Geld ist dicker als Wasser. Deswegen funktioniert das ganz unabgestimmte und autonome Schweigen all derer, die sich am globalen Spiel mit Scheinfirmen, Briefkastenunternehmungen, Offshore-Veranstaltungen und sonst auf Anonymisierung abzielenden Zahlungsgeflechten beteiligen, sei es als Nutznießer, sei es als partizipierender Dienstleister, auch seit Ewigkeiten so gut. Staatslenker von überall auf der Welt sind unter den jetzt geleakten Protagonisten einer panamaischen Anwaltskanzlei mit Namen Mossack Fonseca zu finden, die sich politisch, strategisch, ideologisch im Prinzip teilweise feindlich gegenüberstehen. Das ist die erste positive Erkenntnis, die abstrakt nicht neu ist, die aber jetzt durch einen Whistle Blower konkretisiert wurde:
http://panamapapers.sueddeutsche.de/
Die persönliche wirtschaftliche Gier mancher sich feindselig gegenüber stehenden Protagonisten, schafft eine klare gemeinsame Interessenlage, nämlich die das im globalen Kapitalismus eingebettete Scheinfirmen-Unwesen nicht wirklich und letztendlich zu zerstören. Dieses Scheinfirmenunwesen lebt letztendlich vom westlichen Kapitalismus, ohne den der globale Kapitalismus zusammenbrechen würde. Insofern profitiert der Westen ungewollt von der maßlosen Habsucht etlicher seiner erklärten Feinde. Die Feinde des Westens lassen nicht nur ihre Kinder gern im Westen studieren und ihre Frauen heimlich westliche Kleider tragen, nein, sie wollen auch ein eigenes, möglichst dickes wirtschaftliches Standbein im Westen haben, für alle Fälle, für das Alter und einfach nur zur Beruhigung. Und auch zum Angeben unter ihresgleichen.
Das Scheinfirmenunwesen, so kriminell es in weiten Teilen sein mag oder ist, über Nacht abzuschaffen, könnte unkalkulierbare Folgen zeitigen. Das ist kein Plädoyer für die Existenz von Scheinfirmen. Ganz im Gegenteil, aber es gehört zum Brainstorming dazu, über den Tellerrand hinaus zu gucken. Einerseits um zu verstehen, wie und warum und mit welchen Folgewirkungen das Scheinfirmenunwesen ist, wie es ist, und andererseits, um die richtigen Strategien für die Beseitigung des großen globalen Schwarzmarktes zu entwickeln.
Die eigentlich arme Süddeutsche Zeitung, nicht der SPIEGEL, nicht die ZEIT, nicht die WELT, nicht die FAZ, nein, die schwächelnde Süddeutsche Zeitung ist, wie ein Hans im Glück anonym mit Material regelrecht „zugeleakt“ worden. Sie hat sich das Ding offenbar allein nicht zugetraut, sich erst einmal die gebührenfinanzierten Finanzprotze NDR und WDR zu Partnern gemacht und schließlich das International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) und am Ende 400 Reporter von über 100 Medien (darunter die BBC, der Guardian, Le Monde) aus 80 Ländern der Welt ins Boot geholt.
Das Outsourcen sind die öffentlich-rechtlichen Medien gewohnt
Die öffentlich-rechtlichen Medien sind das Outsourcen gewöhnt, sie verlagern Produktionsprozesse auf hauseigene GmbHs (zum Beispiel Anne Will der Will Media GmbH) extra zu dem Zwecke, einerseits ein paar Euro extra (nicht öffentlich-rechtlich) entstehen zu lassen und andererseits die als Fesseln empfundenen öffentlich-rechtlichen Regeln für die Aktivitäten der GmbHs nicht im sonst üblichen Umfang gelten zu lassen. Das passiert bei den Öffentlich-Rechtlichen alles ganz offen und wie es heißt legal und Politik und Justiz akzeptieren das.
Immerhin: Auch das Unterhalten von Scheinfirmen Jottwede irgendwo auf dem Globus ist eine Art Unterspielart von Outsourcen. Hier sollen nicht die sich jetzt selbst feiernden und selbst vermarktenden ARD-Anstalten bemäkelt werden, aber die Art und Weise wie das große Recherchekonsortium aus Süddeutscher, den öffentlich-rechtlichen NDR und WDR, weiteren 110 Medien aus aller Welt, 400 Journalisten und mit einen Buchverlag, Kiepenheuer&Witsch, der die Vermarktung auch gleich auf dieser Schiene startet, aufdreht, macht einen nicht nur befriedigenden Eindruck.
Uneingeschränkt beeindruckend dagegen ist, die allerdings nur am Rande journalistische Leistung ein solches gigantisches Mediennetzwerk zu knüpfen und dieses über ein Jahr lang offenkundig erfolgreich auf Schweigen zu verpflichten. Nicht einmal die panamaische Anwaltskanzlei Mossack Fonseca, deren Akten offenbar noch bis 2016 hinein abgeschöpft wurden, hat Wind bekommen oder sonst irgendetwas gemerkt, bis sie im März 2016 von der Süddeutschen Zeitung um eine Stellungnahme gebeten wurde. Dieses mediale Schweigen ist schon fast unheimlich.
Bis 20 Uhr, süddeutsche Zeit, sprich mitteleuropäische Zeit, am Sonntag den 3. April, also Tagesschautime in Deutschland hielten alle 110 Medien in allen Zeitzonen dieser Welt dicht, um dann das aufwändig vorbereitete Szenario in Salven, die noch weitergehen sollen, abzuschießen.
Die Süddeutsche und ihre Partner konnten dank der ihnen laufend zugespielten Unterlagen im vergangenen Jahr das Geschehen in der Anwaltskanzlei Mossack Fonseca quasi in Echtzeit beobachten und weiterlaufen lassen, ohne, dass offenbar zuständige Behörden bisher eingeschaltet wurden, die jetzt auf den Plan treten sollen und dies auch sicher tun werden. Ein genauerer Blick auf die Unterlagen, die die SZ und das Journalistenkonsortium bis jetzt vorgelegt haben, und die recherchierten Sachverhalte, die in den Unterlagen dokumentiert sind, lohnt sich in jedem Fall.
Wer ist der Whistleblower?
Wichtig zur Einordnung: Es gibt viele anwaltliche und notarielle und sonstige Dienstleister, die im Wettbewerb mit der jetzt geleakten Anwaltskanzlei stehen. Diese Anwaltskanzlei hat also bei weitem kein Alleinstellungsmerkmal, was im Moment von der Süddeutschen und der ARD ein bisschen in den Hintergrund gedrängt wird.
Der Gründer der Anwaltskanzlei und wahrscheinlich ja Hauptsozius, Jürgen Mossack, wird in Panama offenbar „der Deutsche“ genannt. Das beglückte Medium des „Verräters“ ist ein deutsches, nämlich die Süddeutsche Zeitung. Die Veröffentlichung sollte in Deutschland um 20 Uhr knallen. Da läuft in der Mittagssonne in Panama selber nur Siesta. Manches könnte dafür sprechen, dass der Leaker einen deutschen Hintergrund hat, um es in politisch korrektem Deutsch zu bezeichnen. Der Leaker muss einen unwahrscheinlich guten Zugang zu den Unterlagen der Anwaltskanzlei gehabt haben und ein Profi sein. Sonst wäre er der geballten Recherchegewalt des Konsortiums der Süddeutschen nicht über ein Jahr lang trotz sukzessiver Lieferung und entsprechender Kontakte verborgen geblieben.
Bei einem sicher gut organisierten Dienstleister wie Mossack Fonseca wird das Wissen vielfältig geteilt sein. Kein Mitarbeiter weiß mehr, als er wissen muss und keiner weiß alles. Nur Jürgen Mossack und Fonseca wissen im Zweifel alles oder haben auf alles Zugriff. Auch dass einer der Inhaber die Nase voll hat, sich unter Druck gesetzt fühlt, eine späte anders gelagerte Interessenlage hat, ist natürlich denkbar, ohne hier irgendeiner fixen Idee das Wort zu reden.
Jedenfalls: Ein Whistleblower, der so perfekt funktioniert und so flächendeckend liefert, das ist schon etwas Besonderes. Und: Diese Art von Leck ist auch eine besondere Art von Lebenswerksicherung, könnte man witzeln. Welche Firmengeschichte wird schon weltweit mit soviel Geld und soviel Manpower, für die Firma selber kostenlos, durchleuchtet, nachrecherchiert, aufbereitet und in hunderten von Medien veröffentlicht und der globalen Weltöffentlichkeit hinterlassen? Wer über einen so langen Zeitraum auf brisanten Daten von Weltlenkern sitzt, kann schon unter Umständen unter einem großen Mitteilungsdruck stehen. Ein Whistleblower möchte wohl immer gerne berühmt und unsterblich werden oder die Option haben, in die Geschichte einzugehen. Und natürlich wirken die Kunden einer solchen Anwaltskanzlei wie echte Trophäen.
Die Verkäufermacht von Süddeutscher, ARD und Kiepenheuer &Witsch, die den Überraschungseffekt auf ihrer Seite nutzen, ist gigantisch. Die ganze Gesellschaft und jeder Einzelne fühlen sich plötzlich unter Druck, bösen Kapitalisten hinterher zu forschen und zu zürnen und die Medienprodukte zu kaufen oder anzuclicken.
Immerhin eine schöne Ablenkung von Merkels katastrophaler Einwanderungspolitik.