Tichys Einblick
Millionäre sind per Sie

Höhle der Löwen: Unternehmer Georg Kofler liest zwei Berliner Traumtänzern die Leviten

Es gibt sie noch die Unternehmer, die sagen, was Sache ist. Da lässt ein Vollblutunternehmer zwei Berliner Pseudos mal so richtig die Luft raus.

imago images / Future Image

Lustig ist ein Kommentar im dazugehörigen Artikel bei Wikipedia, der über die staffelweise wöchentlich ausgestrahlte VOX-Sendung „Höhle der Löwen“ mit hochgezogener Augenbraue erzählt: „Trotz der ausführlichen Produktdarbietungen im Fernsehen und den steigenden Verkaufszahlen nach der Ausstrahlung gilt die Show nicht als Dauerwerbesendung.“

Aber natürlich ist dieses Format eine Dauerwerbesendung, in der junge Unternehmer bzw. solche, die es noch werden wollen, mit innovativen Ideen fünf gestandene Unternehmer um Geld, Kontakte und eine Partnerschaft angehen, weil sie ihr Produkt oder ihre Dienstleistung bekannt und erfolgreich am Markt machen wollen. Selbstverständlich ist das eine Dauerwerbesendung, wenn zeitgleich mit der Ausstrahlung vieler dieser Produkte im Markt ihren Durchbruch erleben.

Durchschnittlich zwei Millionen Zuschauer möchten sehen, welche ausgefallenen Ideen und Produkte Kandidaten mitbringen und andererseits, wie die fünf Unternehmer darauf reagieren, ob eine Partnerschaft zustande kommt. Sehenswert ist diese Höhle der Löwen auch deshalb, weil diese Unternehmer vom Finanzunternehmer Carsten Maschmeyer über Frank Thelen bis Dagmar Wöhrl und der Kosmetik-Teleshopping-Unternehmerin Judith Williams für Otto Normalverbraucher vor allem durch eines auffallen: Sie wirken teilweise schon arg weltfremd. Der Blick dieser prominenten Unternehmer auf die Welt, auf die vorgestellten Produkte, ihre Kommentare zu den Bewerbern sind oft auf eine Weise gestelzt und spleenig, dass der Zuschauer hinter der Mattscheibe mit dem Kopf schütteln mag – ein Einblick in eine andere, in die abgehobene Welt jener, die sich – wenn wir das Klischee benutzen wollen: – mit hohen Mauern rund um ihre Villen ansonsten vor jenen schützen, von jenen abgrenzen, die hier um Geld und Unterstützung bitten.

Wie weltfremd diese eigentlich erfahrenen wie erfolgreichen Unternehmer mitunter sind, mag die Erfolgsquote der abgeschlossenen Deals belegen, wenn ein Großteil später gleich wieder aufgelöst und überhaupt nicht realisiert wird. Soviel zu dieser Sendung und ihren wechselnden sowie festen Protagonisten.

In der aktuellen Folge nun allerdings zeigte sich einer der Löwen – so nennen sich hier die Unternehmer entlang des Titels der Sendung – im Vergleich zu seinen Kollegen auf ganz erstaunliche Weise bodenständig, wenn sich der 62-Jährige Südtiroler Medienmanager Georg Kofler über die Bewerbung eines Gründerpaares dermaßen in Rage redet, dass nicht nur die Gründer, sondern auch Koflers Kollegen darüber für den Moment konsterniert erscheinen.

Um welche Idee ging es? Zusammengefasst: Zwei Berliner wollen von den Investoren fast eine Million Euro für ein paar mickrige Prozente an einem von ihnen neu gegründeten Unternehmen, dass sie gemessen an der geforderten Investitionssumme mit heute schon elf Millionen Euro bewerten. Und die Idee dahinter ist nicht einmal neu – sie wurde hier nur professionalisiert:

Abgelaufene Lebensmittel, die als Paket zum Kunden nach Hause kommen. Zwar immer noch preiswerter als die nicht abgelaufenen Waren, aber eben auch nicht ehrenamtlich, nicht über eine Tafel für Bedürftige für den symbolischen Euro, sondern knallhart kalkuliert von Gründern, die sich den Investoren in dieser Höhle der Löwen auch noch als Weltretter und ehemalige Geldverweigerer („Geldstreik“) vorstellten, wenn einer von ihnen erzählte, wie er ein paar Jahre lang jede Annahme von Geld verweigert hätte – na gut, das Kindergeld hätte er schon genommen wegen der – Krankenversicherung. Antikonsumenten also, die jetzt quasi das Geld der anderen schnorren wollen, um endlich Millionäre zu werden. Ein Prozess des Erwachsenwerdens? Weg von Greta hin zu Carsten Maschmeyer?

Georg Kofler platzt jedenfalls in diesem Moment der Kragen. Und er platzt dem sympathischen Medienmanager auf eine Weise, die wir hier auszugsweise wiedergeben wollen, weil die Empörung Koflers für so viel mehr steht, als nur für eine spontane Aufregung in einer VOX-TV-Sendung. Kofler, der von einer alleinerziehenden Mutter großgezogen wurde, die in der Fabrik arbeiten musste, weil ihr Ehemann früh gestorben war, empört sich hier stellvertretend für Millionen Menschen, die sich nicht mehr von Legionen von Weltverbesserern und selbsternannten Welterklärern darüber belehren lassen wollen, wie sie zu leben haben, während diese Menschen mit ihrer täglichen Arbeit eben diesen Besserwissern auch noch den Lebensunterhalt auf vielfältige Weise finanzieren sollen.

„Also was mich fundamental stört ist euer moralisierendes Schöngerede von eurem Geschäftsmodell. Ihr sagt: „Lebensmittel retten.“ Ne! Ihr kauft Lebensmittel ganz billig ein und verkauft sie teurer weiter. Ihr macht ein normales kaufmännisches Geschäft. Und treten hier an wie die Moralapostel, die die Welt retten wollen. Und kommt mit einer Bewertung (des eigenen Unternehmens) daher, die euch als obergierige Kapitalisten erscheinen lässt.“

Und dann platzt Kofler wirklich der Kragen, seine Stimme wird rauer, griffiger, anklagender:

„Wenn Sie das Geld der anderen nehmen, dann tun Sie doch nicht in Ihrer moralisierenden Attitüde so, als ob Sie ein besserer Mensch wären, quasi, der eben all das, was Millionen von normalen Leuten tun, viel besser macht. Ich kann das schon gar nicht mehr hören, dieses Gewäsch. Ich finde euch total unglaubwürdig. Wenn ihr es alleine schafft, habt ihr meinen Respekt, aber nicht, wenn ihr euch das Geld der anderen heimlich nehmt und euch dann als bessere Menschen darstellt. Und eure Bewertung ist absurd. (…) Das ist gieriger als der freie Kapitalist, der sich auch noch dazu bekennt.“

Und in eigener Sache:

„Ich bin Unternehmer und ich gehe mit Kapital um. Ich sag es auch und ich bekenne mich dazu. Und ich sage nicht: Ich mache jetzt ein Geschäft, um die Welt zu einem besseren Planeten zu machen. Nein, nein. Sondern ganz im Gegenteil: (…) Ich will auch damit Gewinn erzielen. Und daher, weil mich das so echauffiert und weil ich euch so unglaubwürdig finde, weil mir diese moralisierende Attitüde so auf den Geist geht, bin ich jetzt schon mal raus (was das Investment für die jungen Männer und ihre Idee angeht).“ „Danke Dir für das Statement“, antwortet der Jungunternehmer, „Wir sind nicht per Du“, belehrt ihn Unternehmer Georg Kofler noch. „Unter Multimillionären ist man eine Weile per Sie.“

Ist das nicht herrlich? Eine Sendung, die man dem Vorstandsvorsitzenden von Siemens und seinen versammelten DAX-Kollegen einmal vorführen sollte, wenn beispielsweise Joe Kaeser zuletzt mit seiner Hauptrede zur privaten Geburtstagsfeier von BlackRock etwas ganz anders probiert hat als Georg Kofler bei VOX. Wenn Kaeser die moralisierende Attitüde dieser zwei Berliner Lümmel tatsächlich zur neuen Maxime von Weltkonzernen wie Siemens machen wollte, als er der erlauchten privaten Runde bei BlackRock so etwas wie ein neues nachhaltiges Unternehmertum schmackhaft machen wollte. Als Kaeser sagte, es käme nicht von ungefähr, dass wir heute eine intensive Suche nach dem Sinn in Unternehmen erleben würde. Absurd. Denn das hieße ja, dieser Sinn wäre verloren gegangen.

Nein, verloren gegangen ist bei solchen politisierenden Großmanagern so etwas wie ein fundamentales Verständnis für die eigentliche wie früher hoch geachtete Aufgabe von Unternehmen: Produkte und Dienstleistungen anbieten, Gewinne machen, Arbeitsplätze anbieten, Steuern bezahlen. Mehr muss nicht, den Rest reguliert der Staat. So einfach.

Vielleicht sollte sich die deutsche Wirtschaft, sollte sich Siemens einmal um jemanden wie Georg Kofler bemühen. Um bodenständige Menschen. In die spezifischen Geschäfte von Siemens wird er sich schon einarbeiten. Ganz sicher aber wird er eines nicht: Schaden anrichten mit einer absurden Sinnsuche, fast so, als wäre uns der Sinn des Schaffens als herausragende deutsche Tugend schon gänzlich verloren gegangen.

Anzeige
Die mobile Version verlassen