Die Frage, mit der Heide Simonis in die Geschichte der politischen Kultur in Deutschland einging, stellen sich vermutlich derzeit einige Berufspolitiker: „Und was wird aus mir?“ Für SPD-Politiker, die angesichts aktueller Umfragewerte damit rechnen müssen, dass sie dort auch nicht länger als bis zur nächsten Wahl bleiben werden, stellt sie sich vermutlich besonders dringlich. Zumindest Florian Pronold schien aber eine beruhigende Antwort darauf gefunden zu haben. Er soll Direktor der in (Neu-)Gründung befindlichen Berliner Bauakademie werden.
Ein gelernter Bankkaufmann und Jurist, der mit 30 Jahren 2002 in den Bundestag kam und seit 2013 Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesumweltministerium ist, soll also künftig eine intellektuelle Institution für Architekten und andere Fachleute des Bauens leiten. Spötter mögen sagen: Ein Bauakademiedirektor, der das Bauen noch lernen muss, passt doch zur Hauptstadt, die keinen Flughafen fertiggestellt bekommt und deren Senat ohnehin alles dafür zu tun gewillt scheint, dass bald auch keine Wohnungen mehr gebaut werden.
In der Ausschreibung steht: „Als ideale Kandidatin (m/w/d) verfügen Sie über ein abgeschlossenes, für die Themen der Bauakademie relevantes Hochschulstudium; Promotion oder Habilitation sind wünschenswert. Sie sind in der Welt des Bauens angesehen und themenübergreifend tätig, kennen und gestalten nationale und internationale Entwicklungen und Debatten im Baubereich mit.“ Üblicherweise würde sich auf eine solche Ausschreibung jemand ohne Doktor- und Professorentitel kaum mit Aussicht auf Erfolg bewerben.
Susanne Wartzeck, Präsidentin des Bundes Deutscher Architekten BDA, hat zwar nicht mitunterschrieben, kritisiert aber gegenüber dem Tagesspiegel ähnlich: „Da wird jemand aus dem kulturellen Leben gesucht, der aus dem Architekturbereich kommt, vielleicht promoviert oder gar habilitiert wurde und vielleicht auch international Erfahrung mitbringt und dann finde ich jemanden, der ganz anders ist, als der, den ich gesucht habe.“
Wie konnte das also passieren? Vermutlich liegt es auch daran, dass diese Entscheidung nicht wie bei akademischen Berufungen unabhängig von politischen Gremien stattfand, sondern der Stiftungsrat einer eigens dafür im Bundesinnenministerium gegründeten Bundesstiftung auf der Grundlage einer Empfehlung einer Findungskommission entscheidet – und der gehörten auch politische Vertreter an. Bei letzteren könnten also durchaus auch andere Kriterien als Kenntnisse in Architektur oder Bau-Kultur eine Rolle gespielt haben. Aber wer wird das schon offen bestätigen wollen?
Die Findungskommission ließ sich laut Pressemitteilung nicht zuletzt dadurch von Pronold überzeugen, dass ihm die Akademie ein „Herzensanliegen“ sei. Offenbar war man da extrem beeindruckt, weil die Direktorenstelle deutlich geringer vergütet wird als das Mandat als Parlamentarischer Staatssekretär. Allerdings kann Pronold eben keineswegs sicher sein, dass er in zwei Jahren überhaupt noch im Bundestag sitzt. Der Zustand seiner Partei könnte mit seinem Herz fürs Bauen durchaus in enger Beziehung stehen.
Die Verantwortlichen rechtfertigen ihre Entscheidung auch mit dem Argument der politischen Erfahrungen Pronolds. Klar, die vielfältigen Erfahrungen aus 17 Jahren Berufspolitik und die daraus erwachsenen Kontakte sind sicher auf fast jedem Berufsfeld in der ein oder anderen Weise nützlich anwendbar. So wie auch einer führenden Mitarbeiterin der Arbeiterwohlfahrt die Ehe mit dem Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt am Main in mancher Hinsicht förderlich gewesen sein dürfte.