Das Bild der Woche zeigt Angela Merkel neben Boris Johnson. God Save the Queen hat sie schon ausgesessen. Das Wir-schaffen-das aus Johnsons Mund aber ist eindeutig zu viel für sie.
I.
Die Kanzlerinnenlippen ziehen sich zurück. Sind nur mehr ein Strich. Der Strich kräuselt sich auf eine anatomisch nicht vorgesehene Weise. Dann besitzt dieses Wesen plötzlich gar keinen Mund mehr, nur noch einen nach innen gestülpten Schlitz. Dazu rollen die Augen. Das heißt, sie würden gerne rollen, wüssten sie nur wohin und steckten nicht fest in diesem Gefängniskopf. Eine grimassierende Sphinx ist zwar ein Widerspruch in sich – aber genau das ist sie in diesem Moment. Die Macht ist nur noch Masse. Alles, was dieses politische Wesen ausmacht, ist reduziert auf seinen Kern, gerade im Unförmigen so klar erkennbar wie sonst nie. Like a rolling stone, der nirgends mehr hinrollt. Was für ein Augenblick! Und das nur, weil ein seltsamer Clown die Maxime ihres Lebens stibitzt.
II.
Amüsiert sie sich? Ist sie peinlich berührt? Angewidert? Oder bloß verblüfft, wie jemand so dreist ihr das schallende Mantra entwenden und zweckentfremden kann, ihre drei Worte missbraucht, verdreht, überhöht und zugleich auch noch verhöhnt. Dazu braucht man den sense of humor eines Angehörigen der britischen Oberschicht. Eben einen, der sich nix scheißt, wie wir im Alpenvorland sagen. Was will er uns bedeuten, wenn er Chancellor Mörkl halbwegs im Originalsound zitiert?
III.
Vielleicht will er sagen, mein So-dahin-Geschwätz ist besser als dein So-dahin-Geschwätz, dear Angela. Wir sind darin beide brillant, nur bin ich noch ein wenig brillanter. Denkbar auch, dass es seine Absicht gewesen ist, den Germans, das große Wort ihrer hohen Frau in seiner voller Tiefe auszuleuchten. Wir haben es womöglich noch gar nicht ganz verstanden. Der Engländer gibt den Dolmetscher, auf englisch nennt man ihn zurecht interpreter, aus dem Merkeldeutsch ins gewöhnliche Deutsch. Wir-schaffen-das könnte zum Beispiel so übersetzt werden: Ich sag´s einfach mal. Wenn´s nicht stimmt, íst´s auch egal. Stellt euch nicht so an. Wenn Boris Mörklspeak in den Mund nimmt, heißt es genau das.
IV.
Wir-schaffen-das: Ausgerechnet diesen Spruch haut der blonde Clown dem Findling im Kanzleramt um die Betonfrisur, der doch ganz wesentlich zu Johnsons Karriere beigetragen hat. Er säße nicht in 10 Downing Street ohne Wir-schaffen-das. Seine Dankbarkeit konnte er nicht besser zum Ausdruck bringen. Dass die Briten mit Mehrheit für den Brexit gestimmt haben, liegt daran, dass sie nicht auch noch schaffen wollten, was Merkel der EU zugemutet hat. Nicht Boris hat den Brexit geschafft, falls er ihn schafft. Es waren die Germans.
V.
Wir-schaffen-das. Wir sind geschafft. Wir Deutschen schaffen ab und schaffen an. Wir schaffen Platz und aus dem Weg. Wir schaffen vollendete Tatsachen, schaffen Ordnung oder das Gegenteil. Weil wir rechtschaffen sind. Wer schaffen will, muss fröhlich sein, lautet ein deutsches Sprichwort. So ein Quatsch. Wir wollen mit ihr nichts mehr zu schaffen haben. Es ist das Wort, das an Merkel hängt wie ein Mühlstein. Ihr veni, vidi, vici. Ich kam, ich sah, ich versagte. Darüber lacht heute die Welt. Ob Boris Johnson in 10 Downing Street lange lachen wird, wissen wir nicht. Vielleicht schafft er das. Wie er das schaffen will? Auf dem Bild der Woche ist es zu sehen.