Tichys Einblick
Es geht nicht nur um Wissenschaftsfreiheit

Linksextremismus an der Hamburger Uni und hilflose Reaktionen

Erneut haben linksextreme Aktivisten die Vorlesung des Professors Bernd Lucke in Hamburg gesprengt. Aber es geht längst nicht mehr nur um den Gründer der AfD, der die Partei schon vor längerer Zeit verlassen hat.

© Manfred Schwarz

„Vom Himmel in die Hölle ist es nur ein Katzensprung“ („Hamburger Abendblatt“). Das haben jetzt auch der Präsident der Universität Hamburg, Dieter Lenzen, und seine Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) erfahren müssen.

Hamburgs Universitätspräsident wähnt sich auf „himmlischem Weg“

Gerade mal vor drei Monaten feierte die Universität sich selbst in einer schriftlichen Erklärung noch ganz groß und wenig bescheiden. Unter der riesigen Überschrift „Himmlisch: Universität Hamburg ist jetzt Exzellenzuniversität!“

Große Worte des Präsidenten. Ist doch die Uni Hamburg bisher eher als eine „mittelmäßige Massenuniversität belächelt“ worden („Abendblatt“). Lenzen und Fegebank waren – ob der Ernennung ihrer Haupt-Hochschule zur Exzellenzuniversität – offensichtlich stolz wie Bolle. Die unerwartete Beförderung im Juli hatte zur Überraschung vieler Beobachter die Bundesbildungsministerin Anja Karliczek in Bonn verkündet, von der man sonst nur wenig hört. Nach welchen genauen Kriterien diese Entscheidung getroffen wurde, blieb freilich offen.

Die Nachricht ist offenbar Lenzen etwas zu Kopf gestiegen. Er sah seine Hochschule schon auf dem Olymp – zumindest aber als „deutsches Oxford“ („Abendblatt“). Gänzlich unbescheiden tönte der Präsident tatsächlich, nun werde die Fahrt für die Universität alsbald „einfach himmlisch werden!“ Ist das die Sprache unserer heutigen „Eliten“?

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Dieser Flug in den Himmel ist allerdings am vergangenen Mittwoch „zum Höllenritt geworden“, schreibt das „Abendblatt“. Zum zweiten Mal haben nämlich linksextreme Aktivisten die Vorlesung des Volkswirtschaftslehre-Professors Bernd Lucke mit brutaler Gewalt gesprengt. Dazu legte das Duo Lenzen/Fegebank ein politisches Krisenmanagement hin, das selbst gutwillige Beobachter eine Katastrophe nennen. Doch der Reihe nach.
Bernd Lucke: Er wollte wieder „salonfähig“ werden

Bernd Lucke hatte seinerzeit die heute vielfach umstrittene AfD gegründet. Der Professor aus Winsen an der Luhe führte – eher als politischer Laienspieler – seine neue Partei zunächst ganz überraschend in ungeahnte Höhen. Aber wenig später erlebte er – nach schweren innerparteilichen personalpolitischen Querelen – sein politisches Waterloo. Er musste als Parteivorsitzender unter dramatischen Umständen zurücktreten.

Wenig später verließ Lucke hoch frustriert die Partei, die er mittlerweile oftmals mit scharfen Worten kritisiert hat. Er gründete voller Naivität eine neue Partei, die heute niemand mehr in Deutschland kennt, und kritisierte seine ehemalige Partei immer wieder – medienwirksam – als angeblich zu rechtslastig. Lucke strebt offensichtlich an, wieder hoffähig werden – im bundesdeutschen Mainstream.

„Antifa“: „Lucke lahmlegen“

Nun wollte Bernd Lucke auch an der Universität Hamburg seine frühere, vergleichsweise eher beschauliche, Tätigkeit als wohlbestallter Hochschullehrer wieder aufnehmen. Doch da hatte Lucke die Rechnung ohne die linksextremistische „Antifaschistische Aktion“ („Antifa“) gemacht. Die Antifa und ihre Hilfstruppen an der Hochschule haben nämlich Lucke sofort den Krieg erklärt.

Sie wollen „Lucke lahmlegen“. Genauer: Sie wollen ihn an der Hochschule vernichten. Die AfD ist der Todfeind aller linken Kräfte – innerhalb und außerhalb des universitären Campus. Dass Lucke längst den heutigen Theorien seiner Partei immer wieder abschwört, nutzt ihm wenig. Einmal politischer Teufel – immer Teufel.

Am letzten Mittwoch ist es einigen Security-Mitarbeitern nicht gelungen durchzusetzen, dass Professor Lucke seine Theorien über die „Zinspolitik der Europäischen Zentralbank“ vortragen konnte. Mehrere Dutzend militanter Störer beschimpften den Hochschullehrer erneut als „Nazi-Schwein“. Tumulte brachen im altehrwürdigen Hörsaal aus. Antifa-Fahnen wurden geschwenkt, „Hau ab!“-Rufe ertönten immer wieder. Vielfältig-bunte „Gegenstände“ („Abendblatt“) flogen. Am Ende floh der Hochschullehrer – arg gedemütigt. Und zwar durch einen Hinterausgang. Geschützt durch mehrere Sicherheitsleute.

Präsident: Lucke muss „diskursive Auseinandersetzung aushalten“

Der Hochschulpräsident und die Wissenschaftssenatorin sahen sich also außerstande, für einen ungestörten Vorlesungs- und Seminarbetrieb zu sorgen. Präsident Lenzen hatte schon nach dem ersten Sturm der Antifa auf die Vorlesung von Bernd Lucke so eigenartig reagiert, dass viele Medien in Deutschland aufhorchten.

Nach „sehr leiser Kritik“ („Abendblatt“) an den „antifaschistischen“ Kämpfern sagte der oberste Repräsentant der Hochschule nämlich Worte, die ihm bald das Karriere-Genick brechen könnten: Es sei „festzustellen, dass Universitäten als Orte der Wissenschaft die diskursive Auseinandersetzung auch über kontroverse gesellschaftliche Sachverhalte und Positionen aushalten müssen – insbesondere vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte“.

Starker Tobak. Selbst die ferne „Neue Zürcher Zeitung“ („NZZ“) schrieb dazu und fasste zusammen: „Am Mittwoch war die Universität nicht mittelmäßig, sondern unterirdisch.“

Warum hat der Präsident es gewagt, solche Sätze zu formulieren – statt schleunigst mit allen Mitteln dafür zu sorgen, dass einer seiner Hochschullehrer nicht mehr aus Räumlichkeiten der Hochschule verjagt wird?

Die NZZ interpretiert die anfänglich nahezu völlige Passivität der Verantwortlichen so: Sie dächten klammheimlich tatsächlich, bei den gewalttätigen Aktionen habe es sich im Grunde um legitimen Widerstand gegen faschistoide, wenn nicht sogar faschistische, Kräfte in der Gesellschaft gehandelt. Und so wie Lenzen oder Fegebank denken breite Gruppierungen innerhalb des grünroten Mainstreams – auch außerhalb der Metropolregion von Hamburg.

Universitätspräsident will „deeskalieren“: Lucke soll in eine Digital-Vorlesung ausweichen

Das Präsidium der Universität hat für den Hochschullehrer Lucke inzwischen „die Variante einer digitalen Vorlesung ins Spiel gebracht“ („Hamburger Abendblatt“). „Bedauerlicherweise“, so das Spitzengremium der Hochschule, „hat Prof. Lucke dies abgelehnt.“ Lucke selbst sagte dazu: „Das wäre das falsche Signal an Störer, so nachzugeben.“

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Sowohl die Universität als auch die Landesregierung halten sich derzeit bedeckt, wie am Mittwoch Luckes dritter Versuch, seine Vorlesung zu halten, geschützt werden soll. Am 13. November ist eine Sondersitzung des Wissenschaftsausschusses der Bürgerschaft anberaumt worden. Dafür haben sich alle Fraktionen des Landesparlamentes ausgesprochen – auch die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen.

Führende linke Persönlichkeiten vertreten hierzulande mehr oder weniger offen die Meinung, Wissenschaftler wie Bernd Lucke sollten nicht (mehr) lehren dürfen. Das sei eigentlich die Mindeststrafe. Seine – obwohl frühere – Tätigkeit in der AfD ist Grund genug, um über ihn das politische Todesurteil zu fällen.

Diese Denke hat ausgerechnet kein Geringerer als der Medienreferent von Außenminister Heiko Maas sogar bei Twitter unmissverständlich zum Ausdruck gebracht. Die Stimme Maas’ schrieb (man glaubt es kaum): „Bernd Lucke ist der Gründer der erfolgreichsten Nazi-Partei seit der NSDAP. Er hat in einem Vorlesungssaal nichts verloren.“

Weiß dieser Ministeriums-„Sprecher“ eigentlich, was „Faschismus“ oder „Nazi“ wirklich bedeutet? Hat hier ein Vertreter der ehemaligen kommunistischen SED gesprochen? Nein, der AA-Sprecher gehört zum sozialdemokratischen Führungsclan des deutschen Außenministeriums.

Nach der zweiten Sprengung: Liberale und konservative Kräfte empören sich nun doch

Aber noch ist nicht alles in deutschen Landen auf links gedreht. Viel Kritik hat es teils in der Politik gehagelt. Anna von Treuenfels-Frowein (FDP) und Marcus Weinberg (CDU) beklagten das Versagen der städtischen Institutionen.

Deutlicher positionierte sich der AfD-Fraktionsvorsitzende in der Hamburger Bürgerschaft, Dirk Nockemann. Er warf der Senatorin Katharina Fegesack vor, „rundum“ versagt zu haben. Das Präsidium der Hochschule, so Nockemann, habe versucht, vor der zweiten Vorlesung Luckes Polizeischutz zu bekommen. Doch die habe der Innensenator Andy Grote (SPD) verweigert. Diese Aussage hat die Innenbehörde wenig später bestritten. Doch die „Bild-Zeitung“ (Hamburg-Ausgabe) weiß es besser.

Uni-Präsident Dieter Lenzen habe, schreibt die Tageszeitung, sehr wohl um Polizeischutz für die Lucke-Vorlesung nachgesucht. In einem Brief an Innensenator Grote „kritisierte der Uni-Präsident: Man habe ihm gesagt, dass die Polizei nur im akuten Fall einschreiten werde – und dass die Sicherung Angelegenheit der Uni sei“. Lenzen soll sich demnach dann so geäußert haben: „Eine solche Bewertung ist (…) nicht akzeptabel.“ Chaos in der rot-grünen Stadtregierung? Wer lügt denn hier – warum?

Jedenfalls bleiben große Zweifel. Ist ein sozialdemokratischer Innensenator nicht willens, das zu tun, was seine Aufgabe ist: für Ruhe und Ordnung in der Hansestadt zu sorgen?

Der AfD-Innenpolitiker Nockemann hat nach den heftigen Kontroversen der Wissenschaftssenatorin schlicht die Kompetenz abgesprochen, Senatorin oder gar Bürgermeisterin-Kandidatin zu sein. Die grüne Fegebank sei nicht in der Lage, einen ordnungsgemäßen Wissenschaftsbetrieb an der größten Hochschule Hamburgs sicher zu stellen. Wer, meint Nockemann, wolle sie nun noch dafür befähigt halten, einen ganzen Stadtstaat zu regieren?

Am Mittwoch wird Bernd Lucke seinen dritten Versuch starten, eine Vorlesung an der Universität Hamburg zu halten. Es droht großes Ungemach. Aber die Stadtregierung wird – schon aus Angst vor scharfer Kritik aus dem In- und Ausland – dieses Mal womöglich mit sehr viel Sicherheitspersonal versuchen, einen zumindest überwiegend störungsfreien Ablauf zu gewährleisten. Denn die nächsten Bürgerschaftswahlen stehen ins Haus. Gewählt wird am 23. Februar 2020.

Die Universität lässt linke Politiker auftreten – liberale aber nicht

Die Universität Hamburg hat in letzter Zeit schon öfter für negative Schlagzeilen gesorgt. Die Hochschulleitung erteilte jüngst dem FDP-Bundesvorsitzenden Christian Lindner ein Redeverbot. Mit der Begründung, „parteipolitische Veranstaltungen“ seien in der Universität nicht erlaubt.

Daraufhin hat sich Lindner bei der Senatorin Fegebank beschwert, er verwies darauf, dass es erst kurze Zeit zuvor dem Vorsitzenden der Jungsozialisten Kevin Kühnert problemlos möglich war, eine Veranstaltung in einem Hochschulgebäude durchzuführen.

Auch der Linken-Spitzenfrau Sahra Wagenknecht und ihrem Parteigenossen, dem Bundestagsabgeordneten Fabio De Masi, ist eine Diskussionsveranstaltung vor kurzem problemlos genehmigt worden. Ja, der Abgeordnete hat einer Meldung des „Abendblattes“ zufolge sogar die Medien zu dieser Diskussion über sein Berliner Büro eingeladen und dann die Veranstaltung gleich selber moderiert. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Angesichts der problematischen und schwerwiegenden Ereignisse in der Hamburger Hochschullandschaft machen sich einige Medien und nicht wenige prominente Persönlichkeiten jetzt doch große Sorgen. So schreibt die FAZ in einem Kommentar, die „Hamburger Regierung, die Universität und deren Asta, leisten sich in Sachen Bernd Lucke eine peinliche Vorstellung“. Wer auf so derartig „primitive Art eine Vorlesung verhindert, wie es der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) tat, sollte über seine Lieblingsobjekte, Freiheit und Gleichheit, lieber schweigen“.

Es gibt auch „linken Faschismus“

Der Philosoph Julian Nida-Rümelin, der einst Kulturstaatminister im Bundeskabinett des Gerhard Schröder (SPD) gewesen ist, hat vor ein paar Tagen eine „besorgniserregende Standardisierung von Inhalten an den Hochschulen“ beklagt. Es gebe eine „Ablehnung von bestimmten Themen, die der Studierendenvertretung ASTA nicht genehm sind“. „Abweichende Meinungen“ hätten „Schwierigkeiten, sich Gehör zu verschaffen“.

Nida-Rümelin erinnert jetzt „an die umstrittene Aussage von Jürgen Habermas, der 1967 in den studentischen Protesten ‚linke Faschisten’ ausfindig gemacht hatte“. Habermas hat damals seine Aussage wenig später zurückgenommen. Nida-Rümelin tut das heute nicht: Im Gegenteil, er meint, Habermas habe „recht“ gehabt: „Auch links gibt es eine Tendenz zum Faschismus. Die Selbstermächtigung von Bewegungen als große Zensoren ist das Problem.“

Für den politischen Feuilletonisten Michael Klonovsky – vor einiger Zeit war er noch als Edelfeder beim Focus, wurde dann Berater von Frauke Petry und nun Referent von Alexander Gauland – ist auffällig, dass in den Medien erst dann Sorgen laut wurden, als „auch bewährte Talkschau-Teilnehmer und sogar veritable Minister i.R. wie Christian Lindner und Thomas de Maizière daran gehindert wurden, einen öffentlichen Vortrag zu halten“. Bei gestörten Auftritten „von bösen Menschen wie etwa Jörg Baberowski oder Rainer Wendt oder von AfD-Politikern“, habe man nichts dagegen gehabt.

Wie immer man auch zu Klonovskys Arbeitgeber stehen mag: Wenn die stärkste Oppositionsfraktion im Deutschen Bundestag nahezu überall ihre politische Tätigkeit im öffentlichen Raum kaum mehr wahrnehmen kann, weil die Antifa es ihr mit Gewalt verwehrt, fragt man sich auch als unabhängiger Beobachter, ob nicht heute schon wesentliche Bereiche der Demokratie außer Kraft gesetzt sind.

Eines der bekanntesten Falsch-Zitate von Winston Churchill lautet: „Die Faschisten der Zukunft werden sich Antifaschisten nennen.“ Auch wenn Churchill es wohl nie so gesagt hat, könnte es doch stimmen.

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