Karwoche, Tichy! Die Passionsgeschichte – ein grandioses Drama. Eine meiner Lieblingsrollen darin ist Pontius Pilatus. Eine Figur wie von heute. Ein Politiker wie er im Buche steht. In einer modernen Verfilmung würde ich ihn … ja, warum eigentlich nicht, mit Angela Merkel besetzen.
I.
In Berlin ist die Seife ausgegangen vor lauter Händewaschen. Das Elend der Flüchtlinge nimmt nicht ab, aber jetzt können wir nichts mehr dafür. Die Willkommenskultur lassen wir uns nicht nehmen. Wenn aber kaum noch jemand kommt, hat das nix mit uns zu tun. Der moralische Imperativ ist in einen Stein gehauen. Der aber steht auf einem Haufen Sand. Streugut für die Augen aller Besserdeutschen. Es ist genug da.
II.
Wir reiben uns also die Augen und Angela Merkel wäscht. Nicht die Füße von Flüchtlingen – sie ist ja nicht der Papst – sondern bloß ihre Hände in Unschuld. Wie sie das macht – dafür wird sie bewundert. Die Pharisäer buckeln vor ihr. Und Pilatus buckelt vor den Pharisäern. Er spricht gegen seine eigene Überzeugung ein Gefälligkeitsurteil. Ecce homo! Der echte Pilatus hatte noch eine Überzeugung.
III.
Ein „Erzschelm“ sei Pontius Pilatus gewesen, predigte der wortgewaltige Abraham a Santa Clara. Bei den Kopten dagegen schaffte Pontius Pilatus den Aufstieg zum Heiligen. Bei den Orthodoxen gelang es seiner Frau Claudia. Beide sollen der Legende nach zum Christentum konvertiert sein. Überliefert sind Versuche, Angela Merkel schon zu Lebzeiten heilig zu sprechen. Obwohl sie zur Märtyrerin gar kein Talent zeigen will.
IV.
Gegen Angela Merkel war Pontius Pilatus ein blutiger Amateur. Ihn plagte das Gewissen. Sie plagen nicht einmal Wahlergebnisse. Sonst wäre sie nicht Politiker. Er ist also der Schutzheilige der Politiker.
V.
Pontius Pilatus hat drohende Aufruhr besänftigt. Wie er das geschafft hat, spielt am Ende keine Rolle. Die Zustimmung steigt messbar. Er hat alles richtig gemacht. Er hat Unrecht gesprochen, aber Recht behalten. Auch die Stadthalterin Merkel gilt als weitsichtig. In Wahrheit ist sie noch immer kurzsichtig. Um ein Augenleiden handelt es sich in beiden Fällen.
VI.
Von Pontius zu Pilatus läuft, wer an die Klagemauer der Uneinsichtigkeit prallt und vergeblich einen Durchgang sucht. Angela Merkel ist von Putin bis Erdogan gelaufen. Von Zar zu Sultan. Wer von Angela nach Merkel laufen will, kann auch stehen bleiben.
VII.
Jerusalem und Judäa gehörten damals zur römischen Provinz Syrien. Auch wir glauben, im Gelobten Land zu leben. Aber irgendwie ist es zu einem Anhängsel Syriens geworden.
VIII.
Ich weiß nicht, ob es im Standardtext über den Niedergang Europas später auch einmal sinngemäß wie im Glaubensbekenntnis heißen wird: Gelitten unter Angela Merkel. Auch so wird man unsterblich.
IX.
Die Passion der Politiker: Lieber ein König mit Dornenkrone als gar kein König. Den Spott gibt´s obendrauf. Politik ist etwas für schmerzfreie Charaktere. Tröstlich ist das nicht.
X.
Es ist ein Kreuz mit dem Volk. Hosianna! und Kreuziget ihn! gehen nahtlos ineinander über. Mit und ohne Massenmedien.
XI.
Haben Sie Ihre Kanzlerin heute schon gelobt? Gegen Angela Merkel war Pontius Pilatus ein blutiger Amateur. Ihn plagte das Gewissen. Sie plagen nicht einmal Wahlergebnisse.
XII.
Passion bedeutet zugleich Leidenschaft und Leiden. In diesem Sinne ist Politik reine Passion. Ein schmerzhaft quälendes Geschäft, von dem Politiker dennoch nicht lassen können. Weshalb? Einige glauben, sie seien im Auftrag der Geschichte tätig, also von Gott gesandt. Damit trösten sie sich: Die zwölfte Station ist die letzte vor der Auferstehung.
In diesem Sinne frohe Ostern!
Ihr Wolfgang Herles