Wie die meisten Leserkommentare vermutet haben: Einen Aufstand gegen den Kompromiss der Koalitionsspitzen in Sachen Grundrente wird es in der laufenden CDU-Fraktionssitzung im Berliner Reichstag nicht geben. Nicht einmal mit einer Abstimmung in der Fraktionssitzung rechnen Insider. Dem Vernehmen nach wurde Carsten Linnemann heute im geschäftsführenden Fraktionsvorstand massiv angegangen, weil er sich als Vorsitzender der Mittelstandsunion gestern sehr eindeutig von diesem sozialpolitischen Sündenfall distanziert hatte. Er habe als einer der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden auch eine Loyalitätspflicht gegenüber der Gesamtfaktion, sei ihm vorgehalten worden.
In der CDU ist die Angst vor Neuwahlen fast schon so spürbar wie bei der SPD. Selbst Abgeordnete mit Direktmandaten fürchten inzwischen Mandatsverluste, weil die nach wie vor starke AfD viele Jahre als sicher geltende Wahlkreise für die CDU kippen könnte, zumal auch die Grünen erfolgreich im Erststimmen-Revier der Christdemokraten wildern. Erst recht gilt das für Listenmandate, weil die zunehmend gefragter und damit auch umstrittener werden, wenn bisher direkt gewählte Abgeordnete auch um aussichtsreiche Listenplätze konkurrieren.
Vor allem im größten CDU-Landesverband Nordrhein-Westfalen sind solche Ängste an einem aktuellen Beispiel ablesbar. Der CDU-Abgeordnete Oliver Wittke, bisher parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, hat zum 31. Oktober sein Amt niedergelegt, bleibt aber Abgeordneter. Er wird im kommenden Herbst, nach der sogenannten „Abkühlphase“ von einem Jahr für ehemalige Regierungsmitglieder, Hauptgeschäftsführer des ZIA, des Spitzenverbands der Immobilienwirtschaft. Er hat für einen möglichen Mandatsverlust als Listenabgeordneter vorgesorgt, wechselt in einen gut bezahlten Verbandsjob. Andere sorgen insoweit vor, als sie nicht vorzeitig Opfer von Neuwahlen werden wollen, bei denen für die Union derzeit kaum ein Blumentopf zu gewinnen ist.
„Das Sein bestimmt das Bewusstsein“, wusste schon Karl Marx. Ein Bundestagsmandat mit seinen laufenden Bezügen und einer späteren Pension noch weitere zwei Jahre für ein „Weiter so“ innehaben zu können, erstickt den Gedanken an einen Grundrenten-Aufstand ziemlich schnell. Für ein Scheitern der Grundrente an der Regierungsmehrheit der Koalition wären in der CDU-Fraktion fast 50 Abweichler vonnöten, wenn man unterstellt, dass die SPD-Abgeordneten ihren Grundrenten-Erfolg unisono im Parlament unterstützen. Also wird es ein paar Aufrechte in der Unionsfraktion geben, darunter sicher Carsten Linnemann, die dagegen stimmen. Aber die durchaus vorhandene kritische Minderheit wird loyal mit der Mehrheit stimmen. Das Spiel kennt man: Einfach „Weiter so!“