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Regionalwahlen in Umbrien: Salvini holt historischen Sieg

Bei den Wahlen des Regionalparlaments und des Präsidenten in Umbrien, sorgte Matteo Salvini, wie von ihm selbst prophezeit, mit seiner Lega und ihrer Kandidatin Donatella Tesei für einen großen Sieg.

Matteo Salvini, leader of the political party Lega speaks to the media with newly elected governor of the region Donatella Tesei after the victory in the regional elections of Umbria.

Cosimo Martemucci/SOPA Images/LightRocket via Getty Images

Umbrien ist in Italien auch als Erde der Heiligen, terra dei santi, bekannt. Kein geringerer als Franz von Assisi prägt hier die Region und Religion sowie den Pilger-Tourismus aus aller Welt. Den Franziskaner-Orden kennen die meisten, die wandernden Bettelmönche wohl auch, ganz im Sinne des Heiligen Franziskus, der allem Reichtum und Weltlichkeiten abschwor – und nach dem sich der aktuelle Papst Mario Bergoglio benannt hat. Der andere, nicht minder bekannte, ist Benedikt von Nursia, der Begründer des Ordens sowie der Benediktiner-Abteien.

Nun ist die Region Umbrien um eine weitere Attraktion bekannter. Bei den Wahlen des Regionalparlaments und des Präsidenten in Umbrien sorgte Matteo Salvini, wie von ihm selbst prophezeit, mit seiner Lega und ihrer Kandidatin Donatella Tesei fast für einen großen Sieg und eine erdrutschartige Niederlage des in Rom regierenden gelb-roten Bündnis aus Fünf-Sternen und Sozialdemokraten (PD).

Die 61-jährige Tesei, studierte Juristin mit Lega-Parteibuch, von Salvini in Umbrien seit Wochen unterstützt, vereinte als Kandidatin des Mitterechts-Bündnisses mit den Fratelli d’Italia und Forza Italia fast 60 Prozentpunkte auf sich und lag am späten Abend fast 20 % vor dem gelbroten Kandidaten Vincenzo Bianconi, der auch von den Grünen unterstützt wird.

Deshalb sprach Matteo Salvini auch nach den ersten Hochrechnungen weit nach 23 Uhr über, „ein wirklich historisches Ergebnis“, das man gemeinsam vollbracht habe. Als „Heiligen“ sehen Salvini wohl nur die Lega-Mitglieder und Wähler, denn selbst Teile der Priesterschaft in Umbrien sprachen sich gegen die Lega aus und sahen in Matteo Salvini sogar eher einen Dämon oder gar den „Antichristen“, gleichwohl der Lombarde den Rosenkranz stets bei sich trägt, diesen auch küsst und immer sagt, dass er nur ein ganz gewöhnlicher Katholik mit all seinen Fehlern und Sünden sei. Den Glauben aber könne ihm keiner absprechen. Den an einen Sieg mit der Lega in Umbrien schon gar nicht.

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Mit der Kundgebung in Rom, auf der Piazza San Giovanni, als sich knapp 200.000 Bürger aus allen Regionen zum friedlichen Beisammensein einfanden, hatten Salvini, Giorgia Meloni, ja, und auch ein betagter Berlusconi nochmals für Rückenwind vor der Wahl gesorgt. Nun, wie die Heilige Dreieinigkeit wirkten sie zwar nicht, schon gar nicht Giorgia Meloni, die der bestehenden Regierung um Giuseppe Conte einheizte, den EU-Sozialismus auseinander nahm, den Islam aus Europa und Italien heraushalten und die Häfen wieder geschlossen haben wollte.

Die Wähler in Umbrien dankten es jedenfalls Salvini und Donatella Tadei, so dass die jahrelange rote Führung und die Präsidentin Catiuscia Marini trotz Mega-Vorsprung eindeutig abgewählt wurde. Nun auch ganz offiziell. Denn die von der PD gestützte Catiuscia Marini hatte bereits im Mai ihren Rücktritt eingereicht, da sie selbst und wohl auch Funktionäre der PD in einem Skandal des regionalen Gesundheitswesens involviert gewesen sein, beziehungsweise diesen nicht verhindert haben sollen. Alles spielte der Lega mit dem omnipräsenten Salvini in die Karten.

Mitunter wirkte der Leader aus Mailand müde, Nierenkoliken plagten ihn zudem und immer wieder erwähnte und betonte er auf den umbrischen Plätzen, den überfüllten Piazze in Perugia, Norcia oder Terni, dass es einfach nicht sein könne, wie ihm eine Frau mitgeteilt habe, sie sei krank und im Hospital gewesen und dort mit einem Termin „für 2021 vertröstet worden“, ob das normal sei, tippte er sich an die Stirn, und meinte, das ändere die Lega ab Montag, dem 28. Oktober aber sofort.

Über 700.000 Bürger waren aufgerufen, an die Urnen zu gehen und bereits abends um 19 Uhr war die Wahlbeteiligung mit fast 53 % höher als insgesamt vor fünf Jahren (knapp über 40). Darunter wohl auch Bürger wie der 61-jährige Michele Proietti, ein lokaler Künstler aus Terni, der neulich in Perugia beim „Festival der Schokolade“ zugegen war, und meinte: „Wir sind am Boden. Nach fast 50 Jahren linker Politik, geht nichts mehr in Umbrien …“. Und Salvini war natürlich auch auf dem Festival, er naschte Süßes, machte etliche Selfies mit den Besuchern und gab der Regierung Saures: „Hoffentlich bleibt die Schokolade von den Steuern verschont …“, nachdem die Gelbroten ja bereits den Zucker extra besteuern wollen.

Oder, da wäre der Taxifahrer, Vincenzo Maranicci, 55, der auch die Lega wählen wollte. Warum? Die Bürger seien „einfach unzufrieden, weil sich nichts verändert habe“, all die Jahre. Die Parteien gleichen sich immer mehr, es müsse eine Revolution her. Es geht eben nicht nur um die unkontrollierte Zuwanderung, sondern in erster Linie um Arbeit, die Infrastruktur und das marode Gesundheitsmanagement an Ort und Stelle.

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Viele haben jahrelang und aus Tradition die Sozialisten und, ja, auch Kommunisten gewählt. Nun kommt ihnen Salvini glaubwürdiger daher, sie nehmen ihm ab, er würde sich wirklich interessieren für die Belange der Leute. Marco, dessen Nachnamen die Reporter nicht nennen sollen, ein Arbeiter, meint, was die PD nicht verstehen würde – und es wäre schockierend, „die meisten Arbeiter in den Stahl verarbeitenden Fabriken in Terni“ würden Salvinis Lega wählen.

Nebenbei angemerkt, in Terni befindet sich Italiens erstes Stahlwerk, auf das die lokale Wirtschaft seit langem stark angewiesen ist. Aber seit der Übernahme durch den deutschen Großkonzern ThyssenKrupp Ende der neunziger Jahre wurden etliche Arbeitsplätze abgebaut.

Die Wahl in Umbrien zeigt auch, dass die gelbrote Regierung um Giuseppe Conte ein massives Problem der Glaubwürdigkeit sowie der Kommunikation und im Zugang zu einfachen Leuten hat. Giuseppe Conte meinte im Vorfeld ernsthaft in den Zeitungen, die Wahl in Umbrien sage natürlich nichts über die Regierung in Rom und deren Wirken aus, die Wichtigkeit der Regionalwahl herunter spielend. Die Rechnung kam prompt und heftig. Welcher demokratisch geprägte Bürger lässt sich von der politischen Elite schon gern so abkanzeln.

Bisher liest sich die historische Revolution in Umbrien an den Urnen so: Lega bei fast 38 % und Fratelli von Meloni bei 10,5 – die PD bei 19,8 und die Fünfsterne bei desaströsen 8,5: Mit der Forza Italia hätte Salvinis Bündnis plusminus 58 % und könnte vielleicht sogar an der 60-%-Marke kratzen.

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