Gerade einmal einundvierzig Jahre alt, aber innerhalb der SPD wirkt der in Soltau geborene Generalsekretär Lars Klingbeil wie ein alter Hase – zumindest was seine Karriereplanung betrifft, ohne je wahre Leistungsnachweise erbracht zu haben. Klingbeil will weiter machen, obwohl ihm und dem Seeheimer Kreis dieses Bewerber-Casting nun auf die Füße gefallen ist – statt Scholz-Geywitz blassrot, siegte das tiefrote Duo Walter-Borjans und Esken.
Der SPD-Generalsekretär kommt oft wie ein großer gemütlicher und tapsiger Bär daher, der von seinen Genossen gern geknuddelt werden möchte – obwohl er oft dabei erwischt wird, wie er mit der Rückseite das Porzellan vom Kaffeetisch stößt.
Es scheint nicht nur so, es ist auch so, Streicheleinheiten bekommt Klingbeil ebenso wie Heiko Maas nur noch intern von treu ergebenen Genossen im Juso-Alter oder von denen, die der Generation Klingbeil selbst angehören.
Draußen in der Bevölkerung und beim Wähler hat Lars Klingbeil schon deshalb gar kein Standing, weil er sich hier bisher nahezu unbekannt ausnimmt. Er bewegt und berührt nichts und niemanden. Generalsekretäre der Sozialdemokraten, wie zum Beispiel Klingbeils Vorgänger, Franz Müntefering (1999 – 2002), Hubertus Heil (gleich zwei Mal) oder Olaf Scholz (2002 – 2004), Katarina Barley oder Andrea Nahles konnten sich über diesen Job auf höhere Posten bewerben.
An die Namen Klaus-Uwe Benneter oder Yasmin Fahimi erinnert sich kaum noch jemand. So könnte es auch Lars Klingbeil irgendwann ergehen – es sei denn, das Spielchen der Sozialdemokraten geht dahingehend weiter, dass der studierte Politologe und ehemalige stellvertretende Juso-Vorsitzende irgendwie noch upgegraded, also befördert wird, trotz der Niederlagen und der momentanen Situation der Genossen, die eindeutig auch Klingbeil zu verantworten hat. (Das Problem der SPD ist tatsächlich, dass schon zig Neuanfänge postuliert wurden, jedoch mit den alten System- und Verlierergesichtern wie Scholz, Maas, Stegner sowie anderen wie Johannes Kahrs, aber die Wähler haben die alte Tante SPD längst durchschaut).
Lars Klingbeil, von Martin Schulz höchstpersönlich gerufen und zum Generalsekretär gemacht, war für Schulz am Ende keine Hilfe mehr, sondern eher eine Bremse für den euphorisch gestarteten Schulz-Express. Am Ende stand Klingbeil Sigmar Gabriel und Nahles stets näher als Schulz.
Richtig gearbeitet im eigentlichen Sinne, so wie es das stets beschriebene SPD-Klientel noch tut, ob als Aufstocker oder mit gutem Auskommen, hat Klingbeil jedoch nie. Er ist ein Parteien-Karrierist. Strippenzieher unter sich: Der Friedrich-Ebert-Stipendiat kennt nur seine SPD der Schulterklopfer und Genossen im Seeheimer Kreis, zu dem er sich zugehörig bekennt.
Als konservativ beschreiben sich die Seeheimer. Was jedoch immer nur heißt, bitte kein Ultra-Sozialismus, aber doch stets belehrend, wie die Bürger zu leben haben. Das heißt auch, zu bestimmen, wer als rechtsradikal zu gelten habe, und stets für die bunte Vielfalt zu sein. Migranten und männliche, auffällige Flüchtlinge dürfen nicht kritisiert werden. Eher kloppt man auf die eigenen Bürger ein. Und es heißt, dass man auf Teufel komm raus mitregieren muss, auch wenn man nicht Koch, sondern bloß Kellner sein kann. Der ehemalige SPD-Innenminister Otto Schily würde heute wohl als Rechtskonservativer gelten, nah am Ausschlussverfahren.
Auch Klingbeil bekannte sich jüngst in einer älteren ARD-Doku zur Antifa, die er unterstützt habe, und dann komme diese AfD mit ihren Wahlerfolgen in den Ländern und im Bund als größte Opposition. Die Siege der AfD sind natürlich die Niederlagen der SPD und damit auch die des Generalsekretärs aus Niedersachsen. Mit einem leicht krampfig wirkenden Gesichtsausdruck wird das Versagen weg gelächelt.
Noch schwerer aber wiegt wohl das Fiasko, für das Klingbeil mit seiner immens langen Wahlveranstaltung zur Bundesvorstandsfindung verantwortlich zeichnete. Als Organisator, Koordinator und Moderator. Anfangs fanden es einige wohlmeinende Medien ja noch „funny“ und interessant – von den Castings auf den Regionalkonferenzen gab es ja auch was zu schreiben. Die Spannung war da, die Hallen und Säle recht voll. Je länger das Verfahren aber dauerte, die Idee war ja nicht neu, sondern von den Grünen kopiert, umso ungeduldiger wurden die Genossen, Mitglieder und Medien – denn draußen schlitterte die Regierung von einer Krise zur nächsten, und der GroKo-Partner wirkte abwesend wie Angela Merkel. Alles drehte sich um diese SPD-Castingshow.
Zumindest für Esken sind Venezuela und die DDR wohl nicht Warnung genug – der Sozialismus verdient eine weitere Chance, mehr Klimaschutz, mehr Verstaatlichung und mehr Massenarbeitslosigkeit – aber dafür halt mehr Freizeit. Bei Anne Will saßen Esken und Walter-Borjans bereits neben Katja Kipping von der Linken.
Aus unbekannten Quellen wurde kolportiert, der gesamte Seeheimer Kreis hätte dabei Krampfanfälle und Schüttelfrost bekommen – mehr Aversion gegen dieses Duo geht kaum. Lars Klingbeil, der nun zum „Generälchen“ geschrumpft ist, sich aber immer noch als Digitalisierungs-Guru für unverzichtbar hält, hat seinen Verbleib auch „unter diesem Vorstand“(!), bereits signalisiert. Eigentlich wären Scholz und Klingbeil reif, endlich ihre Plätze zu räumen.
Nur, was kommt danach? Scholz könnte sozialverträglich in Pension gleiten – und Lars Klingbeil? Der könnte vielleicht wieder zur Bahnhofsmission Hannover zurückkehren. Dort wo einst alles begann als Zivildienstleistender, und das sagen wir ganz ohne Häme und mit viel Respekt.
Klingbeil könnte dort die Leitung übernehmen, und endlich mal wieder richtig arbeiten, etwas wichtiges leisten – wie man mittellosen und gestrandeten Menschen wieder auf die Beine helfen kann, das hat er ja damals gelernt. Der schwächelnden und alternden sozialdemokratischen Tante SPD jedoch trat er ständig nur auf die Füße.