Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Bild, das Donald Trump kürzlich auf Twitter von sich verbreitet hat, und seiner jüngsten Entscheidung im Konflikt mit China? Vielleicht nicht. Trotzdem ist es ein hübscher Zufall, dass sich der amerikanische Präsident just in dem Moment als starker Mann mit gephotoshoptem Rocky-Balboa-Körper zeigte, in dem er sich hinter die beiden Hongkong-Gesetze des amerikanischen Kongresses stellte, sie nicht – wie von Peking erhofft – mit einem Veto belegte, sondern unterzeichnete.
Mitten im Handelskonflikt mit China eröffnet der Präsident damit einen Nebenkriegsschauplatz. Dabei geht es um zwei Gesetze, die zuvor fast einstimmig vom Kongress beschlossen wurden. Zum einen ist da das Gesetz zur Stärkung von Menschenrechten und Demokratie in Hongkong, das Sanktionen gegen Personen vorsieht, die die Autonomie und Rechtsstaatlichkeit Hongkongs bedrohen. Außerdem soll der US-Außenminister gemäß dem Gesetz einmal im Jahr darüber entscheiden, ob Hongkong noch hinreichend autonom ist, um die Handelsvorteile im Verkehr mit den USA zu verdienen. In einem zweiten Gesetz wird die Lieferung von Tränengas, Gummigeschossen, Tasern und anderem an die Hongkonger Polizei ab sofort ausgeschlossen.
Die chinesische Führung gibt sich empört, getroffen, könnte man sagen, und reagiert mit Breitseiten gegen Trump. US-Botschafter Terry Brandstad wurde einbestellt, um ihm den »starken Protest« der Pekinger Führung gegen die neuen Gesetze mitzuteilen. Außenminister Wang Yi sprach von einer »unverhohlenen Einmischung« in die inneren Angelegenheiten Chinas und von amerikanischem Vormachtstreben. Die USA wollten Hongkong ins Chaos stoßen, vielleicht zerstören. Man werde mit »harten Gegenmaßnahmen« reagieren. Trump ließ unterdessen verlauten, er habe das Gesetz »aus Respekt für Präsident Xi, für China und das Volk von Hong Kong« unterschrieben, und rief zu einer freundschaftlichen Lösung des Konflikts auf.
Auf einen grundlegenden Konflikt hat einer der Initiatoren der beiden Gesetze aufmerksam gemacht. China müsse »verstehen, dass die USA es bei den Menschenrechten ernst meinen«, auf die demokratischen Proteste dürfe nicht mit Gewalt, Folter und Inhaftierungen reagiert werden, so der Republikaner Chris Smith. In Hongkong findet der »Clash zwischen dem westlichen Lebensgefühl und dem Autoritarismus der Kommunistischen Partei Chinas« statt.
Trump verbindet das Opportune mit dem Nützlichen
Trumps Entscheidung könnte im übrigen mehr mit dem Handelskonflikt der beiden Supermächte zu tun haben, als auf den ersten Blick erkennbar ist. Bis jetzt hatte Hongkong den Chinesen auch als Schlupfloch im Handelskonflikt mit den USA gedient, denn auf Waren aus dem Stadtgebiet galten nicht die erhöhten Importzölle wie für die Volksrepublik. Außerdem konnte China über Hongkong auch sicherheitsbeschränkte Güter – wie Halbleiter oder Raumfahrt- und Militärgüter – aus den Vereinigten Staaten beziehen.
Die Spezialregelungen der USA für den Hongkonger Markt beruhten ursprünglich auch auf Eigeninteresse, denn die souveräne Inselstadt bot Rechtssicherheit für amerikanische Unternehmen, die in China investieren wollten. Inzwischen dürfte aber China stärker vom Hongkonger Sonderstatus profitieren als die USA, das glauben zumindest internationale Ökonomen. Umso fragwürdiger erscheint das chinesische Vorgehen gegen den Sonderstatus Hongkongs. Trump hat nun das Opportune mit dem Nützlichen verbunden und sich mit den Hongkongern solidarisiert. Daneben will er das Gesetz aber angeblich in der Anwendung modifizieren, um es den größeren Linien seiner Außenpolitik einzufügen.
Die USA handeln, wo die Europäer taktieren
Trump und der US-Kongress drohen damit, eine weitere Brücke im Handelskonflikt mit China abzureißen. Sie tun es – mit Ausnahme der Polizeiausrüstungsgüter – nicht heute, haben damit aber zumindest ein klareres Signal gesendet als die deutsche Bundesregierung, wie sich zuletzt bei Angela Merkels China-Besuch Anfang September zeigte. Die »Zeit« berichtete damals von Merkels »Hoffnung« auf eine friedliche und gewaltfreie Lösung. »Man habe ihr bei diesem Thema in Peking zugehört. Es sei wichtig, immer wieder im Gespräch zu bleiben.« FDP-Außenexperte Alexander Graf Lambsdorff hatte gefordert, die Europäische Union müsse Gewalt gegen die Demonstranten verurteilen, dürfe auch Sanktionen gegen China nicht ausschließen. Wörtlich verlangte er einen »souveränen Dialog auf Augenhöhe zwischen EU und China«, was auch immer das genau bedeuten mag.
Tatsächlich hatten sich die Hongkonger Demonstranten mehr von Merkels Besuch erhofft. Am 5. September richteten sie einen Appell an die Kanzlerin: »Frau Bundeskanzlerin Merkel, Sie sind in der DDR aufgewachsen. Sie haben Erfahrungen aus erster Hand über den Schrecken einer diktatorischen Regierung gemacht. […] Bitte helfen Sie uns!« Der Demokratie-Aktivist Joshua Wong, Verfasser des Briefs, hatte sich gar ein Treffen mit Merkel erhofft. Doch dazu kam es nicht.