Tichys Einblick
Geld oder Klima?

EZB will statt Geld- zukünftig Klimapolitik machen und damit Macht gewinnen

Die EZB will noch mehr Macht - durch Klima-Politik. Die auf Geldwertstabilität ausgerichtete Deutsche Bundesbank wird damit endgültig entmachtet und durch die jüngste Personalentscheidung ihr endgültiger Abschied in die Bedeutungslosigkeit betoniert.

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Anfangs hofften Beobachter, die neue EZB-Präsidentin Christine Lagarde würde die expansive Politik ihres Vorgängers Mario Draghi umstoßen – immerhin sprach sie in Frankfurt zunächst von einer Überprüfung der Nebenwirkungen der Null- und Negativzinspolitik und die EZB warnte erstmal vor den Folgen ihrer eigenen Politik.  Aber es sollte schnell anders und schlimmer kommen: Lagarde will die Geldpolitik auf „Klimawandel, Umweltschutz und Nachhaltigkeit als zusätzliche Kernaufgaben“ ausrichten.

Das sind nicht nur die großen, politisch-korrekten Schlagworte der aktuellen Debatte: Damit verabschiedet sich die EZB von der strikt auf Geldwertstabilität als ebenso einziger wie heiliger Aufgabe der Zentralbank. Die Behandlung des Klimawandels sei von „missionskritischer Bedeutung“, sagt sie. Klima statt Geld lautet also die Mission. Schon als IMF-Präsidentin hat Lagarde vor den Folgen eines Klimawandels gewarnt und eine «grüne Geldpolitik» befürwortet: «Wenn wir jetzt nichts gegen den Klimawandel unternehmen, werden wir in fünfzig Jahren getoastet, geröstet und gegrillt.» Es ist eine maximale Machtausweitung: Mit dem Einstieg in die Klimapolitik würde allerdings die EZB früher als später direkte Industriepolitik betreiben: Nur wer ihr genehme Investitionen tätigt, erhält Kredit, lautet die vereinfachte Formel. Die EZB wird zur neuen Planwirtschaftsbehörde.

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Noch weigert sich Bundesbank-Chef Jens Weidmann da mitzuspielen. Er sieht den Versuch, mit der Geldpolitik den Klimawandel zu bekämpfen, „sehr kritisch“. Natürlich müsse man die wirtschaftlichen Auswirkungen des Klimawandels besser verstehen und in die Analysen einbeziehen, beispielsweise wenn extremes Wetter die Schwankungen bei Wachstum und Inflation erhöhen könnte. Geldpolitik müsse die Klimarisiken im Blick haben, genau wie die Bankenaufsicht. Aber die Beeinflussung sei nicht die Aufgabe Geldpolitik sondern des Staates. Aber mit keinem anderen Argument läßt sich politischer Einfluss derzeit so leicht gewinnen wie mit „Klima“. Es ist längst eine Chiffre und Rechtfertigung für wachsenden staatlichen Einfluß.

Mit seiner Beschränkung auf begrenzte Aufgabenstellung steht Weidmann ziemlich allein da in einer Zeit, in der Macht zentralisiert und die diffizile Gewaltenteilung abgeschafft wird. Weidmann war ein denkbarer Kandidat für die Nachfolge von Mario Draghi. Doch Merkel hatte gar nicht erst versucht, ihren früheren Abteilungsleiter Wirtschaft im Kanzleramt als EZB-Chef durchzusetzen – zu viel Eigenständigkeit hat er in dem auf Eigenständigkeit ausgelegten Amt des Bundesbankpräsidenten entwickelt. Zu weit weg ist er von der neuen Geldpolitik, die praktischerweise die Staatsverschuldung und Staatsfinanzierung erleichtert wie nie zuvor und den Regierenden freie Hand bei den Staatsausgaben ermöglicht.

Die EZB übernimmt damit immer mehr die Rolle eines EU-Wirtschaftsministeriums, das den Nationalstaaten übergeordnet ist und die Euro-Länder am Zügel führt. Die Entscheidung für Lagarde statt für Weidmann ist nicht die einzige Personalie, mit der sich Merkel hinter den neuen Kurs der EZB stellt. Demnächst tritt Isabel Schnabel als Nachfolgerin von Sabine Lautenschläger im EZB-Direktorium ihr Amt an; sie ist die erklärte Wunsch-Kandidatin der Bundesregierung. Lautenschläger hatte in der Tradition der Bundesbank gehandelt, wie etwa ihre Bundesbank-Vorgänger in der EZB, die früheren Chefvolkswirte Otmar Issing und Jürgen Stark, die aus Protest gegen die „romanische“ Form der Geldpolitik zur Staatsfinanzierung aus der Notenbankpresse zurücktraten. Solche Kritik ist von ihrer Nachfolgerin nicht zu erwarten. Schnabel gilt als „Taube“ – also als Vertreterin eines lockeren geldpolitischen Kurses, der drohende Inflation und langfristige Geldwertstabilität nicht so wichtig ist. Ein kurzer Tweet von ihr hat die feine Gruppe derer, die sich noch für Geldpolitik interessieren, kräftig durcheinander gewirbelt: „Dear fellow German economists“, twitterte sie am 20. November, „wenn Sie wissen wollen, was Sie für Europa tun können: Bitte helfen Sie mit, die schädlichen und falschen Erzählungen über die EZB-Geldpolitik zu vertreiben, die in politischen und medialen Kreisen herumfließen.“

Ihr Tweet ist ein Politikum, ein paar Nummern kleiner als Donald Trump Kracher, aber in der geldpolitischen Gemeinschaft genauso aufmerksam verfolgt. Denn sie ordnet sich damit demonstrativ dem Draghi-Kurs unter, der den Euro mit allen Mitteln verteidigen will – koste es, was es wolle. Was ihr als Professorin als Diskussionsbeitrag abgenommen worden wäre, entfaltet eine andere Wirkung, seit klar ist, dass sie in die zukünftige Wirtschaftsregierung Europas einzieht: Denn das ist die neue Rolle, die EZB-Präsident Draghi der Bank erkämpft hat und die jetzt Lagarde mit der Legitimation durch die Klimaveränderung noch weiter ausdehnen will: Sie bestimmt wesentlich über den Wirtschaftskurs Europas, nicht mehr nur über Geld und Zinsen sondern über Haushalt und Staatsverschuldung und zukünftig auch über private Investitionen. Ausdrücklich hinter Schnabel stellte sich jener Marcel Fratzscher, der als Chef des gewerkschaftsnahen Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung und bekennender EZB-Lover bekannt ist: „Deutschland gerät in eine gefährliche Anti-Europa- und Anti-EZB-Hysterie, die der Glaubwürdigkeit der EZB, dem Euro und letztlich ganz Europa schaden könnte.“

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Da ist es wieder, noch lauter als bei Schnabel: Wer die Geldpolitik der EZB kritisiert, kann kein guter Europäer sein – und wer ein guter Europäer ist, der garantiert als deutscher Bankkunde auch gerne dafür, dass die Banken anderer Länder mit seinen Ersparnissen saniert werden können: Das ist das derzeit laufende, unmittelbare Vorhaben der „Vergemeinschaftung“ der Geldpolitik: Die europäische Einlagensicherung hält Schnabel „für einen ausgesprochen wichtigen Vorstoß.   Dazu gehört auch die in Deutschland wenig populäre Einlagensicherung.“ Schnabels Begründung ist allerdings eher erschreckend als beruhigend: Nicht nur italienische Banken, auch deutsche Banken seien gefährdet. Kritiker der Einlagensicherung gingen davon aus, so Schnabel „dass es den deutschen Banken blendend geht und den italienischen schlecht. Das stimmt in dieser Allgemeinheit nicht. Auch hierzulande gibt es Banken, die nicht gerade glänzend dastehen.“ Mit anderen Worten: Auch in Deutschland bestehe die Gefahr einer Bankenpleite, die so gewaltig sein könne, dass nationale Sicherungssysteme nicht ausreichen und das gesamte finanzielle Löschpulver Europas für den wirtschaftlichen Flächenbrand gefordert sei. Das Argument pro europäischer Bankensicherung ist ein Alarmsignal für Anleger, die ihr Geld nicht der EZB und der EU anvertrauen wollen.

Schnell flogen der forschen noch-nicht-ganz-EZB-Direktorin die Brocken um die Ohren: CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak beklagte die Umverteilung von unten nach oben, Allianz-Chef Oliver Bäte referierte gleich ein halbes Dutzend Kritikpunkte: In der Zinspolitik der EZB gäbe es „Denkfehler“, die die Investoren in risikoreiche Anlageklassen zwingen – am Ende „zu Lasten der privaten Sparer“. Auch ihre Grundhaltung wurde Schnabel vorgeworfen: Letztlich hat sie Merkels Formel von der „Alternativlosigkeit“ in die Geldpolitik eingeführt. Was denn solche „schädlichen und falschen Erzählungen“ seien , wollte der Leipziger Ökonom und Fast-Namensvetter Gunther Schnabl wissen. Könne die EZB wirklich über gut und böse befinden und seit wann sei in der Wissenschaft die Diskussion für beendet erklärt? Die Umformung vorübergehender wissenschaftlicher Erkenntnisse in ein endgültiges Dogma, das wie ein Glaubenssatz des Mittelalters nicht mehr in Frage gestellt werden darf, ist eines der Merkmale der Klimapolitik und die Abschaffung kritischer Suche. Zwar distanzierte sich Isabell Schnabel schnell von ihrem Tweet; sie habe keinesfalls die wissenschaftliche Debatte beenden wollen. Zu spät. Der in Großbritannien lehrende Ökonom Richard Werner drehte Schnabels Argumentation glatt um: „Stimmt. Wir müssen dazu beitragen, den Mythos zu zerstreuen, dass die Politik der EZB in irgendeiner Weise gut für Europa ist. Sie zerstört Tausende von Genossenschaftsbanken, hat Blasen und Scheinblüten verursacht und zu einer gewaltigen Dislokation geführt, dem größten Schock, der bisher in Deutschland zu verzeichnen war. Müssen die schädlichen Richtlinien der EZB aufdecken.“ (eigene Übersetzung)

Umverteilung durch die EZB von unten nach oben

Globuli-Aktien
Markus Krall: Wie sichert man sein Geld vor dem Banken-Crash?
Schnabels Tweets wirken wohl ungewollt wie ein Brandbeschleuniger in einer zunehmend aufgeregten Debatte über die Folgen der EZB-Zinspolitik. Bislang hatten Banken die Null-Zinsen eher für eine vorübergehende Phase gehalten. Wenn dies aber zum neuen Normalzustand wird, wie jetzt deutlich wird, ist ihr Geschäftsmodell in Gefahr. Denn Banken leben davon, dass sie Spareinlagen hereinnehmen und in teurere Kredite transformieren. Insbesondere Sparkassen und Volksbanken leben von der Zinsmarge, die nun auf Dauer wegbricht. Sie versuchen, wie jeder Kunde zu spüren bekommt, dies durch Gebühren Wett zumachen. Aber das reicht natürlich nicht. Kaum betroffen sind Investment-Banken wie Goldman-Sachs; sie leben nicht vom Zins, sondern von den Beratergebühren bei Firmentransaktionen. Bankenkrisen klassischer Banken sind damit programmiert; der andauernde Stellenabbau und wegfallende Filialen sind ein Ausdruck davon. Isabel Schnabels Sorge über die Schwäche deutscher Banken bestätigt diese Überlegungen – und kann Anlegern Angst einzuflössen

Die Null-Zinspolitik ist aber auch eine gigantische Umverteilungsmaschine von unten nach oben. Immobilienpreise steigen bekanntlich; aber auch Aktienkurse oder der Goldpreis erreichen längst Spitzenniveaus. Bei Vermögensanlagen herrscht längst eine galoppierende Inflation. Wer hat, dem wird dadurch gegeben. In den Villen der Wohlhabenden, die Aktien und Immobilien besitzen, vergolden sich quasi die Wasserhähne und Kloschüsseln von alleine. Wer dagegen keine Immobilie, Aktien oder Gold besitzt, nimmt daran nicht teil, im Gegenteil: Die Mieten explodieren, Wohneigentum wird unerschwinglich.

Bei den Aktien ist dies unauffällig, weil niemand in den Depots der Anleger wohnt. Aber die Wirkung ist ähnlich: Unternehmen kaufen derzeit vielfach eigene Aktien zurück; das steigert den Kurs weiter weil der Wert des Unternehmens sich auf weniger Anteilsscheine verteilt. Aber real wachsen die Unternehmen nicht mehr, sie schaffen keine Arbeitsplätze und investieren nicht mehr. Damit folgen auf die wirtschaftlichen Konsequenzen auch politische: Wachsende Ungleichheit durch ein aus den Fugen geratenes Geldsystem gefährdet die soziale Stabilität. Dazu kommen die Probleme der Altersversorgung: Rund 15 Millionen Riesterverträge sind ein Erfolg für eine Politik, die das Umlageverfahren durch eine kapitalgestützte Säule ergänzen wollte. Doch die Zahl der Riesterrenten stagniert, weil die Erträge mangels Zinsen gegen Null tendieren. Ähnlich betroffen sind Lebensversicherungen und berufsständige Versorgungswerte. Das alles sind Nebenwirkungen der Geldpolitik. Doch darum wird sich Lagarde und ihre Frauschaft nicht kümmern, im Gegenteil: Mit der Übernahme der Klimapolitik dehnt sie ihre Macht erst so richtig aus.

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