Ich schreibe diesen Text am Morgen des Montags vor Heilig Abend 2019. Die Kinder sind eben aufgestanden. Ich habe einige E-Mails geschrieben, gelesen und beantwortet. Ich trinke einen Kaffee und plane meine Arbeit für den Tag. Die Kinder hüpfen durchs Arbeitszimmer. Der Sohn berichtet, dass er vor Vorfreude auf Weihnachten kaum schlafen konnte – ach, nochmal Kind sein! Elli wird gemeinsam mit den Kindern gleich noch einige Besorgungen machen, vielleicht noch einen kleinen Vormittagsausflug.
Selbst wenn ich mich dagegen wehren wollte, die Weihnachtsstimmung kriecht mir den Rücken hoch, über die Schulter die Brust hinunter und dann wohl ins Herz.
Ich selbst halte ja ein oder zwei Geschenke pro Kind für ausreichend, Socken und Schulhefte etwa, aber das Christkind muss sich mit Elli und anderen lieben Menschen verschworen haben, und es scheint mir, dass sich unterm Weihnachtsbaum doch ein paar mehr bunt verpackte Schätze angesammelt haben.
Ganz entspannt zu Schrott
Schnee löst sich am Berghang und gerät ins Rutschen. Der Schnee reißt weiteren Schnee mit, der ebenfalls gleitet, und der Flecken Schnee wird zur Schneemasse, zur Lawine, die ins Tal donnert und dort den Menschen und seine Dinge begräbt. Im Internet finden sich etwa die Aufnahmen einer Lawine am Berg Elbrus, eines schlafenden Vulkanes im Kaukasus (und für schlafende Vulkane habe ich ja ein Herz). Man sieht, wie die Schneemassen im Tal ankommen, und der Schnee ist nicht mehr super schnell, aber nach wie vor sehr stark. Der Schnee – und da wird es fast schon lustig – kommt auf einem Parkplatz an und schiebt die Autos einfach fort, und einige der Autos werden ganz entspannt zu Schrott zermalmt (siehe YouTube).
Wenn ich die aktuellen Nachrichten lese, könnten wir uns an eine Lawine erinnert fühlen, die sich kalt und gleichgültig über uns schiebt. Die Nachrichten zum Jahreswechsel 2019/2020 lesen sich wie eine Fortsetzung der Nachrichten des Jahres. Wir hörten letztens vom gelöschten Handy im Verteidigungsministerium (siehe auch »Gelöschte Handydaten – Rauch und Feuer«), und jetzt berichten Medien, dass Angehörige der Opfer des Germanwing-Absturzes behaupten, dass die Handys, die sie zurückbekamen, möglicherweise manipuliert waren (siehe etwa focus.de, 21.12.2019). Wir lesen schon wieder vom Görlitzer Park (welt.de, 23.12.2019 zitiert die Drogenbeauftragte der Regierung: »Der Görlitzer Park ist eine Kapitulation des Rechtsstaats«). Die Grünen sagen wieder populistische Sachen, und wieder geht es um Flüchtlinge, die sie nach Deutschland bringen wollen, und wie 2015 verkaufen sie es wieder über »Kinder« und »Mädchen« (welt.de, 22.12.2019) – und gleichzeitig lesen wir, wie bei der »Arbeiterwohlfahrt« in Frankfurt mit den Flüchtlingsgeldern die »Schleusen geöffnet« wurden, mit Traumgehältern und dicken Dienstwagen (siehe etwa faz.net, 21.12.2019). Bürger und Behörden sind derweil nervös. Seit 2016 wurden neun islamistische Anschläge verhindert, so berichtet welt.de, 22.12.2019. Vorgestern Nacht wurde der Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz geräumt. Und dann wurde Entwarnung gegeben. Die zwei Verdächtigen gehören laut morgenpost.de, 22.12.2019 der Salafisten-Szene an. Die Anhänger der Klimareligion ähneln schon länger einem Kult, und wie ein Hasskult wirken sie, wenn sie zu Weihnachten verlautbaren: »Warum reden uns die Großeltern eigentlich immer noch jedes Jahr rein? Die sind doch eh bald nicht mehr dabei.« (@fridaysforfuture, 23.12.2019, archiviert, nach einigem Gegenwind erklärten sie es zur »Satire«) – Und wie sieht die Zukunft aus? Nun, Deutschland plant bekanntlich seine Rückgrat-Industrien zu lähmen und aus allen Formen stabiler Stromversorgung auszusteigen, in der niedlichen Hoffnung, die Welt würde unserem Beispiel folgen – nun, wir lesen: »Mehrere Staaten planen Einstieg in Kohlekraft« (welt.de, 22.12.2019).
Was für eine Lawine an Un- und Irrsinn es ist, wovon diese Nachrichten berichten! Man könnte sich wie eines jener Autos fühlen, die von der Lawine im Kaukasus zur Seite geschoben und etwas eingedellt wurden. Jedoch, es ist Weihnachtszeit, und ich beschließe, so gut ich kann dieser Lawine aus dem Weg zu gehen – und wie es sich gehört will ich lieber darüber nachdenken, was da passiert, und dann will ich Lehren fürs kommende Jahr ziehen.
Bis es wieder taut
Ein Schluss, den ich aus dem letzten Jahr gezogen habe, war die Ablehnung all der Moralprediger (und –innen!), die mir einreden wollen, »nicht okay« zu sein – es ist okay, okay zu sein!
Eine andere Lehre betrifft den Verlauf der Welt insgesamt (ist das heute nicht bei angeblich allem der Fall?) und unser eigenes kleines Fleckchen darin. Diese Lehre ist mehr eine Schlussfolgerung, und damit auch eine Vorhersage, und ich habe es bereits in Essays wie »Wählt uns – oder die Welt geht unter!« oder natürlich »Das Lied der Innenhöfe« angedeutet: Es wird nicht wieder so werden wie früher, doch wenn wir darum kämpfen, kann es anders gut werden. (Und wir wollen jenes Zitat von Göring-Eckardt, wonach es anders würde und sie freue sich darauf, nur via Haltestellendurchfahrt erwähnen – deren »anders« unterscheidet sich von meinem offensichtlich deutlich, beginnend damit, dass ihr »anders« nur in ihrer Phantasie existiert, und mein »anders« daraus besteht, irgendwie mit den grausamen, unfairen Konsequenzen der Handlungen von Leuten wie Göring-Eckardt klarzukommen.)
Die eine Lawine, die sich über uns rollt, ist natürlich die unbarmherzige Zeit, und die können wir nicht aufhalten, und dafür kann höchstens derjenige was, dessen Sohn die Christenheit in den nächsten Tagen ein glöckchenbewehrtes »Happy Birthday« singt. Die andere Lawine aber, die praktische Dummheit, die sich unbarmherzig über manche Länder des Westens schiebt, gegen die aber können wir uns zumindest im Kleinen wehren.
Wer unter eine Schnee-Lawine gerät, der kann einige Zeit überleben, wenn er sich etwa Luft zum Atmen sichert – wer von der Dummheit überrollt wird, der tut gut daran, zumindest im Denken etwas Freiheiten zu sichern, bis es endlich wieder taut.
Lebkuchen und Joggen
Unterm Weihnachtsbaum im Wohnzimmer sind sogar einige Pakete für mich, meine ich gesehen zu haben. In einem sind Lebkuchen von einem lieben Menschen, vermute ich. Ein anderes Paket enthält vielleicht einen Gedichtband, habe ich so den Verdacht…! Und nach all dem Gedichtelesen und Lebkuchenessen sollte ich wieder joggen gehen – wie wir (fast) alle.
Ich wünsche Ihnen und Ihren Lieben ein wirklich frohes Fest… und anschließend besinnliche Erholungstage! Es wird anders werden, das neue Jahr, aber es kann gut werden, wenn wir dafür kämpfen – und wenn wir klug sind.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf dushanwegner.com
Dushan Wegner (geb. 1974 in Tschechien, Mag. Philosophie 2008 in Köln) pendelt als Publizist zwischen Berlin, Bayern und den Kanaren. In seinem Buch „Relevante Strukturen“ erklärt Wegner, wie er ethische Vorhersagen trifft und warum Glück immer Ordnung braucht.