Würden Sie heute Ihren Ehepartner, so Sie einen haben, noch einmal heiraten? Würden Sie nochmal Kinder bekommen, falls Sie Kinder haben? Würden Sie nochmal denselben Beruf ergreifen? Es sind sehr persönliche Fragen, und Sie könnten gut beraten sein, diese Fragen nicht laut zu beantworten – für manchen ist die ehrliche Antwort schon als ferne Ahnung schmerzhaft – wenn man fürchtet, »Nein« zu antworten, wessen Leben war es, das man gelebt hat?
(Mancher hat sich die Frage im Leben gestellt, und er hat sie verneint, und er hat es dann nochmal neu versucht – mancher mehr als einmal, doch er spürte, dass er nicht jünger wurde und die Jahre eben weg waren, siehe auch das Warteschlangen-Problem, das wir vorgestern besprachen – klar kann man die Warteschlange oder den Lebenspartner wechseln, man fängt aber immer wieder ganz von Neuem an – und im Fall der Ehe und Familie arbeitet man dazu noch die Konsequenzen aller vorherigen »Warteschlangen« ab.)
Vielleicht ahnen Sie aber auch, dass die Frage unvollständig ist. Es ist eine Frage nach dem Wert einer Beziehung, doch man soll sich zurückdenken an einen Zeitpunkt, als es noch nichts von dieser Beziehung gab. Es ist wie mit einem Sparkonto (vielleicht sogar damals, als es auf Sparbücher noch positive Zinsen gab und nicht eine verurteilte Kriminelle ihre Unterschrift auf »unsere« Währung kritzelte) – ein Sparbuch gewann seinen Wert ja nicht durch den Akt des Eröffnens, sondern durch die Einzahlungen über die Jahre – ähnlich wie der Verkaufswert eines Hauses wahrlich nicht der einzige Wert ist, sondern dazu zum Beispiel die Momente, die man darin verbrachte.
Die ursprüngliche Frage also, vollständiger und präziser formuliert, könnte etwa so klingen: Sind Sie zufrieden mit jener großen Entscheidung, plus den Konsequenzen dieser Entscheidung inklusive Ihrer eigenen Handlungen?
»Get Brexit done!«
Im Oktober schrieb ich, nach einem Nachmittag mit freundlichen (und generell hoffnungsvollen!) britischen Freunden: »Habe heute einige Zeit mit Briten verbracht. Verschiedene Leute, weitgehend unpolitisch. Zum #Brexit hatten sie nur eine Meinung: Raus aus der EU, selbst wenn es kosten sollte, raus, raus, raus. Unterschätzt nicht die Sehnsucht der Menschen nach Freiheit und Selbstbestimmung!« (@dushanwegner, 18.10.2019)
In Großbritannien haben sie nun eine vorzeitige Neuwahl einberufen, und der konservative Premierminister Boris Johnson hat die Wahl zum Plebiszit über den Brexit erklärt. »Get Brexit Done!«, war sein Slogan. Sein Gegenspieler war James Corbyn, ein Sozialist ganz alter Schule.
Johnson hat die Wahl gewonnen – sehr deutlich. »Erdrutsch-Sieg in Großbritannien« schreibt etwa bild.de, 13.12.2019. Die Chancen auf den »Brexit«, also die Selbstbefreiung Großbritanniens aus dem gottlosen Tempel des Brüsseler Molochs, sind gestiegen – so scheint es zumindest. Der 31. Januar 2020 gilt als neues Datum für den Schritt der Briten in die Freiheit.
Aus Erfahrung wissen wir, dass gewisse Globalisten nie »einfach so« eine demokratische Entscheidung hinnehmen werden. Die Energie und das Geld hinter den dubiosen NGOs, die ihre Anti-Demokratie-Aufmärsche in London und anderswo inszenieren (siehe etwa »Ich glaube den meisten Großdemos heute nicht – hier ist der Grund«), diese wenig demokratische Energie ist ja nicht weg! Wir bleiben gespannt – ich glaube es so ganz, wenn ich es sehe.
Und doch, trotz, bei und wegen allem, der Sieg der Konservativen in Großbritannien ist ein kleiner Sieg des δῆμος (des Volkes) über Globalisten und all die Profiteure, die Demokratie nur als einen von vielen Zügen ansehen, auf die sie aufspringen, wenn es ihnen als profitabel erscheint – und zur Not auch mal die Weichen umzulegen versuchen, wenn es nicht so läuft, wie sie es gerne hätten.
Schon klar – aber sonst?
Welches Land unter den Netto-Einzahlern würde heute noch in diese EU eintreten? Das von Propaganda und Staatsfunk weichgekochte Deutschland wahrscheinlich – schon klar – aber sonst?
Die EU ist wie ein Sparbuch, in das die einen Leute einzahlen und aus dem die anderen Leute sich auszahlen lassen. In Deutschlands östlichen Nachbarländen überbieten sich wahlkämpfende Parteien teilweise in den Versprechen, wer mehr Geld aus der EU ins eigene Land pumpen wird.
Eine Organisation, die eine Frau von der Leyen an ihre Spitze stellt – seien wir ehrlich! – die verabschiedet sich doch de facto aus dem Kreis dessen, was ohne Amputation von Anstand und Gewissen zu rechtfertigen ist. In der Berater-Affäre in ihrem früheren Ministerium kommen neue fragwürdige Details ans Tageslicht (tichyseinblick.de, 12.12.2019: »Verteidigungsministerium schwärzte offenbar Berater-Akten«) – ganz im Geist des »ist der Ruf erst ruiniert« kündigt diese Frau nun den »Green Deal« an, und plötzlich wird nicht mehr mit Milliarden jongliert sondern mit Billionen (siehe etwa bild.de, 27.11.2019). (Ich bin hundert Prozent sicher, dass das Geld nur den CO2-reduzierten Bananen-Plantagen in Norwegen und den klimaschonenden Segeltrips reicher Öko-Aktivisten aus Millionärsfamilien zugute kommt, und nicht etwa irgendwelchen Berater-Firmen, ob mit oder ohne Beteiligung von von-der-Leyen-Familienmitgliedern – so etwas würde die ehrenwerte Frau Doktor nie tun.)
Manche Entscheidungen lassen sich zuverlässig bewerten anhand der Reaktionen, die sie in gewissen Kreisen auslösen. Stellvertretend für viele andere linke und eher demokratie-kritische Reaktionen sei hier die aus dem deutschen Staatsfunk bekannte »Expertin« Ulrike Guerot erwähnt. Früher twittert sie ja noch kluge Dinge wie George-Soros-Zitate (@ulrikeguerot, 4.2.2012/archiviert), mittlerweile sind viele ihrer eigenen Bezüge zu Herrn S. verschwunden, so scheint es mir, oder nur auf Seiten Dritter zu finden (etwa opendemocracy.net/archiviert). Frau G. ist bekannt für ihren Hass auf die Idee der Nation an sich (sie träumt, wenn ich es richtig sehe, vom neuen Versuch eines europäischen Superstaates). Als Reaktion auf die demokratische Entscheidungen der Briten twitterte sie: »That’s how people must have felt in 1933. #Brexit #GeneralElection #ExitPolls« (@ulrikeguerot, 12.12.2019, archiviert). Natürlich… wer den Willen des Volkes umsetzen will, wer Freiheit und Demokratie ernst nimmt, ist der dadurch schon ein massenmordender Faschist? Nun, sagen wir mal so: Die Einstellung mancher hauptberuflichen EU-Fanatiker zu Demokratie, Freiheit und Selbstbestimmung scheint mir eher funktional anzumuten.
Die übrigen Reaktionen der Guten und Gerechten mit dem nicht immer eindeutigen Verhältnis zu demokratischen Werten gingen in ähnliche Richtungen. »Fuck the Tories« retweetete ein deutscher Staatsfunker, »Skrupellos an die Macht« titelte eine linke Zeitung online, und so fort. Hätte von der Leyen nicht mit der Bundeswehr das getan, was der ohnehin ächzenden EU noch bevorsteht, könnte Deutschland ja in Großbritannien einmarschieren, so aber…
Wie sollte Großbritannien sich denn entscheiden angesichts heutiger Nachrichten? Die EU plant den wirtschaftlichen Suizid mit der ganz, ganz großen Clownspistole. Jede Entscheidung Großbritanniens, außer der, so schnell wie irgend möglich auszusteigen, wäre latent irre gewesen – und gewissenlos gegenüber zukünftigen Generationen.
Beschränkte Wahrscheinlichkeit des Bestmöglichen
»Die Ehe ist der Sieg der Hoffnung über die Vernunft«, so sagen die Zyniker (und die zweite Ehe sei der zweite Sieg der Hoffnung, diesmal der Sieg über die Erfahrung). Nun, ich war stets ein Freund der Hoffnung – was bleibt denn als Alternative zur Hoffnung? Sich wie Kafkas Selbstmörder aus Angst vor dem Galgen den Strick zu nehmen? Der Strick, den die Hoffnung um unseren Hals legt, fühlt sich dann doch samtener an. Eine Zeit lang duftet der samtene Strick der Hoffnung, wenn er sich um unseren gestreckten Hals legt, nach fernen Stränden und Cocktails und Kokosnüssen, und das ist dann doch angenehmer, solange es andauert, als das rauhe Hanfseil der Einsicht in die beschränkte Wahrscheinlichkeit des Bestmöglichen.
Die Briten haben festgestellt, dass sich die Ehe mit immer mehr europäischen Ehepartnern sehr anders entwickelte, als einst versprochen worden war. Aus einer nützlichen Zweckgemeinschaft wurde eine toxische Co-Abhängigkeit mit sado-masochistischer Ader und ziemlich vulgärem ideologischem Überbau. Das ist nicht die Art von Beziehung, die man freiwillig eingeht – und wer stark ist und genug Achtung vor sich selbst hat, der versucht zumindest, aus so einer Beziehrung wieder heraus zu kommen und seine Zukunft wieder in die eigene Hand zu nehmen.
Man könnte mehr als einen Aspekt des Tory-Sieges in Großbritannien kritisch sehen, da sei kein Vertun (von der Ablehnung eines Referendums in Schottland bis hin zur Gegenwart und Zukunft des britischen Gesundheitssystems NHS), doch ich beschließe heute, den kleinen Sieg der Demokratie über Bürokratie, Globalismus und dubiose NGOs als ein Zeichen der Hoffnung zu deuten. (Es fällt auf, dass einige, welche die Demokratie-Bewegung in Hong Kong in Worten unterstützten, die Briten für ihren Wunsch nach Freiheit rügen. Ja zur Freiheit, aber nur woanders?)
Deutschland und die deutsche EU-Chefin segeln mit gruseligem Enthusiasmus auf die Klippen der Geschichte zu – die Briten haben nun zum zweiten Mal beschlossen, ihren Kurs lieber selbst zu setzen. Paris brennt, Brüssel spinnt, in Berlin wird der Sozialismus modern und in ganz Deutschland recken die Geister der DDR ihre kalten Finger aus dem Grab der Geschichte – was hätten die Briten denn sonst tun sollen als sich vom kollektiven Irrsinn abzukoppeln?
Kein Brite gibt sich der Illusion hin, mit dem Brexit würde »alles gut werden«. Die britischen Probleme von gestern sind auch die britischen Probleme von morgen – mit einem Unterschied: Die Briten können sich vom Brüsseler Diktat befreien und ihre Probleme selbst angehen.
Die Briten haben sich für Freiheit entschieden, gegen Propaganda und Manipulation, gegen NGOs und dubiose Großdemonstrationen.
Die Entscheidung der Briten war (und bleibt) die zwischen Freiheit und Sozialismus, zwischen Selbstbestimmung und Knechtschaft. Die Briten haben – wieder! – die Freiheit gewählt.
Nein, Johnson ist kein Heiliger. Nein, es wird nicht problemlos. Ja, manches wird hart werden. Die Briten wissen das sehr wohl – und sie haben sich für Freiheit entschieden.
Wenn viel Dunkelheit herrscht, dann ist die eine Kerze, die tapfer gegen die Finsternis anleuchtet, unsere beste Hoffnung.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf dushanwegner.com
Dushan Wegner (geb. 1974 in Tschechien, Mag. Philosophie 2008 in Köln) pendelt als Publizist zwischen Berlin, Bayern und den Kanaren. In seinem Buch „Relevante Strukturen“ erklärt Wegner, wie er ethische Vorhersagen trifft und warum Glück immer Ordnung braucht.