Unsere Reise führt uns in das herrliche Paradies Utopia mit seinen hilfsbereiten, freundlichen und fleißigen Menschen, die alle im Überfluss leben. Sie haben Arbeit, Geld, schöne Autos und Häuser, und sie teilen gerne mit der ganzen Welt.
Aber, oh weh, da ziehen dunkle Wolken auf, Sturmfronten werden gemeldet aus Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz – müssen sich unsere Passagiere an Bord etwa Sorgen machen?
Die Abendunterhaltung braucht kleine Konflikte
Was wäre eine spannende Abendunterhaltung im ZDF ohne kleine Konflikte? Ohne zwischenmenschliche Dramen? Schnell nimmt die Handlung Fahrt auf:
Da ist Herr S. aus der Nähe von Stuttgart, und der hat genau zwei Ängste: Zum einen vor Flüchtlingen, die in der gemütlichen Familien-Siedlung, in der er mit Frau und zwei Kindern lebt, erwartet werden. Sie hatten schon einmal 99 Flüchtlinge da, zwei Messerstechereien.
Seine zweite Angst: Er möchte auf gar keinen Fall als Nazi gelten. Ganz vorsichtig lässt er wissen, dass er und eine Dorfinitiative lieber Flüchtlingsfamilien mit Kindern aufnehmen würden als lauter junge Männer.
Gottseidank ist eine berühmte TV-Beraterin für alle Lebenslagen an Bord, die ganz schnell helfen kann. Die sonst papageien-bunte Claudia Roth, diesmal erstaunlich farblos in CDU-Schwarz, riet, Herr S. solle „sofort auf die Menschen zugehen, die haben alles verloren.“ Weil, „wenn Sie die kennenlernen, entsteht sofort Nähe!“ Ja, das wolle er machen, sprach noch immer leicht verunsichert Herr S., als Rüdiger Seidenspinner, ein Gewerkschaftspolizist, letzte Ängste mit BKA-Statistiken („alles ruhig“) und einer lustigen Anekdote zerstreute: „Das ist doch wie an Weihnachten bei uns, da gibt’s auch immer Streit, weil die ganze Familie aufeinander sitzt.“ So hatte Herr S. das noch nie gesehen! Szenenwechsel.
Ach, das Traumschiff ist immer für Neuerungen gut. Dieses Mal waren die Hauptrollen mit sechs Laiendarstellern, wie Herrn S. und unserem Kommissar, und mit sechs beliebten Berufsschauspielern besetzt. Die Profis zeigten auch gleich, wie man richtig Stimmung macht.
Lauter zukünftige Altenpfleger. Danke! Danke! Danke!
Zuvor aber lernen wir noch Herrn Sch. kennen, einen katholischen Sozialarbeiter, der uns per Einspielfilm durch seine vorbildliche Einrichtung führt. Da wurden junge Flüchtlinge an Dreh- und Schulbänken gezeigt, die schon ganz passabel deutsch sprachen. Alle „wollten etwas Gutes tun“, vielleicht als Altenpfleger oder Ärzte. Manch einer macht nach drei Jahren seinen Hauptschulabschluss. Riesenbeifall im Auditorium, man hatte augenscheinlich ganze Schulklassen an Bord geholt.
Der Fernsehprofi weiß, wenn einem das Herz so richtig überzulaufen droht, muss eine kalte Dusche her, das Happy End kommt schließlich erst am Schluß. Die perfekte Szene für einen hysterischen Zickenkrieg. Was für ein Geschrei zwischen Frau Petry (AfD) und Frau Kipping (Die Linke), wobei die letztere den lauten Ton vorgab. Die AfD-Chefin wollte nur anmerken, dass die vorbildlichen Leistungen unseres Sozialarbeiters großartig seien, leider aber nichts mit der politischen Ebene zu tun haben, wo geklärt werden müsse, wer reinkommt, warum, und ob überhaupt ein Bleiberecht bestehe. Hier müssen wir die Regie tadeln, weil mehr einfach nicht zu verstehen war. Zugleich wäre es hilfreich gewesen mit Untertiteln zu erklären, wer, laut der kreischenden Kipping, der ominöse Steuerstratege für die AfD, „Herr Kürschoff“, sein sollte.
Der Schiffspfarrer gibt seinen Segen dazu
Dramaturgisch großartig, dass dann ein Mann mit sonorem badischem Singsang die Damen beruhigte, quasi als Schiffspfarrer. Thomas Strobl erzählte von seinem Schwiegervater, der die schwarze Null auch in schwierigsten Zeiten zu erreichen wusste und nun für die Flüchtlinge Milliarden Überschüsse erwirtschaftet hat.
Natürlich kann es im ZDF keine Unterhaltungssendung geben ohne gehörigen Migrantenanteil. Emine A. ist Aktivistin gegen Alltagsrassismus. Sie leidet unter täglicher Diskriminierung, etwa wenn – obwohl sie studiert – immer das rassistische Kompliment hören muss: Sie sprechen aber gut deutsch. Blöderweise hatte Strobl der jungen Kopftuchträgerin ebendieses vergiftete Kompliment auch gemacht. Aber der CDU-Mann ist zur Reue fähig, und hatte sofort noch ein paar Wiedergutmachungssätze improvisiert: Wissen Sie, wo die Integration am allerbesten klappt in Deutschland? München? Berlin? Duisburg? Falsch! In Strobls Heimatstadt Heilbronn! Wer hätte das gedacht. Aber Traumschiff-Stammseher wissen, dass man auch immer einiges lernt auf einer Reise.
Zuviel Harmonie schadet der Dramaturgie, da bringen wir schnell noch ein paar politische Wetterdaten, die ein Daniel vortragen darf: 1.000 Asylbewerberheime sind in Flammen aufgegangen, davon in den Bundesländern RP, SA und BW 28, 66 und 70. Macht zusammen 164. Und die anderen 836? In Sachsen?
Die wahre, schöne Gute
Bei einer Schiffsreise kann es nicht nur Sozialarbeiter, Pfarrer und kleine Häuslebauer geben. Da müssen auch die Schönen und Reichen mitfahren. Etwa Angela P., die in ihrem Familienbetrieb aus der Baubranche 3.000 Mitarbeiter beschäftigt und vorbildlicherweise auch Flüchtlinge. Natürlich gibt’s ein paar „kulturelle Missverständnisse“, „ein paar springen auch ab“, aber ein bisschen mehr staatliche Hilfe wäre noch hilfreicher. Die verspricht die gute Fee, Andrea Nahles, sei auf dem besten Wege. „Wir sputen uns und helfen!“ In Dortmund, wusste sie zudem zu berichten, wurden gerade 87 Langzeitarbeitslose für Dienste am Flüchtling angestellt.
Gerade als es wieder so richtig wohlig zuging, zeigte die Uhr, dass auch diese Folge gleich zu Ende gehen wird. Zeit, den Cliffhanger aufzubauen, damit wir auch beim nächsten Mal wieder zuschauen. Für den war der smarte Christian Lindner von der FDP zuständig. Die Krankenkassengebühren steigen, die Stromrechnungen, Deutschland wird schwächer, und wer ist denn dafür zuständig, Frau Nahles, dass die Flüchtlinge nicht sofort (und vielleicht unter Mindestlohn) arbeiten dürfen? Soll das etwa heißen, es ist gar nicht alles so toll in Utopia?
Junge, Junge, das verspricht ja wieder richtig spannend zu werden beim nächsten Mal. Apropos Lindner, Patrick Lindner: Mit ein bisschen Musik wäre es noch schöner gewesen an Bord unseres Traumschiffs. Obwohl: Das Schiff, auf dem die Tanzkapelle bis zum Schluss Stimmung machte, war ja die „Titanic“.