Tichys Einblick
Politische Gewaltakte

Geistige Brandstiftung gestern und heute

Auf den von rechtsextremen Tätern verübten Mord an Walter Lübcke und das Attentat auf eine Synagoge in Halle wird von einigen Politikern und Journalisten gegenüber der AfD der Vorwurf geistiger Brandstiftung vorgebracht, mit dem vor mehr als vierzig Jahren in Deutschland schon einmal neue politische Gegner bekämpft werden sollten.

French policemen investigate a German "Audi" car in which trunk, the body of German industrial leader Hans Martin Schleyer was found 19 October 1977 in Mulhouse. Schleyer was kidnapped in September 1977 in Germany by terrorist of Red Army Faction (RAF)

Getty Images

Als ab Ende der 1960er Jahre eine extremistische Minderheit der Außerparlamentarischen Opposition (APO) in Gestalt von Ulrike Meinhof, Gudrun Ensslin, Andreas Baader und anderen dazu überging, die linksterroristische Rote Armee Fraktion (RAF) zu gründen und führende Repräsentanten eines kapitalistischen „Schweinesystems“ zu ermorden, wurde insbesondere einigen (links-)intellektuellen Vordenkern und Unterstützern der APO seitens zahlreicher Politiker und Journalisten vorgeworfen, sie seien geistige „Wegbereiter des Terrorismus“. Im Fokus der Kritik stand namentlich Heinrich Böll. Er hatte in einem Spiegel-Essay mit dem Titel „Will Ulrike Gnade oder freies Geleit?“ für mehr Verständnis für deren Taten und mehr Menschlichkeit im Umgang mit der inzwischen inhaftierten RAF-Terroristin plädiert. Wörtlich war in Bölls Essay aus dem Jahr 1972, nachdem die RAF bei mehreren Anschlägen schon zahlreiche Personen getötet hatte, unter anderem zu lesen: „Es ist eine Kriegserklärung von verzweifelten Theoretikern, von inzwischen Verfolgten und Denunzierten, die sich in die Enge begeben haben, in die Enge getrieben worden sind und deren Theorien weitaus gewalttätiger klingen, als ihre Praxis ist.“

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Derlei Äußerungen des Trägers des Literaturnobelpreises und heutigen Namensgebers der Parteistiftung von Bündnis 90/Die Grünen veranlassten nicht nur Politiker wie den damaligen Innenminister Hans-Dietrich Genscher dazu, den „intellektuellen Helfershelfern des Terrors“ den Kampf anzusagen. Auch namhafte Journalisten prangerten zusehends den geistigen Nährboden des linken Terrorismus an, den sie nicht nur bei Literaten, sondern vor allem auch in der sich an den Universitäten ausbreitenden akademischen Kapitalismuskritik verorteten. So stellte etwa Mathias Walden in einem Kommentar in der Tagesschau zur Causa Böll die Frage, wie es denn möglich sei, dass renommierte deutsche Verlage wöchentlich „revolutionäre Druckerzeugnisse“ massenhaft auf den Markt brächten. In ihnen wurde nicht nur zum sofortigen Sturz des repressiven und entfremdenden kapitalistischen Systems aufgerufen, sondern auch Anleitungen zu einem erfolgversprechenden Vorgehen publiziert.

In seiner „Rede zur Nation“ anlässlich der Entführung und Ermordung Hans Martin Schleyers im Jahr 1978 durch die RAF kritisierte der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt die „Sympathisanten“ der RAF in der deutschen Bevölkerung, die deren Taten mit einem „mehr oder weniger ausgeprägten Verständnis“ begegneten und sie verharmlosten. Dass es sich dabei keineswegs um ein gesellschaftspolitisches Randphänomen handelte, bestätigt unter anderem der Historiker und ehemalige Führungskader des Kommunistischen Bundes Westdeutschland (KBW), Gerd Koenen. In seiner ebenso lesenswerten wie informativen Studie über „Unsere kleine deutsche Kulturrevolution 1967-1978“ (Buchtitel: Das rote Jahrzehnt) verweist er unter anderem auf eine im Jahr 1971 durchgeführte Meinungsfrage, „wonach jeder zwanzigste Bundesbürger bereit war, gesuchte Untergrundkämpfer zu beherbergen, jeder fünfte ihnen ein Handeln aus ‚politischer Überzeugung‘ attestierte. Und jeder vierte Bundesbürger unter dreißig Jahren zeigte ‚gewisse Sympathien‘ für die Rote Armee Fraktion.“

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Das von Helmut Schmidt und anderen angeprangerte Sympathisantentum beschränkte sich somit keineswegs, wie Koenen fortfährt, auf einige herausgehobene linke Intellektuelle, sondern bildete einen zwar kleinen, dafür aber öffentlich äußerst aktiven und auch wirksamen Kosmos. „Jene, die sich ‚der verirrten Genossen erbarmten‘ waren ein solider Teil des damaligen linksliberalen Juste Milieu. Der Automechaniker ‚Kalle‘ Ruhland, der mit Ulrike Meinhof 1971 unterwegs war, um Quartier zu machen, staunte, wer alles eine helfende Hand reichte: mal war es ein WDR-Redakteur in Köln, mal ein katholischer Priester in Hannover, mal ein Professorenehepaar in Frankfurt, mal ein bekannter Liedermacher in Hamburg.“

Nicht wenige dieser RAF-Versteher und -Helfer zählten schon damals zum (links-)intellektuellen Establishment der Bundesrepublik oder waren auf dem besten Weg, in dieses aufzusteigen, um von dort aus über die folgenden Jahre und Jahrzehnte das geistige Leben in Deutschland nachhaltig zu beeinflussen und zu prägen. Einige von ihnen haben sich, wie etwa Volker Schlöndorff oder Peter Schneider, inzwischen öffentlich zu ihren Jugendsünden bekannt und von ihnen distanziert. Schlöndorff outete sich in einer sehenswerten filmischen Dokumentation seines Stiefsohnes Felix Möller über die Verstrickungen seiner Mutter Margarethe von Trotta und seines früheren Stiefvaters mit der RAF gar als ein Fan Angela Merkels (Filmtitel: Sympathisanten. Unser Deutscher Herbst). Andere schweigen zu diesem Thema lieber in der Hoffnung oder auch Gewissheit, dass inzwischen ohnehin Gras über diese „bleierne Zeit“ gewachsen ist.

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Das offenkundige Sympathisantentum vieler Literaten und anderer APO-Aktivisten mit dem Terrorismus der RAF war für ihren Marsch durch die Institutionen der Bundesrepublik letztlich nicht hinderlich – trotz der Kritik und Vorwürfe von konservativer Seite zu Beginn dieses Marsches, geistiger Wegbereiter des Terrorismus zu sein. Nicht wenige von ihnen, wie etwa Claus Peymann, saßen oder sitzen bis heute sogar in führenden Positionen des Kunstbetriebs, andere in den Medien und an den Universitäten und wieder andere in den Parlamenten und sogar Regierungen, denkt man zum Beispiel an Joschka Fischer und Daniel Cohn-Bendit.

Entscheidend war in diesem Zusammenhang unter anderem, dass es den APO-Aktivisten gelang, die gegen sie gerichteten Vorwürfe erfolgreich abzuwehren. So solidarisierten sich 1972 zum Beispiel vierzehn namhafte (west-)deutsche Schriftsteller in einem offenen Brief mit ihrem Kollegen Heinrich Böll, in dem sie schrieben: „Die unterzeichneten deutschen Schriftsteller warnen vor einer abermaligen Zerstörung der Keime einer freiheitlich demokratischen Grundordnung in Deutschland unter dem Vorwand ihrer Verteidigung. Die Verfolgung von definierbaren Straftaten wie Bombenanschlägen und sonstigem Terror ist eine Sache, die Diskriminierung politischer Gesinnungen ist eine vollständig andere.“

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Das traf und markierte eine Verteidigungsstrategie, die auf die Aufrechterhaltung der (politischen) Meinungsfreiheit selbst dann noch abhebt, wenn außer Frage steht, dass eine bestimmte politische Gesinnung bei einzelnen ihrer Anhänger zu einer Radikalisierung geführt hat, die sich nicht nur gegen die verfassungsgemäße Ordnung wendet, sondern auch vor Mord und Totschlag nicht zurückschreckt. Im Falle der RAF deckte sich dies mit dem Bestreben von Politik und Behörden, die Terroristen entgegen ihrem Selbstverständnis nicht als politische Täter, sondern als bloße Kriminelle zu deklarieren und zu behandeln. Ihnen sollte auf diese Weise jegliche Möglichkeit, ihre kriminellen Taten mit höheren politischen Weihen zu versehen, genommen werden. So konnte gleichzeitig nicht nur in der breiten Bevölkerung, sondern selbst bei ihren meist akademischen Anhängern und Sympathisanten ihr Nimbus als politische Kämpfer für eine friedliche und gerechte Welt allmählich untergraben werden.

Vor diesem Hintergrund musste der Versuch, die mit der RAF mehr oder weniger offen sympathisierenden und sie teilweise aktiv unterstützenden (Links-)Intellektuellen für deren kriminellen Taten in Haftung zu nehmen, um so die gesamte systemkritische Bewegung zu diskreditieren, zwangsläufig scheitern. Ihr Insistieren auf die grundgesetzlich geschützte Meinungs- und Gesinnungsfreiheit fiel auf fruchtbaren Boden, da die RAF von Politik und Behörden trotz ihrer unzweifelhaften Herkunft aus der APO gerade nicht als politische, sondern als kriminelle Vereinigung ins Visier genommen, verfolgt und schlussendlich besiegt wurde. Die RAF-Mitglieder wurden durch dieses Vorgehen auch bei ihren intellektuellen Sympathisanten zusehends entmythologisiert und schließlich als bloße Verbrecher isoliert.

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Die so vollzogene Trennung zwischen politischer Gesinnung und kriminellen Handlungen wirkt bei der öffentlichen Bewertung extremistischer politischer Aktionen seitens der politischen Linken bis heute nach. Kriminelle Ausschreitungen wie etwa anlässlich des G20-Gipfels 2017 in Hamburg werden im herrschenden öffentlichen Diskurs nicht mit linken oder grünen Gesinnungen in Verbindung gebracht, deren Vordenker und partei-politischen Repräsentanten nicht für die Vergehen der jeweiligen Täter verantwortlich gemacht. Eine solche gesinnungspolitische Unschuldsvermutung gilt indes nicht für kriminelle Akte, deren Täter aus dem rechtsradikalen Milieu stammen und sich als Vollstrecker extremistischer Ideologien und Gewaltphantasien gebaren. Spätestens mit den Morden an dem CDU-Politiker Walter Lübcke und dem jüngst geschehenen Attentat auf eine Synagoge in Halle werfen einzelne Politiker wie auch Medienvertreter der AfD „geistige Brandstiftung“ vor und stellen sie unter Generalverdacht.

Der SPD-Politiker Michael Roth und die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer bezeichnen die AfD gar als den „politischen Arm des Rechtsradikalismus“, so als gäbe es zwischen der Parteiführung und den Mördern in Kassel und Halle direkte Verbindungen und Absprachen zwischen einem bewaffneten und einem politischen Arm, wie man sie zum Beispiel von den baskischen oder irischen Unabhängigkeitsbewegungen oder auch von islamistischen Bewegungen im nahen Osten kennt. Die AfD wäre nach dieser Logik ein Kind rechtsradikaler Terrorgruppen, die inzwischen von Millionen ebenso rechtsradikaler Anhänger und Mitglieder in den Bundestag und die Landesparlamente gewählt worden ist.

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Anders als im Falle der linksextremen Täter der RAF sollen die rechtsextremen Gewalttäter von heute, ginge es nach Roth und Kramp-Karrenbauer, nicht als Kriminelle, sondern als verlängerter Arm des bei Wahlen zusehends erfolgreichen Rechtspopulismus ins Visier genommen und bekämpft werden. Die Instrumentalisierung einzelner Gewalttaten für politische Zwecke, vor der nicht nur im Falle des Linksextremismus, sondern auch des Islamismus gerne gewarnt wird, wird im Falle des Rechtsextremismus von den Warnern hemmungslos betrieben. Jede rechtsextreme Gewalttat soll als eine Art Katalysator im täglichen „Kampf gegen Rechts“ genutzt werden, dem sich inzwischen nicht nur die einschlägigen gesellschaftlichen Gruppierungen, sondern alle etablierten Parteien einschließlich des Bundespräsidenten verschrieben haben.

Ob diese von zahlreichen Politikern, Medienvertretern und Terrorismusexperten präferierte Strategie zu den vorgegebenen Zielen einer Verhinderung rechtsextremer Gewalttaten und des Verschwindens der AfD aus den Parlamenten führen wird, ist indes äußerst fraglich. Anstatt die rechtsextremen Gewalttäter, wie einst die RAF, als gewalttätige Outlaws zu isolieren, werden sie als integraler Bestandteil einer breiten, international aktiven politischen Bewegung beschrieben. Damit werden sie in ihrem Selbstbild bestätigt, die zur revolutionären Tat entschlossene Vorhut dieser Bewegung zu sein und bei ihren Gesinnungsgenossen und Anhängern entsprechend aufgewertet. Ein solches Selbstbild prägte auch die frühe Phase der RAF und deren Wahrnehmung durch ihre Anhänger und Sympathisanten. Es trieb ihr zunächst weitere zu Gewalttaten bereite Mitglieder zu, wurde dann aber unter der Führung des damaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidt von den verantwortlichen Politikern und zuständigen Strafverfolgungsbehörden nachhaltig zerstört.

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Politisch isoliert werden sollen heute, unter der Führung von Bundeskanzlerin Angela Merkel, hingegen nicht die rechtsextremen Gewalttäter, sondern eine neue politische Bewegung, die als außerparlamentarische wie parlamentarische Opposition die Interessen derjenigen Bevölkerungsgruppen repräsentiert, die mit wesentlichen Zielen und Inhalten des parteiübergreifenden, links-grün geprägten politischen Mainstreams nicht einverstanden sind und den etablierten (Volks-)Parteien daher ihr bisheriges Vertrauen entziehen. Das gefährdet inzwischen auch in Deutschland überkommene parlamentarische Kräfteverhältnisse und Bündnismöglichkeiten und zunehmend auch die Existenz einzelner politischer Parteien. Sie kämpfen, nicht zuletzt unter dem Eindruck des völligen Bedeutungsverlustes befreundeter Parteien in anderen europäischen Ländern, zusehends nicht nur um politische Mehrheiten, sondern um das eigene Überleben.

Von daher ist es nicht weiter verwunderlich, wenn einzelne Vertreter dieser Parteien rechtsextreme Gewalttaten dafür zu nutzen versuchen, einen politischen Gegner zu schwächen, für dessen Aufkommen sie indes selbst mit verantwortlich sind. Gespeist wird der neue rechtspopulistische Gegner, wie der Bielefelder Soziologe Wilhelm Heitmeyer in seiner Studie über „Autoritäre Versuchungen“ zeigen konnte, nämlich von drei Entwicklungen, die er als gesellschafts- und wirtschaftspolitische „Entsicherungen“ kennzeichnet. Genannt werden von ihm neben der zunehmenden Bedrohung durch den islamistischen Terror, die nach wie vor schwelende Banken- und Finanzkrise sowie die anhaltenden Migrationsbewegungen aus Ländern der Dritten Welt Richtung Europa und Deutschland. Sie alle bedrohen mehr oder weniger unmittelbar die Lebensumstände breiter einheimischer Bevölkerungsschichten und werden von ihnen nicht nur als Kontrollverluste über die eigene Lebensführung wahrgenommen, sondern auch als selbst verursachten Kontrollverlust der politischen Klasse gewertet. Gründe dafür gibt es mittlerweile genügend, wenn Politiker zum Beispiel die Banken beim Zocken mit den Einlagen ihrer Sparer frei gewähren lassen, bei bankrotten Ländern anhaltende Insolvenzverschleppung betreiben oder den massenhaften Missbrauch des Asylrechts zur Arbeitsmigration nicht unterbinden.

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Die Lebensumstände breiter Bevölkerungsschichten wurden und werden von daher keineswegs nur von anonymen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen wie etwa der Globalisierung, sondern auch durch das täglich beobachtbare Vorgehen politischer Parteien entsichert und bedroht. „Take back Control“ kann von daher nicht nur als Parole der britischen Wähler, die mehrheitlich für einen Austritt ihres Landes aus der EU gestimmt haben, sondern als das Motto einer an Zustimmung und Einfluss gewinnenden neuen politischen Bewegung betrachtet werden, die seit einigen Jahren auch Deutschland erfasst hat. Deren Protagonisten und Anhänger wollen sich nicht damit abfinden, dass die Zeiten und Umstände, in denen sie leben, in hohem Maße unsicher geworden sind. Ganz im Gegenteil erheben sie immer lautstarker Forderungen gegenüber der Politik, die auf eine Beendigung der um sich greifenden Kontrollverluste drängen.

Demgegenüber stehen die an die Bürger ebenfalls immer lautstarker herangetragenen Erwartungen der Politik, die mit den von Heitmeyer genannten „Entsicherungen“ einhergehenden Risiken, denen sich problemlos noch weitere hinzufügen ließen, einfach in Kauf zu nehmen. Seinen vorläufigen Höhepunkt erreichte dieses Vorgehen im Herbst 2015 mit der Aussage der Bundeskanzlerin „Wir schaffen das“. Laut einer im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ausgestrahlten Dokumentation hatte sie am Ende einer Dienstreise durch die deutsche Provinz in der Küche ihrer Berliner Wohnung allein entschieden, aus den Armuts- und Kriegsgebieten des nahen und mittleren Ostens sowie aus Afrika hunderttausende Asylbewerber nach Deutschland einwandern zu lassen, ohne deren Identität überprüfen zu lassen. Ein politisch bewusst herbeigeführter Kontrollverlust, der nicht nur in der Geschichte der Bundesrepublik seinesgleichen sucht.

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Eine solche Gemengelage, in der auf einer eingleisigen Strecke gewissermaßen zwei Hochgeschwindigkeitszüge aufeinander zurasen, birgt nicht nur ein erhebliches politisches Konfliktpotential, sondern ein ebenso erhebliches Radikalisierungspotential in sich. Beide Seiten wären daher gehalten, politisch und verbal abzurüsten, dem jeweiligen politischen Gegner mit dem notwendigen Respekt zu begegnen und ihn nicht weiterhin als „Volksverräter“ bzw. „Verfassungsfeind“ sowie anderen Schmähungen zu diffamieren. Dringend geboten wäre stattdessen die Rückkehr zum einem ebenso harten wie fairen parlamentarischen wie außerparlamentarischen Diskurs um die Grundausrichtungen in Fragen der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik, der Europapolitik, der Asyl- und Migrationspolitik sowie der Umwelt- und Klimapolitik. Derzeit spricht allerdings wenig dafür, dass ein solcher Diskurs, für den sich jüngst Alt-Bundespräsident Joachim Gauck sowie der Professor für Öffentliches Recht und Literat Bernhard Schlink ausgesprochen haben, zustande kommen wird.

Angesichts der jüngsten rechtsextremen Gewalttaten gewinnen derzeit vielmehr diejenigen Kräfte in den etablierten Parteien und Medien Oberwasser, die schon immer darauf setzten, das Gespenst des Rechtspopulismus mit Hilfe der Nazi-Keule erschlagen zu können. Dass sie dabei nicht nur politische Funktionäre, sondern breite Bevölkerungsschichten treffen und die politische Polarisierung im Land weiter vertiefen, nehmen sie dabei ebenso in Kauf wie das Risiko, dass selbsternannte „Antifaschisten“ (Antifa) in ihrem „Kampf gegen Rechts“ dazu ermutigt werden, den politischen Gegner nicht nur verbal anzugreifen und zu verletzen. Schon die Mitglieder der RAF waren der Überzeugung, sie müssten einen wieder aufkeimenden Faschismus in der Bundesrepublik mit der Waffe in der Hand bekämpfen. Wenn die Aktivisten der heutigen Antifa seitens vieler Politiker und Journalisten jeden Tag zu hören bekommen, nicht nur in Deutschland stünde in Gestalt rechtspopulistischer Parteien der Faschismus wieder vor der Türe, stellt sich die Frage, ob derlei Botschaften ohnehin schon fanatisierte politische Irrläufer nicht dazu ermuntern, die Zeit für gekommen zu halten, erneut zum bewaffneten Kampf nicht nur gegen Sachen, sondern gegen Personen überzugehen.

Bettina Röhl „Die RAF hat Euch lieb“
Nachhaltige Erschütterung einer in Beton gegossenen RAF-Rezeption
Auf der gegenüberliegenden Seite der politischen Barrikaden will die AfD zur Sicherstellung und zum Ausbau weiterer Wahlerfolge gleichzeitig nicht darauf verzichten, bei ihren Anhängern und Wählern sowohl Ressentiments gegen die etablierten politischen Parteien und deren Funktionäre als auch oder neuerdings des  oder gegen einzelne Bevölkerungsgruppen, allen voran den zugewanderten Asylbewerbern und anderen Ausländern, zu schüren. Viele ihrer Funktionäre verfahren dabei gerne nach dem Motto ‚Wo gehobelt wird, da fallen Späne‘. Sie befördern damit in der Tat ein politisches Klima, das radikalisierte Aktivisten oder Mitläufer einer politischen Bewegung dazu ermuntern kann, einzeln oder auch im Kollektiv zu den Waffen zu greifen, um beispielsweise gegen einen von ihnen unterstellten, von geheimen Mächten gezielt gesteuerten „Großen Austausch“ der deutschen Bevölkerung durch Migranten ein Zeichen zu setzen. Was den Fanatikern von links der drohende Faschismus ist, ist den Fanatikern von rechts der drohende Untergang der „germanischen Rasse” oder neuerdings auch des „alten weißen Mannes”.

Gewollt oder auch ungewollt geistige Brandstiftung für radikale Auswüchse politischer Bewegungen zu betreiben, ist somit keineswegs ein Privileg rechtspopulistischer Parteien, sondern begleitet bis heute auch die Geschichte linker bzw. links-grüner Bewegungen und Parteien. Von daher ist es sicherlich ein besonderer Treppenwitz der Geschichte, wenn heute zum Beispiel Claudia Roth, die zur grünen Vizepräsidentin des Bundestags avancierte, ehemalige Managerin der linksradikalen Rock Band Ton Steine Scherben, die sich unter anderem durch einen Song für den von der Polizei erschossenen RAF-Terroristen Georg von Rauch einen Namen gemacht hat, angesichts des Attentats in Halle mit Verweis auf die AfD sagte: „Wir haben ein Problem und wir haben einen Brandbeschleuniger und der sitzt im Bundestag und in den Landtagen.“ Die in solchen Äußerungen zum Ausdruck kommende politische Bigotterie ist keineswegs ein Alleinstellungsmerkmal von Claudia Roth. Sie prägt das gesamte links-grüne Juste Milieu von heute, soweit es sich noch aus einstigen Protagonisten und Mitläufern einer mehrere Jahrzehnte zurückliegenden politischen Bewegung zusammensetzt, deren Sympathien für linken Terror, wie wir nicht nur von Gerd Koenen wissen, sich in vielen Fällen keineswegs nur auf die geistige Ebene beschränkte. Wer im Glashaus sitzt, sollte auch in diesem Fall besser nicht mit Steinen auf andere werfen.


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