Bundesfamilienministerin Franziska Giffey schreibt in dieser Funktion als Autorin einen Gastbeitrag für den Tagesspiegel. Darin fordert sie ein Demokratieförderungsgesetz, eine Intensivierung und ein Umdenken in der bisherigen Förderpraxis beim Kampf gegen Rechts: „Der Bund muss anders fördern“.
Giffey möchte solche „wie ein Krebsgeschwür unter der Oberfläche“ wachsende menschenfeindliche Einstellungen bekämpfen. Mindestens so wichtig wie Strafverfolgung findet die Ministerin die Präventionsarbeit. Hier will sie nicht heilen, sondern vorbeugen. Mit der Euro-Puderdose für die Willigen. Und die ist ein echtes Schwergewicht, wenn hier Jahr für Jahr mit dem Bundesförderprogramm „Demokratie leben!“ dreistellige Millionenbeträge zur Verfügung stehen, die sie an Nichtregierungsorganisationen wie beispielsweise die Antonio Amadeu Stiftung verteilt.
Franziska Giffey schreibt hier von aktuell mehr als 1.000 Projektvorschlägen die im Ministerium eingegangen wären. Eintausend Ideen, die man sich besser nicht alle anschauen will. Aber irgendwer muss ja, wenn diese Förderanträge irgendwie korrekt bearbeitet werden sollen. Die Ministerin beschreibt im Tagesspiegel ein Problem solcher Förderungen:
„Eine dauerhafte Absicherung nachweislich wirksamer, praxiserprobter Projekte ist in einem Bundesprogramm rechtlich nicht möglich. Projekte einfach nur weiter zu fördern, weil sie gut sind und gebraucht werden, das geht derzeit nicht.“
Der Vorschlag also: Nicht mehr Projekt bezogen fördern mit den immer gleichen nervigen Formularen und Anträgen, sondern dauerhaft ohne dieses Hamsterrad aus Papierkram.
Es geht hier also um nicht weniger als darum, eine Auswahl von willigen Organisationen, die aktuell noch 1.000 Projekte einreichen, zukünftig dauerhaft davon zu befreien, extra noch begründen zu müssen, wofür man die Förderung beziehen möchte.
In einer guten Ehe sagt man ja auch nur einmal ja und nicht immer wieder? Wir wollten vom Ministerium einmal genauer wissen, wer diese große Zahl an Projekten eigentlich mit welcher persönlichen Kompetenz sichtet und bewertet. Wir wollten genauer wissen, welche Experten das genau sind, die die Ministerin im Tagesspiegel so beschreibt:
„Ein 60-köpfiges Expertenteam aus Wissenschaft, Praxis und Verwaltung hat deshalb alle Projektvorschläge bewertet.“
Wir baten um „Mitteilung, wie sich dieses Expertenteam zusammensetzt, welche 60 Experten sind das konkret und wer hat final dann entschieden? Per Mehrheitsentscheid dieser 60 Personen? Bitte auch mitteilen, ob die Arbeit dieser Experten ehrenamtlich passiert oder bereits mittels einer konkret vergebenen Förderung honoriert wird.“
Wir fragten nach, wollten wir doch genauer wissen, welche per Ausschreibung erwählten Fachleute nun eigentlich welche Projekte empfehlen: „Vielen Dank für die Informationen, aber wer konkret ist das nun, wer sind diese 60 Personen? Dazu hätte ich gerne eine Namensliste.“
Ein Sprecher antwortete:
„Eine Namensliste der Gutachterinnen und Gutachter kann ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt leider nicht zur Verfügung stellen, da das Verwaltungsverfahren zur Auswahl neuer Projekte für die zweite Förderperiode des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ noch nicht abgeschlossen ist und die namentliche Benennung der Gutachter*innen das weitere Auswahlverfahren beeinträchtigen könnte.“
„Dass hieße dann wann könnten Sie mir die Liste zusenden? Und ob und in wie weit diese Tätigkeit honoriert wird könnten Sie mir aber schon mitteilen?“
Besagter „Ein Sprecher“ antwortet: „Die Zusendung einer Liste kann ich Ihnen derzeit nicht zusagen. Nach Ende des Verwaltungsverfahrens prüfen wir gerne erneut, welche Informationen wir Ihnen zukommen lassen können. Die genaue Prüfung im Einzelnen ist aus datenschutzrechtlichen Gründen notwendig. Zum Thema Vergütung hatte ich Ihnen bereits die Bekanntmachung zukommen lassen. Darin heißt es: „Die Erstellung eines Gutachtens wird mit je 90,00 € pro Gutachten (brutto) vergütet.“
„Die von Ihnen angestellten Rechnungen sind so leider falsch. Die Gutachten wurden beispielsweise zum Teil auch von Gutachterinnen und Gutachtern erstellt, die dafür keine gesonderte Vergütung erhalten haben. Zum Beispiel durch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die bereits seit Jahren Teile der wissenschaftlichen Begleitung und Evaluation des Bundesprogramms durchführen. Hier war keine zusätzliche Vergütung notwendig. Einzelheiten zu den Gutachten bzw. zu den Personen kann ich Ihnen, wie gesagt, derzeit nicht zur Verfügung stellen“
Wie jetzt? Erst ist eine offizielle Ausschreibung der Gutachtertätigkeiten, dann aber sind doch einige der Begutachter schon seit Jahren damit beschäftigt und wieder einige bekommen eine Vergütung, andere nicht und überhaupt derzeit kann auch nichts zu den Begutachtern gesagt werden?
Wir unternehmen einen weiteren Versuch:
„Gut, Sie sagten ja zuletzt, dass sie zu den Gutachtern des laufenden Verfahrens NOCH nichts Konkretes sagen können, weil das eventuell kompromittiert, aber wenn Sie nun schreiben, das da Leute „langjährig“ diese Tätigkeit schon ausfüllen, dann nennen Sie (…) diese nun bitte, damit sich der Bürger/Leser dazu eine Meinung bilden kann.“
Ein Sprecher lässt dann erstmals in der Anrede des Autors hier das so wichtige –s- im Nachnamen weg, was der Walla-ch nicht übel nehmen will, viel deftiger wäre es doch, ein Sprecher hätte ein –r- vor dem –sch- eingefügt, jedenfalls lautet seine finale Antwort dann folgendermaßen:
„Lieber Herr Wallach, die Gründe, warum das derzeit nicht möglich ist hatte ich Ihnen ja bereits ausführlich erläutert. Leider kann ich Ihnen da derzeit keine Informationen im Detail geben. Beste Grüsse,“
Nein, er wird sie uns wohl nie geben dürfen. Es wird keine Namensliste geben, ob nun nach, während oder vor dem Auswahlverfahren. Es wird also auch niemals überprüfbar sein, ob es nicht bei sage und schreibe eintausend Einreichungen Interessenkonflikte ergeben zwischen Prüfer und Geprüften, wenn es darum geht, über einhundert Millionen Euro jährlich zu verteilen. Wo auch sollten diese Prüfer herkommen, ohne dass es da eventuelle Berührungspunkte geben könnte? Aber auch Interessenkonflikte? Ach, macht doch nichts: Die Ministerin hat es ja schon geschrieben: Ein lästiges Prozedere, dass auf kurz oder lang nicht mehr nötig sein wird, wenn die sich mit Projekten bewerbenden Nichtregierungsorganisationen zukünftig als auserwählte Organisation über Jahrzehnte im Kampf gegen Rechts subventioniert und subventioniert werden, als wären sie Jugendorchester oder eben internationale Bibliotheken.