Es ist ein für beide Seiten tragischer Konflikt, in dem ein Teil (die muslimischen Araber Palästinas) seine Heimat verlor und dafür den anderen Teil (den Staat Israel) seit Jahrzehnten mit Raketen und Anschlägen terrorisiert. Das gilt vor allem für die Gegend um den winzigen Gazastreifen, in dem seit 2006 die islamistische Hamas eine Alleinherrschaft errichtet hat, auch mit Gewalt nach innen. Gegründet wurde die Terrororganisation 1987 als Ableger der ägyptischen Muslimbruderschaft. Ihr Herzstück war neben den paramilitärischen Kassam-Brigaden ein Hilfswerk, das die gröbste Not der Palästinenser im Gaza-Streifen lindern sollte – die die Hamas-Führer allerdings immer aufs Neue selber mit verursachen. Laut Joseph Croitoru, der 2007 das deutschsprachige Standardwerk zur Hamas vorlegte, haben Scheich Ahmad Jassin (1937–2004) und seine Mitstreiter in Gaza »eine ganze Generation im Geiste des Dschihad erzogen«. Dabei bekämpfte man nicht nur Israel mit Raketen und Granaten, sondern auch die sozialistische Fatah von PLO-Führer Jassir Arafat, zumal seitdem Arafat in Friedensverhandlungen mit Israel eintrat.
In Berlin-Moabit fand nun die 13. »Konferenz der Palästinenser in Europa« statt. Die seit 2003 alljährlich in verschiedenen europäischen Städten stattfindende Konferenz gilt laut Verfassungsschutzbericht des Landes Berlin »als wichtigste Propagandaveranstaltung der HAMAS in Europa«. Ausrichter des Treffens waren das seit 1996 in London ansässige »Palestinian Return Centre« und die 2009 in Berlin gegründete Palästinensische Gemeinschaft in Deutschland e. V., die beide als Tarnorganisationen der Hamas gelten. Die Aktivitäten der Hamas in Europa seien vor allem auf die Spendenaquise und das Netzwerken gerichtet, so der Berliner Verfassungsschutzbericht. Berlin ist schon zum zweiten Mal Tagungsort. Das ist kein Zufall – kam doch bei der letzten Konferenz 2018 in Mailand »die größte Teilnehmergruppe mit rund 250 Personen« aus der deutschen Hauptstadt.
Ganz Israel in den Farben der palästinensischen Flagge
Das neue Berliner Treffen scheint ein kleineres gewesen zu sein. Die B.Z. berichtet von etwa 150 Teilnehmern in dem Moabiter Festsaal mit Orient-Flair, der sonst vor allem für Hochzeiten gebucht wird. Nach einem arabischen Frühstück (roter Rettich, Zwiebeln und Weißbrotfladen) wurde zunächst die palästinensische und die deutsche Nationalhymne gespielt. Man forderte die Rückkehr von sechs Millionen palästinensischen Flüchtlingen nach Israel und in die besetzten Gebiete. Auch ein junger Tagungsteilnehmer – in Europa geboren und aufgewachsen – erwidert auf die Frage, ob er ins Land seiner Vorfahren zurückkehren will: »Inschallah.« Zu deutsch: »Wenn Gott will.« Im heutigen Israel entstünde so freilich eine neue Mehrheit, die arabischer Nation und muslimischen Glaubens wäre. So zeigen es auch die Fahnen und Embleme der versammelten Palästinenser: ganz Israel in den Farben der palästinensischen Flagge. Oder vielmehr: ein Palästina vom Mittelmeer bis zum Jordan und kein Israel mehr.
Der Innensenator würde die Konferenz »am liebsten verbieten«
Der Berliner Senat war im Vorfeld von Einzelpersonen und verschiedenen Organisationen dazu aufgerufen worden, die Konferenz zu verhindern. Innensenator Andreas Geisel (SPD) ließ verlauten: »Wir distanzieren uns ausdrücklich von den politischen Inhalten dieser Veranstaltung und würden sie am liebsten in unserer Stadt verbieten«. Doch da die Versammlung in einem Festsaal, also quasi privat stattfinde, hätten die Behörden wenig Möglichkeiten, ein Verbot durchzusetzen. Stattdessen behielt man aber die Lage »sehr intensiv im Blick«, schickte auch einen Polizeibus für die Nahsicht.
Am Sonnabend richtete Volker Beck (Grüne) eine Frage an das Auswärtige Amt und Minister Heiko Maas (SPD): »Wieviele Auftretende bei dieser Hamas-nahen Veranstaltung haben ein Visum und wieso haben sie das erhalten?« Daneben müsse man in verschiedenen Fällen »aufenthaltsbeendende und die politische Betätigung unterbindende Maßnahmen« prüfen. Im Klartext heißt das wohl: Der Grüne fordert Abschiebungen und das Verbot der Tarnorganisationen. Den »Kampf gegen Antisemitismus« sieht auch Henryk M. Broder in diesem Fall nicht ganz verwirklicht:
»Berliner Politiker aller Couleur, vom Regierenden und seinem Innensenator bis zu den Bezirksgranden, nutzen jede Gelegenheit – das heißt: jeden antisemitischen Vor- und Zwischenfall –, um sich breitbeinig und vollmundig vor das Berliner Prekariat zu stellen und zu verkünden, in Berlin gebe es keinen Platz für Antisemitismus.«
Doch eine Konferenz von Israelfeinden, die letztlich die Vernichtung Israels zugunsten eines neuerstandenen Palästinas fordern, werde nicht verhindert. Kein Wunder, dass auch der israelische Botschafter Jeremy Issacharoff ein Verbot der Konferenz forderte: »Dies wird kein Treffen, um Brücken des Friedens zwischen Israel und den Palästinensern zu bauen, sondern ein Treffen, um Unnachgiebigkeit und Feindseligkeit zu bewahren.«
Welche Rolle spielt Heiko Maas bei der UNO?
Der vollständige Titel der Konferenz lautete übrigens »Die Palästinenser in Europa und in der UNRWA«. UNRWA ist das 1949 begründete »Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge«, das im Gaza-Streifen ebenfalls als von der Hamas unterwandert gilt, dort Schulen und medizinische Einrichtungen betreibt. Auch die internationale Anerkennung durch die UNRWA wird so von den Hamas-Unterstützern ausgebeutet. Die USA zogen sich 2018 im Streit um die Anerkennung Jerusalems als israelischer Hauptstadt aus der Finanzierung der UN-Agentur zurück.
Das Verhalten von Maas und seinen Vertretern bei den Vereinten Nationen sorgt zuletzt wieder für Diskussionen. Ganze sieben Mal hat er in letzter Zeit gegen Israel stimmen lassen, so im Protest gegen die Besetzung der Golanhöhen und die fortdauernde Besetzung palästinensischer Gebiete. Angeblich habe man mit diesem Abstimmungsverhalten versucht, »für Israel noch nachteiligere Beschlüsse zu verhindern«, wie der »Tagesspiegel« auf Nachfrage zu hören bekam. Egal wie man zu den Entscheidungen steht, die Begründung muss verwundern, verrät sie doch ein nur sehr gering ausgeprägtes Rückgrat. Deutschland fehlt international eine Stimme, die sich hören lassen kann.