Nach der Feststellung des türkischen Innenministers Soylu, die Türkei sei „kein Hotel für ausländische Extremisten“, kündigte er nun u.a. die Abschiebung mutmaßlicher radikalislamischer Extremisten mit deutschem Pass für die nächsten Tage an.
Auch wenn die angekündigte Zahl derzeit weniger als ein Dutzend beträgt, löste die Nachricht in diesen Tagen in Deutschland eine aufgeregte innen- und außenpolitische Debatte um die Innere Sicherheit aus. Dabei lässt sich Deutschland hier, wie in der Flüchtlings/Migrationsfrage – erneut von Erdogan unter Druck setzen.
Die berechtigten Fragen häufen sich.
Wen will der Muslimbruder Erdogan, Haupternährer des islamischen Extremismus, eigentlich abschieben? Sind es deutsche IS-Kämpfer und ihre Familienangehörigen, die in der Türkei in Haft sitzen, wie behauptet wird? Oder sind es Moslembrüder und Sympathisanten, die in Ländern wie Ägypten keine Bleibe mehr hatten und in der Türkei Zuflucht gefunden haben?
Warum wusste weder das Auswärtige Amt noch die Öffentlichkeit von solchen Deutschen, die angeblich in der Türkei in den Gefängnissen saßen? Handelt es sich dabei um zum Islam konvertierte Deutsche oder türkisch-Stämmige mit deutschem Pass – oder um beides? Sind es Personen, die die Türkei als Transitland nutzten, unter türkischer Billigung nach Syrien ein- und ausreisten? Oder handelt es sich um Personen, die in der Türkei wohnten und von dort den radikalislamischen Terror beförderten? Handelt es um Djihadisten und ihre Familienangehörigen mit deutschem Pass, die im Zuge des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges der Türkei auf Gebiete des kurdisch besiedelten Nordsyrien aus den kurdischen Gefängnissen „befreit“ wurden?
Diese Fragen sollten umgehend von der Bundesregierung konkret beantwortet werden, bevor man sich diese Leute von Erdogan überstellen lässt, der damit nur ein weiteres Mal von seinem schmutzigen Krieg gegen das kurdische Volk ablenken und die Bundesregierung gefügig machen will.
Vor dem Einmarsch der Türkei in Nordsyrien/Rojava-Kurdistan hat die kurdische Selbstverwaltung monatelang gebetsmühlenartig an Deutschland und die europäischen Länder appelliert, ihre Staatsbürger zurück zu nehmen oder Möglichkeiten zu schaffen, ihnen in Rojava einen Internationalen Prozess zu machen. Appelle, die leider ungehört blieben.
Mit dem Einmarsch des mit deutschen Waffen ausgerüsteten Nato-Partners Türkei in Nordsyrien hat Erdogan für Chaos gesorgt. Morde, Plünderungen, ethnische Säuberungen, Befreiung von IS-Gefangenen aus den kurdischen Gefangenenlagern und hunderttausende Flüchtlinge sind die aktuellen Folgen. Es kann noch dramatischer werden, wenn der Aggressor Türkei nicht umgehend in seine Schranken verwiesen wird.
Noch werden Tausende von IS-Kämpfern und Frauen und Kinder von Kurden gefangen gehalten. Doch die Frage ist: Wie lange noch?
Deutschland ist dringend anzuraten, seine kontraproduktive Hinhaltetaktik aufzugeben, sich nicht länger vom Moslembruder aus Ankara erpressen zu lassen und mit der Türkei Tacheles zu reden; endlich Konsequenzen zu ziehen. Die EU hat es in der Hand, ob Erdogan seine nationalfaschistische Politik fortsetzen kann, oder nicht. Die ohnehin schwächelnde Wirtschaft der Türkei hängt am europäischen Tropf. Hier den ständigen Zustrom spürbar zu drosseln, würde reichen, um dem Sultan seine Eskapaden auszutreiben. Doch stattdessen: Kuschen und Liebedienerei! Warum?
Mehmet Tanriverdi ist Unternehmer in Gießen und Stellvertretender Vorsitzender der Kurdischen Gemeinde Deutschland