Schon zu Beginn der Koalition war im Koalitionsvertrag eine Grundrente ausgehandelt worden, auszahlbar nach Bedürftigkeitsprüfung, aber der ego-mäßig wie mental herausgeforderte neue Sozialminister Hubertus Heil machte im Februar das Fass wieder auf, so dass die GroKo neun Monate lang einen neuen Kompromiss aushandeln musste. Dabei wurden ein paar Begriffe ausgetauscht („Bedürftigkeit“ durch „Bedarf“) und es soll eine Einkommensprüfung vorgenommen werden. Toll!
Annegret Kramp-Karrenbauer findet bei Anne Will den „Kompromiss gut vertretbar“, Malu Dreyer freut sich, dass „1,2 Millionen Menschen nun profitieren, vor allem Frauen“. Und, falls Sie es vergessen haben sollten, liebe Leser, wollen wir Dreyer Malus wichtigste Aussage gleich hier zitieren: „Darum sind wir alle in der Politik. Für die Menschen.“ Das glaubten ihr offensichtlich mehr als die Hälfte der Menschen im Publikum und sie klatschten dankbar. Eine immerhin hörbare Minderheit klatschte auch für AKK, immerhin, denn die war ganz allein in der Runde, umgeben von zwei Sozis – Herfried Münkler und Malu Dreyer –, zwei linken Journalisten (Anne Will und Nico Fried von der SüZ) und wenigstens einer liberalen Journalistin, Dagmar Rosenfeld von der Welt.
Dagmar Rosenfeld entzauberte dann in einem Satz die tolle Arbeit der GroKo: „Die Grundrente ist nur eine ganz kleine Stellschraube im komplexen Rentensystem, das jetzt schon mit 100 Milliarden subventioniert wird“, weil der Generationenvertrag nicht mehr funktioniert.
Man habe kein gutes Bild hinterlassen in den letzten Jahren, gab auch AKK zu, obwohl so viel erreicht worden sei. Dazu zählte sie auch ein 166 Milliarden-Euro-Forschungspaket, so dass „jetzt viele, viele Forscher zurückkommen“ könnten. Das habe kein Mensch mitgekriegt. Wer da woher, warum zurückkommen könnte, wurde natürlich nicht von der Diplom-Journalistin Anne Will gefragt, sie wollte die Damen schließlich aufeinander hetzen – zu viel Harmonie zerstört das Talkgeschäft. Die SPD, klagte AKK dann ein wenig, sei in der Regierung und spiele gleichzeitig Opposition, das mache es nicht leichter. Schließlich „wurden wir nicht für selbsttherapeutische Sitzungen gewählt“.
Koalieren und gleichzeitig profilieren ginge halt nicht, sagte Dagmar Rosenfeld. Außerdem seien da noch die Migration, der Euro, die Wirtschaft und die Kriminalität, wozu selbst der Generalsekretär der CDU klargemacht habe, vieles sei noch nicht gelöst. Da will Annegret KK jetzt rangehen, und Malu Dreyer verspricht, am Strukturwandel zu arbeiten. Aber – so viel Eigenlob muss sein – wer zum Jahresende viel online bestelle, müsse kein schlechtes Gewissen mehr haben, denn die Weihnachtspostboten würden jetzt, dank SPD, alle gut bezahlt. Der SüZ-Schreiber Nico Fried, Bruder der Staatsfunk-Berühmtheit Amelie Fried, meinte dann, nach der Lektüre der 83 Seiten GroKo-Halbzeit-Selbstdarstellung, und wenn er den Damen hier so zuhöre, dann kann das noch was werden. Herfried Münkler, der emeritierte Politologe, döste konzentriert.
AKK, in letzter Zeit ein wenig zerzaust von Medien und den Widrigkeiten ihrer Ämter, zeigte sich in erstaunlicher Gelassenheit. Wenn der Friedrich Merz auf dem Parteitag eine kämpferische Rede halten wolle, so soll er doch, sagt sie ungerührt, so sei sie eben, die CDU, immer gut für ein offenes Wort. So auch auf dem Parteitag in diesem Dezember. Über die Kanzlerkandidatenfrage entscheide übrigens erst der im nächsten Jahr.
Viel, viel trauriger sieht es da bei der kleinen SPD aus. Selbst Parteimitglied Münkler beklagte, dass die Anlage des Prozesses (der SPD-Chefwahl) strategisch ungeschickt gewesen sei. Was, wenn die GroKo-Kritiker Borjans und Esken gewählt würden, aber zugleich eine Mehrheit für die Fortsetzung der Koalition sei? Oder Scholz und Geywitz werden gewählt und für das Ende der GroKo gestimmt? So würden alle Voraussetzungen für eine Spaltung geschaffen. Das sei alles politisch nicht durchdacht, so Münkler, und das bei einer Partei, „die geführt werden will“.
Nico Fried schlug vor, noch mal Frau Dr. (du darfst ihn behalten) Giffey aus dem Hut zu zaubern, aber da sagte Malu Dreyer: Nein. Dann erfuhren wir, dass Andrea Nahles „nicht freiwillig gegangen“ sei – was eigentlich eine Sondersendung verdient hätte, aber Diplom-Journalistin Anne Will fragte nicht mal nach. Dafür durfte Dreyer unwidersprochen feststellen, dass „die SPD viel vernünftiger ist, als es immer dargestellt wird“. Davon sind wir überzeugt.
Malu Dreyer selber wohl nicht so ganz. Deshalb nutzte sie ihren TV-Aufruf bei Anne Will, um noch einmal an die Vernunft der Parteigenossen zu appellieren. Denn „die SPD hat nicht mehr viel zu verspielen“.
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