Saskia Esken – die neue Frau an der Spitze der SPD, die im Nordschwarzwald zu Hause ist – träumt immer noch vom Sozialismus („Wer Sozialismus negativ verwendet, hat keine Ahnung“), pocht auf das „Menschenrecht auf Einwanderung“ und holte bei der letzten Bundestagswahl in ihrem Wahlkreis nicht einmal 17 Prozent der Erststimmern. Nach dem Abitur hat Esken ein Studium der Germanistik und Politikwissenschaft in Stuttgart abgebrochen und absolvierte anschließend an der Akademie für Datenverarbeitung Böblingen, einem Ableger der Staatlichen Berufsbildenden “Gottlieb-Daimler-Schule 2“ in Sindelfingen, eine Ausbildung zur staatlich geprüften Informatikerin.
Ihr Tandempartner Norbert Walter-Borjans (NoWaBo) war niemals Abgeordneter und fällte als Kölner Stadtkämmerer 2009 eine richtungweisende steuerpolitische Entscheidung: Eine Bettensteuer von fünf Prozent des Übernachtungspreises wurde eingeführt. NoWaBo legte als NRW-Finanzminister dem Landtag gleich drei nicht verfassungsgemäße Haushalte (extreme Überschuldungen) vor. Er kaufte illegal „Steuer-CDs“, um Steuersünder zur Strecke zu bringen und gilt deshalb vielen Schweizern noch heute als „kriminell“ – während Linke ihn als „modernen Robin Hood“ (Bild-Zeitung) verehren.
Bisher hat man den Eindruck, als wollten zwei Regional-Politiker plötzlich in der „Nationalelf“ der Politik Furore machen. Wahrscheinlich gilt aber auch hier die Bibel-Weisheit: Viele fühlen sich berufen, aber wenige sind auserwählt.
Wahl-Procedere widerspricht dem Geist des Parteiengesetzes
Das neue Vorsitzenden-Paar ist lediglich von etwas mehr als einem Viertel der stimmberechtigten Mitglieder gewählt worden – knapp die Hälfte der Genossen hat sich gar nicht an der Abstimmung beteiligt –, demnächst soll ein Bundesparteitag die Entscheidung der „Basis“ abnicken. Ein Novum in der deutschen Parteiengeschichte.
Dieses Entscheidungsverfahren widerspricht dem Geist des Parteiengesetzes in der deutschen parlamentarischen Demokratie. Denn eine richtungsweise Entscheidung der Parteitagsdelegierten ist vorher – de facto zwingend – präjudiziert worden durch das Votum einer Minderheit an der Parteibasis. Mehr noch: Dass jetzt so verfahren wird, beruht auf einer Prozedur-Entscheidung von sehr kleinen Führungsgruppen, die „außerhalb satzungsmäßiger Gremien gefällt wurde“ (Ach gut).
Was sagen die Medien in Deutschland – und darüber hinaus die Zeitungen im internationalen Raum – dazu, dass das Duo Esken/NoWaBo nun bald schon die Partei führen wird, die einst eine große und stolze (linke) Volkspartei gewesen ist?
Was sagt die deutsche Presse?
- Hamburger Abendblatt (Hamburg): „Die innerparteilichen Strömungen. die die Sozialdemokratie linker als die Linkspartei und grüner als die Grünen machen wollen, stellen erstmals die Mehrheit.“
- Die Welt (Berlin): „In der SPD hat die Anomie um sich gegriffen. Die unten wollen offensichtlich in ihrer Mehrheit mit der Tradition der Sozialdemokratie als Staatspartei brechen und die Partei in eine Art Sozial-NGO verwandeln.“
- FAZ (Frankfurt am Main): „Durch die SPD geht ein Riss. Staatspolitische Verantwortung der Partei ist nicht mehr erkennbar. Es ist ein sensationeller Sieg über Olaf Scholz.“
- Süddeutsche Zeitung (München): Durch die „Wahl von Esken und Walter-Borjans widerrufen die Sozialdemokraten ihr Votum für die große Koalition, brüskieren ihre Bundespolitiker und überlassen einer CDU in der Krise auch noch das Heft des Handelns“. Borjans, „der einstige Landesfinanzminister, wird es genauso schwer haben, auf Augenhöhe mit vom Volk gewählten sozialdemokratischen Ministerpräsidenten zu gelangen, wie Esken Mühe haben wird, sich in der Bundestagsfraktion mehr Respekt zu verschaffen, als sie bisher hatte“. Und da sei „noch kein einziges Gespräch mit dem Koalitionspartner geführt“.
- taz (Berlin): „Fakt ist: 45 Prozent haben sie nicht gewählt. Auf dem Parteitag einen irrealen Forderungskatalog für Verhandlungen mit der Union durchzuprügeln, ist keine gute Idee. Diese neue Führung sollte den Spruch von Walter-Borjans‘ Vorbild Johannes Rau beherzigen: Versöhnen statt spalten. Sonst kann aus dem Aufbruch schnell ein Abbruchunternehmen werden.
- Bild am Sonntag (Berlin): „Jetzt fängt das Chaos richtig an! Für die SPD. Für die Union. Für die Regierung. Für Deutschland“.
- Bild (Berlin): „Erdbeben bei der SPD“: „Kevin Kühnert (…), Chef der Jusos, hat sein Wunsch-Duo durchgesetzt.“ Der neue Co-Vorsitzende „Nowabo wirkt beamtenhaft“. Seine Tandem-Partnerin habe sich bisher nur „auf die Digitalpolitik spezialisiert“.
- Tichys Einblick (Frankfurt): „Juso-Chef Kevin Kühnert (…) jubelt. Und die Linkspartei jubelt mit. (…) Es ist nur der vorläufige Schlusspunkt zur Linksradikalisierung der SPD.“
- Junge Freiheit (Berlin): Die Wochenzeitung verweist auf den jetzt schon desolaten Zustand der SPD: „“Laut Umfragen (…) würden die SPD gegenwärtig etwa 14,5 Prozent der Wahlberichtigten wählen.“
Internationale Stimmen
- Le Monde (Paris): „Ein schlimmeres Szenario hätte sich Angela Merkel nicht vorstellen können.“ Die Zeitung befürchtet, dass das Wahlergebnis zum „plötzlichen Abgang“ der Kanzlerin führen könnte.
- Wall Street Journal (New York): Die US-Tageszeitung sieht Merkels Kanzlerschaft nicht unmittelbar in Gefahr. Das Wahlergebnis mache aber deutlich, welcher Druck auf der politischen Mitte laste, die in den vergangenen Jahren immer weiter geschrumpft sei. „Dies bedeutet, dass Europas größtes Land auf Monate der erneuten Ungewissheit eingestellt ist, da sich die Parteien auf einen neuen Wahlgang vorbereiten.“
- Bloomberg (New York): Der Finanzdienst stellt fest: „Merkels Koalition wird im Kern erschüttert.“
- Der Standard (Wien) Dass die Große Koalition in Berlin bis zum Ende dieser Legislaturperiode Bestand hat, „ist mit der Wahl der neuen SPD-Chefs ein großes Stück unwahrscheinlicher geworden“.
- Neue Zürcher Zeitung (Zürich): „Die Tür zu einem politischen Wechsel in Deutschland ist aufgegangen. Mit der klaren Wahlempfehlung für das linke Duo Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken als neue SPD-Vorsitzende läuft die Zeit für die große Koalition ab.“ Die Große Koalition habe Deutschland „im Inneren wie im Äußeren“ gelähmt. Das designierte Führungstandem werde jetzt politisch „Druck machen, Fraktion und eigene Minister in die Parteipflicht nehmen, Vorgaben für den Kurs der Regierung in der Wirtschafts- und Sozialpolitik machen, die Bundeskanzlerin Angela Merkel und die CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer nicht hinnehmen werden“. Ob es den beiden gelinge, die SPD damit wieder auf die Beine zu stellen, sei „zweitrangig“: Die deutsche Politik steuere „längst in eine andere Richtung“: „Sie heißt Schwarz-Grün.“