Im Juli 2019 lobte sich Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier selbst, als er im „Focus“ über die Energiewende sprach. Er habe einen Deckel für die Förderung der Solarenergie eingeführt: Wenn die installierte Kapazität in Deutschland 52 Gigawatt erreicht habe, werde es keine fest Einspeisevergütung mehr über das Erneuerbare-Energien-Gesetz geben. Diese Maßnahme werde den Anstieg beim Strompreis dämpfen. Den „Solardeckel“ habe er gegen den Widerstand der Lobby eingeführt, so Altmaier damals, „weil ich den Mut dazu hatte“.
Am vergangenen Freitag besaß Altmaier dann offenbar nicht genügend Mut und politische Kraft: das so genannte „Klimakabinett“ schaffte den Solardeckel ab. Der Stromkosten-Auftrieb durch geförderte Solarenergie geht also weiter. Und das, obwohl Deutschland heute schon unter den höchsten Strompreisen in Europa leidet. Die Kosten für die Kilowattstunde Haushaltsstrom liegen bei 30 Cent. Davon entfallen 53 Prozent auf Abgaben und Steuern, die EEG-Umlage macht dabei den größten Posten aus. Auch die Stromkosten der Industrie kletterten 2019 im Vergleich zum Vorjahr um 3,0 Prozent bzw. 0,49 Cent pro Kilowattstunde. Die Preise am Terminmarkt für Strom lagen im ersten Halbjahr 2019 laut BDEW durchschnittlich um rund 10 Prozent höher als der Preis 2018. Das Großunternehmen Wacker Chemie aus dem bayerischen Burghausen verlagerte wegen des Kostendrucks schon einen Teil seiner energieintensiven Polysilizium-Herstellung zu seinem neuen Werk in Alabama, USA. Anfang 2019 sinnierte Wacker-Chef Rudolf Staudigl öffentlich: wenn die Strompreise in Deutschland weiter stiegen, müsse das Unternehmen seine Polysilizium-Produktion möglicherweise bald komplett in die USA auslagern.
Die Beseitigung des Solardeckels geschieht wegen des enormen Lobbydrucks – und wegen seiner populistischen Außenwirkung. Das Signal lautet: jetzt werden Erneuerbare Energien mit aller Kraft ausgebaut.
Dabei bräuchten Solarunternehmer die Subventionen eigentlich gar nicht mehr, zumindest dann nicht, wenn sie sich marktwirtschaftlich orientieren. Im brandenburgischen Weesow-Willmersdorf errichtet der Versorger EnBW gerade auf 164 Hektar ein Solarkraftwerk mit einer Kapazität von 175 Megawatt. Das Besondere an dem Projekt: EnBW will dafür keine EEG-Subventionen. Die Preise für (überwiegend in China hergestellte) Solarmodule sind mittlerweile so gefallen, dass ein Unternehmen, das groß genug plant und Module günstig einkauft, dieses Risiko eingehen kann. Im kommenden Jahr soll das Kraftwerk ans Netz gehen. Ob das Projekt tatsächlich Gewinn einspielt, muss sich dann zeigen – wie bei jeder anderen Investition in der Wirtschaft auch. Ein subventionsfreier Betrieb von Solarparks ist jedenfalls möglich. Trotzdem dürften viele Investoren weiter nach Subventionen greifen, die ihre Anlagen weitgehend vom Risiko befreien. Das Angebot von Geld sorgt immer für Nachfrage. Die Bundesregierung sorgt also ohne jede Not dafür, dass weitere Milliarden ausgegeben werden.
Ab 2021, verspricht die Bundesregierung gleichzeitig, soll die EEG-Umlage – derzeit 6,405 Cent pro Kilowattstunde – um 0,25 Cent pro Kilowattstunde sinken, 2022 noch einmal um 0,25 Cent, und 2023 dann um insgesamt 0,625 Cent. Für eine Durchschnittsfamilie wäre das 2023 ohnehin nur eine versprochene Entlastung von weniger als drei Euro im Monat. Wie das zu dem gegenteiligen Beschluss passt, die Solarenergie nun doch weiter über das EEG zu bezuschussen, sagte Angela Merkel auf ihrer Pressekonferenz nach der Sitzung des „Klimakabinetts“ nicht. Und auch nicht, dass neben der EEG-Umlage auch die Netzgebühren zunehmend den Strompreis belasten, je mehr Grünstrom ins Netz fließt. Dessen sehr stark schwankende Menge muss immer häufiger mit so genannten netzstabilisierenden Maßnahmen ausgeglichen werden – Abregelung an sonnigen und windigen Tagen, Entsorgung von überflüssigem Strom ins Ausland zu Negativpreisen, oder teurer Zukauf von Strom aus dem Ausland. Dafür stellten die Netzbetreiber allein 2018 den Stromkunden 1,44 Milliarde Euro in Rechnung, die in den Kilowattstundenpreis einfließen. Auch die Kosten für den Ausbau der Stromtrassen – insgesamt mindestens 30 Milliarden Euro – werden in kommenden Jahren über die Netzgebühren finanziert. Selbst wenn die EEG-Umlage also trotz der Förderpolitik auf wundersame Weise sinken sollte, dürften die Netzgebühren die Mini-Entlastung wieder auffressen.
Zur Entwicklung der EEG-Umlage hatte Angela Merkel schon einmal ein Versprechen abgegeben. Vor dem Bundestag kündigte sie an, die Umlage werde bis 2020 „nicht über ihre jetzige Größenordnung“ von 3,5 Cent pro Kilowattstunde steigen. Das war im Jahr 2011.
Bekanntlich kam es anders. Nämlich wesentlich teurer.