„Klimaschutz“: Nutella ist alle, Papa ist schuld. Oder Mama?
Matthias Nikolaidis
Umweltschutz ist durch das Thema ›Klima‹ und seiner ›Rettung‹ außer Kontrolle geraten. Erst unterwarfen sich die Staaten, nun sind die Bürger dran. Was dabei aus dem Blick gerät, ist die Eigengesetzlichkeit der Natur ebenso wie jene des Marktes.
Es geht gar nicht um „Klimaschutz“. Denn das Klima kann man nicht schützen. Man kann es auch nicht „retten“. Vielleicht kann man es ein klein wenig „beeinflussen“; das wird schwer, wenn überhaupt. Allerdings sicherlich nicht mit dem Verbot von Ölheizungen und dem Drehen an der Pendlerpauschale. Das Klima ist zunächst eine Gegebenheit, die sich in verschiedenen, miteinander interagierenden Zonen um den Erdball zieht, im übrigen eine im Verlauf der Erdgeschichte äußerst volatile und ungerechte Angelegenheit. Die Sahara war einst bekanntlich grün, die Römer profitierten von einer relativen Warmzeit. Die ›kleine Eiszeit‹ des 15. bis 19. Jahrhunderts hat vermutlich Not und Tod gebracht, den Dreißigjährigen Krieg und die Französische Revolution mit ausgelöst.
Wenn heute 16-Jährige auf die Straßen gehen und die Einhaltung des Pariser Klimaschutzabkommens fordern, dann wissen sie nichts von dieser Vergangenheit, auch nichts von den komplexen Zusammenhängen zwischen menschlichem Verhalten, Natur und Wetter. Das einzige, das sie sicher in sich zu tragen scheinen, ist der durchaus kindliche Gedanke, dass die Erwachsenen verantwortlich sind, für das globale Klima wie für das Raumklima: Papi ist schuld, weil er den Heizkörper nicht angeschaltet hat! Der derzeitige Gretismus ist eine ständige petitio principii – eine Gesinnung, die kindliche Erfahrungen auf globale Zusammenhänge projiziert. Da wird eine Generation verantwortlich gemacht wie Papa oder Mama am Frühstückstisch dafür, dass die Nutella ausgegangen ist beim Frühstück. Bei der Versorgung mit Nutella mag es stimmen – aber die kindliche Vorstellungswelt der elterlichen Allmacht ist nicht erweiterbar auf komplexe, globale, den Planeten übersteigende Zusammenhänge wie das Klima. Wild wird da alles, was der Mensch der Natur an Schäden aufgebürdet hätte, zusammenaddiert und auf die Minus-Seite einer Rechnung gesetzt, bei der die Menschheit nur verlieren kann. Denn, in der Tat, seit es uns auf diesem Planeten gibt, haben wir der Natur zugesetzt. Als einige Asiaten nach Amerika vorstießen, starb gemäß einer populären Theorie die Megafauna der Neuen Welt aus. Der fruchtbare Halbmond ebenso wie Süd- und Mitteleuropa sind nun seit tausenden und hunderten von Jahren entwaldet, die Libanon-Zeder gibt es noch auf der Flagge des Landes, aber tatsächlich ist sie mit den Römischen Galeeren untergegangen. Die Landschaften, in denen wir heute leben, sind das Ergebnis vieltausendjähriger Bewirtschaftung, die Tiere, die wir halten, ebenso wie die Pflanzen, die wir anbauen, das Resultat unserer Züchtungsbemühungen – im Guten wie im Schlechten.
Der Westen graust sich vor seinem eigenen Wirtschaftsmodell
Das Argument lautet nun meist, dass wir Heutigen mehr Wissen, mehr Macht und folglich auch mehr Verantwortung für die Dinge haben. Diese Ansicht ist beliebt unter den Aufgeklärten, verkennt aber, dass menschliches Verhalten auch unter dem Einfluss der Aufklärung stets interessengeleitetes Handeln blieb. Wenn also die Brasilianer heute den Regenwald abholzen, um so Acker- und Plantagenland zu gewinnen, dann tun sie nur dasselbe wie die Menschen des Mittelalters, die die Wälder Europas rodeten, um selbst besser zu leben. (Präsident Jair Bolsonaro wies erst jüngst die in Biarritz tagenden G7 auf diese Parallele hin, als er in einem wirklichen Geistesblitz die Aufforstung Europas von ihnen forderte.)
Im Hintergrund steht auch ein alt-neu-koloniales Denken, in dem wir, von westlicher Warte aus schauend, dem Rest der Welt vorschreiben wollen, wie er zu wirtschaften hat. Wir sehen natürlich unseren enormen Lebensstandard, der sich auch auf die Nutzung von Ressourcen gründet und gründen muss. Als nächstes fallen uns die Zahlen von je 1,4 Milliarden Indern und Chinesen, 418 Millionen Südamerikanern und 1,3 Milliarden Afrikanern ein – und uns wird für einen Moment etwas schwarz vor Augen. Denn ihnen müssten wir – aus Gründen der Gerechtigkeit – ja den gleichen Ressourcenverbrauch zugestehen wie uns. Das scheint uns aber nicht möglich und muss folglich durch global-administrative Akte verhindert werden. Dieses Denken ist aber durchaus begrenzt, da die Wirkungen von Kreativität und Erfindergeist in der Menschheitsgeschichte überhaupt nicht gesehen werden. Sie sind aber der eigentliche Ursprung unserer Fortschritte.
Der Markt als ökologisches Regulativ
Daneben scheint auch von der revolutionären Aura des Klimastreiks eine Wirkung auf gewisse Gemüter auszugehen, die sich ohnehin vieles anders wünschen in dieser Gesellschaft und dabei auch gerne nach staatlichen Eingriffen rufen – in Verkennung der verhängnisvollen Rolle des Staates bei der Erhaltung wettbewerbsfähiger Strukturen, ob in der freien Wirtschaft oder staatlichen Haushalten. Der „Klimaschutz“ ist ja auch gesetzgeberisch ein Grund geworden, wieder einige Stellschrauben anzuziehen, ohne andere dabei zu lockern. Dem Bürger wird also erneut die Kontrolle über einen Teil seines Lebens entzogen. Dabei gibt es doch durchaus ein marktwirtschaftliches Modell zum Umgang mit knappen Gütern. Ja, man könnte sagen, die ganze Ökonomik handelt nur von diesem Thema.
Ein knappes Gut wird gemeinhin teuer. So sollte sich doch mit zur Neige gehenden Ressourcen sinnvoll umgehen lassen. Was nützen da eigentlich die staatlichen Eingriffe? Argumentiert wird hier natürlich mit Systemteilen, die sich – wie Wetter, Klima und Natur – nicht ›wehren‹ könnten und also von uns geschützt werden müssten. Das könnte so sein, bezieht sich aber, wie bewusst sein dürfte, auf die schon genannte petitio principii, gemäß der das globale Klima gefährdet sei. Wenn dem aber so ist, dann wäre eine einheitliche Lösung für den CO2-Verbrauch anzumahnen, die sich nicht im Kleinklein der Zuschüsse, Abzüge und Pauschalen verirrt, wie jetzt die Vorschläge der Großen Koalition.
Alle in der derzeitigen Diskussion gezogenen Schlüsse werden irgendwann zirkulär. Das einzig Sichere ist die Unsicherheit, die der Mensch stets zu vermeiden sucht. Vor allem in seinem Denken, und dafür braucht es eben Glaubenssysteme, entweder offene, die die Begrenztheit des menschlichen Handelns deutlich machen (Religionen, Kirchen und Kulte), oder versteckte, die in schlecht-aufklärerischer Tradition von einer Allmacht der globalen Gemeinschaft im Kampf mit den Naturgewalten ausgehen (Klima-, Umwelt- und Öko-Wahn). Doch dürfte sich die Natur in jeder Hinsicht als stärker herausstellen, als wir Menschen es glauben oder sind.
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