüchtlingen mit einem TV-Format Deutschland nahebringt. „Marhaba – Ankommen in Deutschland”, deutsch und arabisch. Der jungenhafte Mann sprach wie in der Schule, zeigte bescheiden, dass er sich auskennt und tagtäglich mit vielen Muslimen verkehrt. Er hatte auch eine vorbereitete These dabei, und die war gar nicht so schön glatt wie seine Frisur:„Gelebter Islam in vielen Ländern heißt Gewalt, heißt Terror“. Er fände es auch gut, wehrhafter zu sein. Plasberg schien überrascht: „und bei uns hier nutzen sie die Freiheit aus“, also nicht alle, nur eine absolute Minderheit natürlich. Man muss ja vorsichtig sein und das ist auch gut so, das ist direkt eine Zierde unserer Verfassung, sagte Plasberg, wie ein Musterdemokrat. So weiß, wie früher nur Persil sein wollte. Plasberg versuchte zwar, immer wieder zum Titel seiner Sendung zurückzurudern, doch er wusste nie recht, wie. Seine Gäste ließen ihn im Stich. Dabei wäre es jetzt die Klippe gewesen, an dem die billigen Sprüchlein von Göring-Eckardt und dem Islam-Propagandisten El-Yazidi hätten auflaufen können. Aber wir haben uns ja alle lieb, wenn es um den Islam geht, weil das genau Hinschauen und der Streit ungemütlich werden könnten. Offensichtlich ist die Dominanz schon so gewaltig, dass eine Auseinandersetzung mit der Gewalttätigkeit und Zerstörungskraft, die der Islam auch in Deutschland entfaltet, und wie sie Barbara Köster beschreibt, nur noch in Nebensätzen möglich ist.
Dann noch ein kleiner Fehlschuss des Herrn El-Yazidi, als Wolfssohn noch einmal in das Judentum zurückgreifend, wie nebenhehr meinte, aus dem alten Testament und von den fundamentalistischen Juden könnte er auch manch abscheuliche Story erzählen, aber das Judentum habe die Wortwörtlichkeit des heiligen Textes eben neu interpretiert, „den Text nicht verändert, sondern den Geist“. Das aber habe der Islam bisher nicht geleistet. Punkt. Da antwortete der Islamvertreter, wieder nicht ohne sein diensthaftes Lächeln: aber wenn wir das nicht geleistet hätten, „dann wären heute ja alle Muslime, Milliarden in der Welt, Terroristen.“ Ein klassischer Fehlschluss, den Plasberg rasch überging. Der Moderator weiß, man muss beim Islam stets ganz vorsichtig sein. Dann kam die Instanz, Brigitte Büscher mit ihrer Auswahl von Stimmen, aus dem Netz und von draußen, herein.
Ihre Auswahl brachte die bekannte Summe von Pro- und Contra-Statements, wo der User einerseits die Schuld in unserer Gesellschaft allgemein verortet und andererseits eine große Angst vor den Terroristen zum Ausdruck kommt. Auch von draußen also nichts Brandneues. Da blieb gerade noch Zeit für das Kurzinterview eines Aussteigers aus der Salafistenszene. Dominic „Musa“ Schmitz aus Mönchengladbach hat seine Statements und sein Buch: „Ich war ein Salafist“ schon überall in den Medien gut verbreitet und gab auch bei Plasberg wieder eine gute Figur ab: nachdenklich und sichtlich erleichtert, wieder der alte Dominic zu sein.
Nein, die Sendung hielt nichts, wovon sie eigentlich handeln wollte. Und Plasbergs Konklusion zuletzt, wonach wir eine „tiefbohrende Runde erlebt haben“ hörte sich an wie ein alter verwaschener Witz. Da passte die Überleitung zur ARD-Nachrichtenfrau, die ankündigte, dass es dort gleich um die Klage von Erdogan persönlich gegen Böhmermann geht.
Unser Autor Wilhelm Setzer war Kabarettist, heute Literaturkritiker, Journalist, und Redenschreiber.